Krisenjournalismus trifft auf Fiktion

von Andrea Kroner

Das Thema Israel ist in den Medien schon seit Jahren präsent. Doch dabei bleibt man stets in der Rolle des Außenstehenden. Frank Schätzing gelingt es in seinem Roman, durch die Perspektiven vieler Personen eine weitaus größere Nähe zu schaffen: Ein Krisenreporter, ein Siedler, ein Rabbi und eine Jugendliche sind nur einige Charaktere, welche die Hintergründe verständlicher machen und für unerwartete Wendungen sorgen.

 

Eine Jagd durch die Geschichte Israels

2008. Der erfolgreiche Krisenreporter Tom Hagen ist viel im Nahen Osten unterwegs und liebt den Nervenkitzel. Doch bei einer Geiselbefreiung müssen durch sein Verschulden sowohl die Geiseln als auch seine Assistentin sterben. Das bedeutet das komplette Aus für ihn.

1929. In einem kleinen Dorf im damaligen Palästina beginnt die Lebensgeschichte des späteren israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon. Dieser Teil der Handlung wird zu einer Familiengeschichte über die Besiedlung Palästinas ausgeweitet.

2011. Die Handlung springt zurück zu Tom Hagen, der mittlerweile für ein drittklassiges Online-Magazin im Nahen Osten arbeitet. Durch einen ehemaligen Kollegen erfährt er von CDs mit geheimen Daten über den israelischen Geheimdienst. Darin sieht er seine große Chance für ein Comeback. Doch die gekauften Informationen stellen sich als wertlos heraus, weshalb Hagen ein Attentat auf den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon erfindet. Der Anschlag fand jedoch wirklich statt, was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß. Der dadurch aufgeschreckte Geheimdienst und die Attentäter werden durch seine „erfundene“ Geschichte auf ihn aufmerksam und jagen ihn durch ganz Israel. Mit ihm flieht die Mitattentäterin Yael Kahn, die von den Anschlagplanern als Hagens Informantin angesehen wird, da sie ihre Tat bereut. Nach einer langen Odyssee gelingt ihnen die gemeinsame Flucht nach Jordanien.

 

Zwischen der Geschichte Israels und einem erfundenen Attentat

Der Autor hat sich sehr intensiv mit den Themen Israel und Nah-Ost-Konflikt auseinander gesetzt. Er hat ausgiebig recherchiert, um sich in die Materie einzuarbeiten. Dazu hat er auch bei vielen Gebieten Experten zu Rate gezogen, um beispielsweise Geiselnahmen oder das Flugverhalten von Kampfdrohnen authentischer beschreiben zu können. Darüber hinaus ist er drei Wochen lang quer durch Israel gereist, um sich selbst ein Bild von der Lage vor Ort zu verschaffen. Dabei ist ihm aufgefallen, dass keineswegs „überall nur Hass vorherrscht. Es gibt Hass, keine Frage – die Hamas im Gazastreifen, die radikalen Siedler sind von Hass getrieben. Aber in breiten Kreisen der Bevölkerung findet man überraschend viele Freundschaften zwischen Palästinensern und Israelis, kleine Kooperativen, Partnerschaften. Selbst zwischen Siedlern und ihren arabischen Nachbarn.“

Durch diese intensive Beschäftigung mit der Thematik schafft er es, viele Details zu beschreiben und alles ausführlich zu erklären, wodurch der Leser das Gefühl bekommt, sehr gut über das Thema informiert zu werden. Doch manchmal werden  fast zu viele Komponenten eingearbeitet: Der Versuch einer umfassenden Darstellung führt dann zu weit und behandelt Themen, die für die eigentliche Geschichte nicht mehr relevant sind.

Doch bei „Breaking News“ fließen nicht nur Fakten, sondern auch wesentliche fiktionale Elemente mit ein: Der komplette Handlungsstrang über Tom Hagen und das Attentat entspringen einzig den Gedanken des Autors. Auch sind fast alle Charaktere frei erfunden oder nur an reale Personen angelehnt. Doch gerade bei Ariel Scharon sind viele Äußerungen Originalzitate und Situationen oft dem eigentlichen Leben nachempfunden. Er verflechtet seine eigenen Erfahrungen aus Israel mit Erzählungen, Geschichte und Fantasie. Dadurch gelingt dem Autor sehr gut, Fakt und Fiktion so miteinander zu verknüpfen, dass es für den Leser schwierig wird, dazwischen zu unterscheiden. Es ist dabei nur etwas schade, dass nicht klar erkennbar wird, welchen Teile der Geschichte Recherche zugrunde liegt und welche frei erfunden sind. Dadurch geht etwas verloren, worauf der Autor hinaus möchte. Doch genau das scheint es zu sein, was Schätzing erreichen möchte.

 

Zwischen Anschaulichkeit und Verwirrung

Das Buch besteht aus mehreren Handlungssträngen, die von verschiedenen Figuren zu unterschiedlichen Zeiten handeln. Diese brechen oft abrupt ab und werden erst später wieder aufgegriffen. Auch scheinen sie gerade am Anfang nicht miteinander in Beziehung zu stehen, was den Leser verwirren kann, da kein klarer Zusammenhang erkennbar ist.

Erst gegen Ende der Geschichte zeigen sich die Beziehungen der Handlungsstränge zueinander und führen zu einem gelungenen Schluss. Letztendlich stellt man fest, dass die Geschichte sehr ausgefeilt ist und Frank Schätzing ein gut durchdachtes, aber schwer zu lesendes Buch geschaffen hat.

 

Kriegsreporter – kein Job für Jedermann

Die Berichterstattung aus riskanten Gebieten ist die gefährlichste Art des Journalismus, sowohl auf  psychischer als auch auf physischer Ebene. Deshalb machen die meisten dies nur auf Zeit oder nutzen es als Karrieresprung. Doch leider werden viele schlecht darauf vorbereitet und wissen gar nicht, was sie wirklich erwartet und wie sie damit umgehen sollen. Sie sind nicht auf das Elend der Menschen, die Spannungen und Einschränkungen der Gebiete vorbereitet und viele zerbrechen daran. Darüber hinaus tragen Reporter aus Prinzip keine Waffen und sind deutlich als solche gekennzeichnet, was sie jedoch nicht vor Attentaten und Geiselnahmen schützt. Allein im Irak wurden bis 2011 151 Reporter getötet.

Doch es gibt auch eine andere Seite: Viele erfahrene Krisenreporter haben Gefallen an der ständigen Gefahr und an der aufregenden Seite dieses Berufs gefunden. Dazu zählt auch Tom Hagen aus „Breaking News“. Er hat sich auf diesen Berufszweig spezialisiert und ist schon lange im Geschäft. Dadurch kennt er viele regionale Kontaktpersonen, weiß wie er sich gegenüber den Einheimischen und  sogar Geiselnehmern sowie unter Beschuss verhalten muss und würde fast alles für eine gute Story geben. Dadurch hat er sich bei seiner renommierten Zeitung auch einen guten Ruf erarbeitet. Doch er geht bei der Jagd für eine gute Geschichte einen Schritt  zu weit und gefährdet dafür sogar eine Militäraktion. Er ist so besessen von seinem Job, dass er dabei alles andere außen vor lässt.

Natürlich zeichnet Frank Schätzing in seinem Roman einen extremen Charakter, doch sollte man sich immer im Klaren darüber sein, dass alle Krisenreporter ihr Leben aufs Spiel setzen, um eine gute Geschichte zu bekommen und ihr Land mit den neuesten Informationen versorgen.

 

Durchhaltevermögen gefragt

„Breaking News“ reiht sich nahtlos hinter Frank Schätzings bisherigen Werken ein. Es behandelt eine spezielle Thematik und ist kompliziert zu lesen. Doch wer die Ausdauer besitzt, dieses Buch zu beenden, wird mit vielen interessanten Hintergrundinformationen über den Nah-Ost-Konflikt und einer spannenden, gut erzählten Geschichte belohnt.

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