Medien und Körperbild
Wie beeinflussen Körperideale und Geschlechterrollen in Filmen und Serien die Selbstwahrnehmung im Hinblick auf Geschlecht und Sexualität?
Von Sarah Sabanci
„Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“ – Diese provokante Aussage aus dem gleichnamigen Film bringt es auf den Punkt: veraltete Geschlechterrollen und Stereotype sind schon lange keine Neuigkeit mehr, sondern halten sich hartnäckig und durchziehen die Gesellschaft. Aber warum, dominieren in einer Welt, die sich immer lauter werdend für Vielfalt und Inklusion ausspricht, derartige Klischees unsere Bildschirme?
Stellen wir uns der Realität: Medien tragen dazu bei unser Bild von der Welt zu formen sie prägen, wer wir sind und vor allem auch wie wir uns selbst sehen. Es ist davon auszugehen das Medien nicht nur unsere Selbstwahrnehmung prägen, sondern auch unser Verständnis von Geschlecht und was wir darunter verstehen.
Ich nehme euch in dieser Kolumne mit durch die glitzernde und oft auch trügerische Welt der Medien, um deren Einfluss und psychologische Auswirkungen genauer zu enthüllen.
Der Barbie-Effekt: Schönheitsideale und Stereotype
Pink scheint die Farbe des Sommers 2023 zu sein, es ist der Sommer, in welchem der Film „Barbie“ unter der Regisseur von Greta Gerwig produziert wurde und das erste Mal über die Leinwände der Kinos läuft.
Barbie eine Spielzeugpuppe, wenn nicht sogar die Spielzeugpuppe mit Kultcharakter, welche seit dem März 1959 (*3) nicht mehr aus den Spielzimmern junger Mädchen wegzudenken ist. Und dennoch steht diese Puppe seit Jahrzehnten auch für ein unrealistisches Schönheitsideal. Schlank, groß, blond und scheinbar makellos – dies erweckt schnell die Vorstellung davon welche Eigenschaften eine Frau haben sollte, um schön und begehrenswert zu sein.
Die Geschichte von Barbie wurde stark von der Diskrepanz zwischen einem stereotypen Bild von Frauenbefreiung und der realen geschlechtsspezifischen Wirklichkeit geprägt. Zum Beispiel wurde Barbie als Präsidentin dargestellt und ins Weltall geschickt, obwohl solche Möglichkeiten für Frauen in der wirklichen Welt unerreichbar blieben (*4). Diesen Unterschied zwischen Barbieland und der echten Welt bekommt auch die Hauptdarstellerin Margot Robbie zu spüren. Männer befinden sich an der Spitze von großen Konzernen, Frauen hingegen werden sexualisiert und reduziert auf ihr aussehen. Besonders deutlich wird dies als Barbie am Strand mit Rollschuhen entlangfährt und Männer ihr lüstern hinterherschauen, bis sie sich schließlich dazu genötigt fühlt und sagt „ich habe kein Geschlechtsorgan“.
Was genau sind Stereotype und warum gibt es sie?
Übersetzt aus dem griechischen („stereo“ = fest, „typos“ = Form) bedeutet das Wort Stereotyp wie wir es kennen, dass Personen eine feste Meinung von Individuen haben, die sie als eine Gruppe kategorisieren (*5) . Es handelt sich bei dem Wort um einen „wissenschaftlichen Begriff für eine unwissenschaftliche Einstellung“ (*6), um emotionsgeladene Abbilder oder Ideen einer Person (*7). Durch Stereotype nehmen wir die Welt also vereinfach wahr, indem wir ihre Komplexität auf einzelne Merkmale herunter reduzieren.
Barbie ist ein Spielzeug und begleitet Mädchen dabei erwachsen zu werden und ist es selbst jedoch noch nicht. Und so scheint das Barbie Dream House langsam in seine Einzelteile zu zerfallen, weil die echte Realität und ihre Komplexität alles zu erdrücken scheint. Barbie ist einer Welt ausgesetzt, d
er sie zwar optisch perfekt zu entsprechen scheint, sie aber dennoch innerlich bricht, weil sie realisiert was für ein Frauenbild in der Gesellschaft verbreitet ist. Ein Bild an dessen Entsteheung sie selbst nicht unbeteiligt zu sein scheint. Der Film Barbie kann daher laut der Kritikerin Jane Hu als eine Art Spiegel der heutigen Welt verstanden werden. Einer Welt in welcher Stereotypen sowohl im Film als auch in der Realität zu existieren scheinen (*4).
Sex, Sex und noch mehr Sex, das Männerbilder in Two and a Half Men
Die Serie „Two and a Half Men“ ist bekannt für ihren schwarzen Humor und die Thematisierung von Sex. Seit der ersten Folge im September 2003 verkörpert Charlie Sheen als Charlie Harper den stereotypischen „Frauenhelden“, der für seine sexuellen „Eroberungen“ bekannt ist. In der Filmanalyse lassen sich Stereotype in Bild, Ton, Handlung und Darstellung erkennen (*11). Schauspieler Angus T. Jones, der Jake Harper spielt, kritisierte die Serie später scharf und forderte die Zuschauer auf, sie nicht mehr anzuschauen, da sie „den Kopf mit Dreck füllt“ (*12).
Queere Identität
In der Filmindustrie werden zunehmend queere Charaktere gezeigt. Transsexuelle Personen, die sich keinem oder ihrem biologischen Geschlecht nicht zugehörig fühlen, sind ein Beispiel. Seit April 2024 erleichtert das Selbstbestimmungsgesetz in Deutschland die Änderung des Geschlechtseintrags (*13).
Der GLAAD Studio Responsibility Index zeigt, dass 18,6 % der Filme LGBTQ+-Charaktere darstellen (*14). Diese werden oft stereotypisiert, insbesondere homosexuelle Männer als modebewusst und schnippisch (*15). In der Serie „Two and a Half Men“ verhält sich Alan manchmal stereotyp „schwul“, was andere Charaktere dazu bringt, ihn für homosexuell zu halten. Solche Darstellungen vereinfachen die Realität stark und ermöglichen es uns diese heruntergebrochen wahrzunehmen.
Der Erwerb von Geschlechterrollen
Laut der Rollentheorie des Soziologen Talcott Parsons wird jedem Menschen eine gesellschaftliche Rolle zugewiesen, die von äußeren Erwartungen und Normen geprägt ist. Menschen erfüllen diese Erwartungen, um Sanktionen wie Gruppenausschluss zu vermeiden. Idealisierte Darstellungen von Geschlechtern beeinflussen unser Selbstbild und Verhalten, um als Mitglied einer bestimmten Gruppe anerkannt zu werden.
Der Psychologe Albert Bandura ergänzt, dass sozial-kognitive Lerntheorien zur Entwicklung von Geschlechterrollen beitragen. Kinder lernen geschlechtsspezifisches Verhalten durch Modelle und Nachahmung, das durch Belohnung oder Bestrafung verstärkt wird. Im Vorschulalter interagieren Kinder meist mit Gleichgeschlechtlichen, während sie im Grundschulalter flexibler sind, sich jedoch aber Geschlechterstereotypen verfestigen können, die bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben.
Psychologische Auswirkungen auf die Selbstwahrnehmung im Hinblick auf Geschlecht und Sexualität
Das Ungleichgewicht zwischen dem Ideal und der Realität kann zu zahlreichen negativen Konsequenzen führen, die alle eine eigene Dynamik aufweisen. Häufig entstehen Selbstzweifeln, die wiederum Auswirkungen auf das Selbstwert und das Selbstbewusstsein haben. Ständiger Druck kann zu weitreichenden psychischen Schäden führen. Die wohl bekanntesten Krankheiten unter ihnen sind Essstörungen, Depressionen oder extremer Körperkult wie die Sucht nach Schönheits-Op`s und dem anhaltenden Wunsch dem gesellschaftlichen „Ideal“ zu entsprechen (*9)
Es ist daher wichtiger den je, junge Heranwachsende zu mündigen Rezipienten zu erziehen. Dies bedeutet im wesentlichen Fähigkeiten, wie einen kritischen Umgang mit Medieninhalten und deren Reflexion zu erlernen.
Fazit
Stereotype in Filmen und Serien erhöhen den Unterhaltungswert und erfüllen Zuschauererwartungen, wie beispielsweise im Film Barbie, welcher 575,4 Millionen US-Dollar einspielte. Sie helfen, die komplexe Welt zu vereinfachen und fördern die Identifikation mit bestimmten Merkmalen. Dennoch ist es wichtig, Medien kritisch zu konsumieren, da vereinfachte Darstellungen die Realität verzerren und negative psychische Auswirkungen haben können. Ein bewusster Konsum bedeutet, Inhalte zu hinterfragen und ihre Auswirkungen auf die eigene Wahrnehmung zu reflektieren, seid aktiv und lasst euch nicht nur berieseln!
Quellen:
*3: https://www.ndr.de/geschichte/koepfe/Barbies-Vorbild-Die-Bild-Lilli-aus-Hamburg,bildlilli102.html#:~:text=Am%209.,langsame%20Ende%20der%20%22Lilli%22.
*4: Hu, Jane. (2023). Plastic People. In: Dissent, Fall 2023. University of Pennsylvania Press. Katalog +
*5: Hutterer, Jasmin. (2013). Diagnostik und Therapie von Körperbildstörungen bei Anorexia nervosa und Bulimia nervosa: Expositionseffekte bei Computer-bildschirmdarbietungen von Selbstbildern und Fremdbildern. Diplomarbeit, Universität Wien.
*6 Silbermann (2013) in Diagnostik und Therapie von Körperbildstörungen bei Anorexia nervosa und Bulimia nervosa: Expositionseffekte bei Computer-bildschirmdarbietungen von Selbstbildern und Fremdbildern von Hutterer, Jasmin, S. 17.
*7 Bausinger (2013) in Diagnostik und Therapie von Körperbildstörungen bei Anorexia nervosa und Bulimia nervosa: Expositionseffekte bei Computer-bildschirmdarbietungen von Selbstbildern und Fremdbildern von Hutterer, Jasmin, S. 17.
*8 https://www.bzkj.de/resource/blob/155814/7dba51e3750a471732394005bc5f652a/20202-wie-entstehen-geschlechtsstereotype-und-wie-wirken-sie-sich-aus-data.pdf
*10 Hutterer, Jasmin. (2013). Diagnostik und Therapie von Körperbildstörungen bei Anorexia nervosa und Bulimia nervosa: Expositionseffekte bei Computer-bildschirmdarbietungen von Selbstbildern und Fremdbildern. Diplomarbeit, Universität Wien.
*9 https://magazin.med-specialists.com/lifestyle/verzerrte-selbstwahrnehmung-die-auswirkungen-von-social-media-auf-das-selbstbewusstsein/
*11 Hutterer, Jasmin. (2013). Diagnostik und Therapie von Körperbildstörungen bei Anorexia nervosa und Bulimia nervosa: Expositionseffekte bei Computer-bildschirmdarbietungen von Selbstbildern und Fremdbildern. Diplomarbeit, Universität Wien.
*12 https://rp-online.de/panorama/fernsehen/jake-nennt-two-and-a-half-men-dreck_aid-13889207#
*13 https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ueber-diskriminierung/diskriminierungsmerkmale/geschlecht-und-geschlechtsidentitaet/trans/trans-node.html
*14 https://www.uni-heidelberg.de/md/politik/personal/haus/guide__filme_kritisch_schauen.pdf
*15 https://www.edit-magazin.de/stereotypisierung-der-lgbtqia-community-im-film.html