Bild: Pixabay

Sexismus in der Sportpresse (Teil 1)

Steckt die gleichberechtigte Darstellung von Athletinnen und Athleten immer noch in den Startblöcken?

Von Jonathan Palm

Sexismus in der Sportberichterstattung des Printjournalismus. Ein Phänomen, das sich auf dem Hintergrund der vermeintlich zunehmenden Emanzipation in der Gesellschaft allmählich auflöst? Nicht, wenn man sich Turnierprämien von weiblichen und männlichen Sieger*innen oder vorgeschriebene Kleiderordnungen bspw. beim Beachvolleyball im Vergleich vor Augen führt. Die Gleichstellung von Frauen und deren Leistung im Sport sind noch lange nicht abgeschlossen. 

Die Medienpräsenz von Athletinnen und Athleten unterscheidet sich in vielen Aspekten grundlegend. Betrachtet man die formalen Aspekte der Sportberichterstattung im Printjournalismus, wird man bereits hier Zeug*in sexistischen Tendenzen. Die Formalitäten stellen den Anteil der jeweiligen Artikel von Frauen und Männern, den redaktionellen Aufwand sowie aufmerksamkeitslenkende Merkmale im Vergleich dar. Bereits 1986 wies Marie-Luise Klein darauf hin, dass „sporttreibende Frauen […] in der Sportberichterstattung der Tagespresse im Hinblick auf mehrere Bezugsgrößen unterrepräsentiert [sind]“ und mehr als Lückenfüller der Berichterstattung über Männer betrachtet werden müssten. In den vier Tageszeitungen, die untersucht wurden, bezogen sich lediglich sechs Prozent der Artikel auf Athletinnen. Auch Ilse Hartmann-Tews und Bettina Rulofs kamen 16 Jahre später auf den Entschluss, dass Sportlerinnen in der Tagespresse nach wie vor unterrepräsentiert seien. Die an Klein anknüpfende Untersuchung kam immerhin auf zwölf Prozent der Anteile von Athletinnen. Dies müsse allerdings in Relation zu der damals noch geringeren Partizipation von Frauen am Sportgeschehen in Betracht gezogen werden, so die Autorinnen. Das wird vor allem bei Sportgroßereignissen deutlich, bei denen Frauen oft mit gleicher Anzahl partizipieren.

Sportgroßereignisse sind Frauenfreundlich

Bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften lagen die Anteile der Sportberichterstattung der Frauen 2007 zwischen 22 und 46 Prozent. Bspw. konnten während Sportgroßereignissen in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und der BILD-Zeitung 44 Prozent der Artikel und 45 Prozent der Bilder von Sportlerinnen nachgewiesen werden (Frauenpartizipation: 41 Prozent). Das zeigt, dass die Anteile der Artikel deutlich mit der Partizipation von Athletinnen zusammenhängen. Das wird unter anderem durch das Phänomen des „Olympic-Game-Effects“ erklärt. Dieser besagt, dass zum einen die Medienausrüstung direkt vor Ort in den Stadien vorhanden sein muss. Dadurch bedarf es keinen größeren Aufwand, Athletinnen medial zu begleiten. Zum anderen unterliegen Reporter*innen und Journalist*innen geringere Selektionskriterien, da die Wettkämpfe der Athlet*innen in nahezu gleicher Weise, sowohl vom zeitlichen Umfang als auch der Anzahl der Wettkämpfe selbst stattfinden. Das zunehmend veränderte Verhältnis der Rezipient*innen bei Sportgroßveranstaltungen ist ebenfalls eine Erklärung für die steigende Medienpräsenz von Athletinnen. Vor allem weibliche Rezipientinnen fühlen sich von Sportgroßereignissen tendenziell mehr angezogen. Das sorgt dafür, dass Athletinnen vermehrt im Fokus stehen, als sie es in der alltäglichen Sportberichterstattung tun. Allerdings wird dennoch deutlich, dass Frauen trotz gleicher Teilnehmerinnenanzahl weiterhin weniger mediale Aufmerksamkeit in den Printmedien erhalten als männliche Athleten.

Geschlechtsstereotypischer Umgang im Printjournalismus

Bild: Pixabay

In welchen Sportarten Athletinnen die meiste Aufmerksamkeit erhalten, ist ein weiteres Indiz sexistischer Darstellung.
Die sogenannten geschlechtsstereotypischen Sportarten unterscheiden sich vor allem in der Ästhetik und Körperlichkeit der Disziplinen. Forschende stellten fest, dass die deutsche Sportpresse den Schwerpunkt der Sportberichterstattung über Athletinnen vor allem auf Individualsportarten ohne direkten Körperkontakt oder ästhetische Inszenierung legen (Tennis, Leichtathletik, Eiskunstlauf, Turnen). Männer werden bevorzugt in Disziplinen dargestellt, bei denen die körperliche Auseinandersetzung mit dem Kontrahenten oder die risikoreiche Handhabung eines Fahrzeugs im Zentrum stehen (Boxen, Fußball, Motorsport). Der Frauenanteil in der Sportpresse variiert also je nach Sportart. Es zeigt sich eine klare, geschlechtsstereotypische Tendenz. So wurde in der Schweizer Tageszeitung 2000/2001 ein Frauenanteil von über 35 Prozent in Sportarten wie Turnen, Schwimmen, Leichtathletik und Tennis festgestellt (Im Verhältnis zur gesamten Sportberichterstattung der Individualsportarten). Artikel über Athletinnen im Fußball bilden lediglich ein Prozent von den insgesamt 30 Prozent der Fußballartikel in der Sportberichterstattung ab. Wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass die absolute Mehrheit der Rezipient*innen “Männer-Fußball” vor dem der Frauen bevorzugen.

Die Darstellung im heutigen Vergleich

In einer aktuellen Untersuchung von Juliane Zylka wurde eine Längsschnittanalyse zur konstruieren Geschlechterdifferenz in der Frankfurter Rundschau (FR) am Beispiel der Leichtathletik-WM 2015 in Peking vorgenommen. Hier wurden hinsichtlich der formalen Aspekte klare Tendenzen zugunsten der steigenden Gleichberechtigung ausgemacht. Dabei nahmen insgesamt 31 Frauen und 35 Männer aus Deutschland teil. Die FR berichtete in 31 Artikeln über die Weltmeisterschaft. In 14 (45,16 Prozent) über Athletinnen und in elf (35,48 Prozent) über Männer. Die restlichen Artikel handelten entweder von Athletinnen und Athleten oder von keinen der beiden. Im Rahmen der Leichtathletik-WM arbeitete die FR für Artikel über Athletinnen mit einem größeren redaktionellen Aufwand. Wurden 16 Jahre zuvor noch 65,6 Prozent der Artikel über Athletinnen aus Agenturmeldungen generiert, also mit einem geringeren redaktionellen und finanziellen Aufwand, waren es 2015 lediglich 17,6 Prozent. Artikel über männliche Athleten wurden mit 35,7 Prozent rund zweimal mehr durch Agenturen erworben. Was die aufmerksamkeitslenkenden Maßnahmen betrifft, wurden Athletinnen allerdings nach wie vor benachteiligt. Dabei handelt es sich bspw. um Platzierungen auf der Titelseite, die auf Texte im inneren Bereich hinweisen und Aufmerksamkeit der Rezipienten bewusst lenken sollen. Besonders die bildliche Gestaltung und der Umfang des Artikels spielen dabei eine wesentliche Rolle beim Beeinflussen der Aufmerksamkeit der Leser*innen. Lediglich 17,6 Prozent der Frauen-Artikel wurden auf der ersten Seite platziert, während Männer-Artikel mit 28,6 Prozent besser abschnitten. Die Anzahl der Leitartikel waren mit jeweils vier Beiträgen ausgeglichen. Allerdings landeten die meisten Artikel über die Leichtathletik-WM grundsätzlich seltener auf der Titelseite.

Die ungleiche mediale Präsentation von Athletinnen haben bezüglich der formalen Aspekte im Printjournalismus teilweise immer noch ihre Gültigkeit beibehalten. Handelt es sich nicht gerade um ein Sportgroßereignis, bekommen Frauen nach wie vor weniger mediale Aufmerksamkeit als Männer. Dennoch muss man objektiv festhalten, dass Athletinnen immer mehr in den Fokus des Printjournalismus rücken. Ob sich die Inhalte der Artikel über Athlet*innen auch hinsichtlich einer Gleichberechtigung annähern, wird in den folgenden Blogartikeln genauer betrachtet.

Hier geht’s zu Teil 2 der Artikelreihe. 

Quellen:

Hartmann-Tews, I. & Rulofs, B. (2002b). Ungleiche (Re-)Präsentation von Sportlerinnen und Sportlern in den Medien? Internationaler Forschungsstand und aktuelle Befunde. In G. Pfister (Hrsg.), Frauen im Hochleistungssport. Hamburg: Feldhaus Edition Czwalina.

Klein. M.-L. (1986). Frauensport in der Tagespresse. Eine Untersuchung zur sprachlichen und bildlichen Präsentation von Frauen in der Sportberichterstattung. Bochum: Studienverlag Brockmeyer.

Rulofs B., Hartmann-Tews I. (2017) Mediale Präsentation von Sportler_innen in der Presse – Ein Überblick zu den Befunden inhaltsanalytischer Studien. In: Sobiech G., Günter S. (eds) Sport & Gender – (inter-)nationale sportsoziologische Geschlechterforschung. Springer VS, Wiesbaden.

Zylka J., (2017). Aktualität des Doing Gender der Sportberichterstattung im deutschen Printjournalismus (Bachelorarbeit, Sportwissenschaft mit dem Profil Medien und Kommunikation). Tübingen