Topf sucht den virtuellen Deckel
von Sebastian Seefeldt
Einloggen, anschreiben, daten – das ist der Alltag vieler User von Partnerbörsen. Mit der Hoffnung auf die große Liebe durchstreifen immer mehr User die Singlebörsen im Netz – und diese passen sich den Vorlieben ihrer Nutzer an.
Jeder zweite hofft mittlerweile, seine Liebe im Netz zu finden. Für 2011 rechnete die Dating-Branche mit einem Umsatz von 175 Millionen Euro. Der User sieht sich einer immer weiter wachsenden Masse von (mehr oder weniger seriösen) Chat-, Flirt- und Kontaktanzeigen-Plattformen gegenübergestellt – und noch ist kein Ende in Sicht. Dennoch sollte diese Masse nicht als unzähmbar angesehen werden, denn durch immer stärkere Spezialisierung der Angebote auf bestimmte Zielgruppen steigen auch die Chancen auf den Traumpartner.
Der „Long Tail“ der Liebe
Das Prinzip des Long Tails, laut dem man im Internet mit Nischenprodukten Geld machen kann, scheint auch auf den Liebesmarkt übertragbar zu sein. So lässt sich etwa zwischen den großen, klassischen Singlebörsen wie friendscout24 und neu.de sowie den Partnerbörsen/Partnervermittlungen wie Parship unterscheiden. Während sich bei den Singlebörsen die User auf einem Profil präsentieren können und via Chat oder Nachrichtenfunktion Kontakt miteinander aufnehmen können, setzten die Partnervermittlungen auf ein Matching-Verfahren, dass auf psychologischen Fragebögen basiert. Neben diesen Polen hat sich ein breiter, spezialisierter Markt entwickelt, der sich grob zum Einen in Erotik-Dating und zum Anderen in Dating-Nischenanbieter untergliedern lässt.
Wie weitreichend der Long Tail der Branche ist, lässt sich am ehesten an den Nischenanbietern erkennen – hier hat wirklich jeder die Chance, seinen Deckel zu finden: Ob besonders groß, Hundefreund oder homosexuell. Gerade für letztere hält das Internet zahlreiche Möglichkeiten bereit, vom klaren Marktführer Gayromeo, über Communities, die sich speziell an junge Menschen richten, wie etwa dbna. Aber auch das Smartphone wird zur Datingbörse: Apps mit Ortungsfunktion, wie Grindr oder Pinkmap erlauben die spontane Kontaktaufnahme mit Gleichgesinnten in der Nähe. Doch trotz all dieser Vielfalt finden sich immer wieder dunkle Flecken auf der weißen Weste der Branche.
Matching in der Kritik
Aktuelle Studien wälzen die Dating-Landschaft um – besonders betroffen sind Online-Partnervermittlungen, denn ihr auf psychologischen Tests beruhendes, von Algorithmen verwertetes Matching-Verfahren scheint laut einer amerikanischen Studie weitestgehend nutzlos zu sein. Desweiteren bleiben Zweidrittel der Partnersuchen online ohne Erfolg, wie eine von partnersuche.org in Auftrag gegebene Studie berichtete. Als Hauptgrund für den Misserfolg wird vor allem die Wahl der falschen Partnerbörse genannt – zu viel Auswahl und zu undurchsichtige Zielgruppen. Wer jetzt denkt, mit einer der großen Partnerbörsen, die viel Auswahl an potenziellen Partnern bietet, die richtige Entscheidung zu treffen, begeht gleich den nächsten Fehler, denn: Weniger ist offenbar mehr. Eine Studie zum Speed Dating hat ergeben: Wer vor eine große Auswahl an unterschiedlichen, potenziellen Partnern gestellt wird, ist leicht überfordert. Das Internet ist noch unbarmherziger.
Denn während das Speed Dating die Singles noch mit anderen, realen Menschen konfrontiert, herrscht im Netz eine Top oder Flop Mentalität. Hier werden keine Macken akzeptiert – es wird gefiltert und sortiert, nach Größe, Alter, Gewicht, Körper, Beruf und Interessen. Was übrig bleibt, ist ein Haufen von Menschen, die angeblich alles haben, was wir uns wünschen. Doch auch bei diesen gefilterten Menschen finden wir immer noch Dinge, die uns stören, schließen das Profil, sehen uns das nächste an. Das Internet gaukelt uns vor, wir könnten mit einer inneren Checkliste alle Störfaktoren eliminieren. Auf die Frage von Elite Partner, warum sie denn alleine wären, antworteten 2010, ein Großteil der 10 000 befragten Singles mit der Aussage, sie wären zu anspruchsvoll. Müssen wir also lernen, dem virtuellen Gegenüber eine Chance zu geben, statt zu verurteilen?
Liebesforschung
Aus wissenschaftlicher Sicht sind Partnerbörsen, zumindest in Deutschland, noch ein relativ unbeschriebenes Blatt. Dennoch eröffnen sich hier Perspektiven für zahlreiche Studien – wenn jeder Zweite sein Glück im Internet sucht, schlägt sich dies auch auf sein „reales“ Datingverhalten nieder? Was ist Männern wichtig? Was Frauen?
Zumindest auf die letzten beiden Fragen gibt es eine Antwort und sie fällt – wer hätte es gedacht – nüchtern aus. „Für Männer zählt vor allem das Aussehen der Frau. Bei ihrer Suche ist es weniger wichtig, welchen Bildungsstand die potenzielle Partnerin hat. Andersherum ist es bei Frauen: Für sie sind Männer attraktiver, wenn sie eine Hochschulabschluss haben“, ergab eine Studie der Schweizer Soziologin Evelina Bühler-Ilieva von der Universität Zürich.
Wie sich das Datingverhalten in der Realität durch unsere Online-Chat-Erfahrungen verändert, wird die Zukunft zeigen.