Wir wissen, was dir gefällt! – Wie personalisierte Online-Werbung funktioniert
Von Verena Schmid
Wer keine Lust auf überfüllte Geschäfte, lange Warteschlangen und Kleidung in der falschen Größe hat, greift heutzutage meist schnell auf Online Shopping zurück. Ein Nachteil des Internet-Einkaufs: Man wird in seinem Kaufverhalten überwacht und daraufhin mit passenden Werbeangeboten bombardiert. Google weiß ganz genau, was uns gefällt. Wie funktioniert diese Form der personalisierten Online Werbung und was sind die Vor- und Nachteile davon?
Wie wir im letzten Artikel der Beitrags-Reihe erfahren haben, ist Werbung in den sozialen Medien und allgemein im Internet – durch zum Beispiel Influencer*innen oder individualisierte Werbung – ein wichtiger Marketingzweig. Persönliche Daten werden zunehmend wertvoller, da sie für personalisierte Werbung eingesetzt werden. Smartphone Nutzer*innen erlauben Google viele Einblicke in ihr Privatleben und Werbung im Internet ist immer mehr an das persönliche Surfverhalten adaptiert. Aber nicht jeder möchte diese Online-Verfolgung akzeptieren.
Der Algorithmus, der dich ganz genau kennt
Bei der individualisierten Werbung im Internet wird mithilfe von Cookies, Browser- und Geräte-Identifizierung unser Surf-Verhalten analysiert. Anzeigen können zielgruppengenau erstellt werden und passen somit genau zu den Interessen und zuvor betrachteten Inhalte der User*innen. Unter anderem zählen zu den Daten, die der Google-Konzern zur Personalisierung von Anzeigen verwendet, Suchanfragen, Standort, gespeicherte WLAN-Passwörter, aufgerufene Websites, Apps und Videos sowie Persönliches wie Alter oder Geschlecht.
In den Google Einstellungen zu „Datenschutz und Personalisierung“ lässt sich bei eingeschalteter Funktion zur personalisierten Werbung ein detailliertes von Google entworfenes Profil ablesen. Daraus leitet die Suchmaschine die personalisierte Werbung ab. Teilweise ist es überraschend, wie ein Algorithmus ein ziemlich genaues Profil von einem erstellt. Beispielsweise wird erschlossen, in welcher Lebensphase man sich befindet, ob man bald Kinder hat oder möchte, ob man Markenprodukte kauft oder sich ein neues Auto zulegen möchte, welche politische Meinung man hat und noch vieles mehr. Ungefähr 50 Eigenschaften, Interessen und Informationen zur eigenen Person werden dort offengelegt.
Die Individual-Werbung lässt sich in den Einstellungen von Google zwar ausstellen. Anschließend werden die Informationen nicht mehr zur Personalisierung von Werbung verwendet. Jedoch können Anzeigen laut Google weiterhin auf Informationen wie dem eigenen Standort oder dem Seiteinhalt der Website basieren, die man gerade besucht. Wenn man möchte, dass die Deaktivierung für alle Geräte und Browser gilt, sollte man sich dazu in seinem Google-Konto anmelden. Sonst gilt das Ausstellen nur für das jeweilige Gerät und den aktuell verwendeten Browser. Als Nutzer*in kann man sich kaum gegen die gezielte Werbung wehren. Zwar kann man versuchen, sich auf verschiedenen Internetdiensten mit verschiedenen Mail-Adressen anzumelden und diese nicht mit sozialen Netzwerken zu verbinden. Langfristig wird dies aber nicht die Zuordnung der Geräte auf eine bestimmte Person verhindern.
Real-Time-Bidding
Das Werbenetzwerk von Google verpasst den User*innen Etiketten, um Werbung individuell zu schalten. Für alle Lebensumstände gibt es ein Etikett – politische Präferenzen, Drogenkonsum oder Krankheiten. Die personenbezogenen Datenetiketten werden dann von Google im Rahmen der Echtzeitauktion „Real-Time-Bidding“ an unzählige Geschäftspartner*innen weitergegeben, ohne dass Menschen sich dessen bewusst sind. Bei dieser Versteigerung sehen Werbetreibende mithilfe von Tracking-Cookies, wer bestimmte Seiten aufruft, und ob der Nutzer oder die Nutzerin für sie relevant ist. Falls dies der Fall ist, können sie in Echtzeit für den Anzeigenplatz bieten. Das passiert innerhalb von wenigen Sekunden.
Die Online-Kampagne #StopSpyingOnUs wollte dies stoppen und forderte, eine Untersuchung für verhaltensorientierte Werbung einzuleiten. Im Netz wurden individuelle Beschwerden an Aufsichtsbehörden weitergeleitet, um Datenschutzbehörden wachzurütteln. Die Daten, die weitergegeben werden, enthalten womöglich äußerst persönliche Informationen und man weiß nicht, was danach mit ihnen geschieht – einmal im System, immer im System. Es wird zwar seit mehreren Jahren geprüft, ob die Nutzeretikettierung mit den Vorgaben der europäischen Datenschutz Grundverordnung (DSGVO) übereinstimmt, die Aufsichtsbehörden sind aber bisher nicht zu einer verbindlichen Entscheidung gekommen.
Nicht nur Google kennt unsere Interessen
Auch Amazon, Facebook, Firefox und Chrome arbeiten mit personalisierter Werbung. Facebook greift beispielsweise auf geteilte Inhalte, Gefällt-Mir-Angaben oder persönliche Daten wie Geschlecht und Alter zu. Außerdem nutze das Netzwerk laut seiner Datenrichtlinien GPS-Daten der Nutzer*innen. Damit kann der Konzern herausfinden, welche Menschen im echten Leben privat miteinander zu tun haben. Man gehe davon aus, dass Freunde ähnliche Interessen haben und zeige deshalb Produkte an, die ein*e Freund*in eventuell gekauft hat. Auch könnte das erklären, warum man Produkte gezeigt bekommt, über die man miteinander spricht.
Instagram spricht unter business.instagram.com Firmen an, die personalisierte Werbung schalten wollen. Diese sollen gezielt Personen anhand ihrer Interessen – etwa Werbeanzeigen, auf die sie klicken, oder Profile, die sie abonnieren – erreichen. Der Algorithmus von Instagram scannt das Nutzungsverhalten und stellt darauf individuelle Anzeigen zusammen.
Big Brother is watching AND HEARING you
Nicht nur durch das Anklicken von Internetseiten und Links kann über uns ein entsprechendes Profil erstellt werden. Das Smartphone hört immer zu und Siri, Alexa und Co. werden zunehmend Teil unseres Privatlebens. In einem Moment spricht man mit einer Freundin über Sonnenbrillen, fünf Minuten später werden einem beim Scrollen durch den Instagram Feed Seiten für Sonnenbrillen angezeigt. Die Bestätigung, dass das Mikrofon für die Nutzung vieler Apps eingeschaltet sein muss, muss man dem Telefon meistens wohl oder übel geben, um die Apps sinnvoll nutzen zu können.
Amazon und Google beantworten zwar häufig gestellte Fragen zu den Sprachassistenten, aber nirgends wird erwähnt, dass eventuell Menschen zuhören und die Daten auswerten. Es gibt Fälle, bei denen Alexa oder der Sprachassistent von Google Zeuge eines Gesprächs oder einer Situation wurde, bei der sie nicht explizit angesprochen wurde, sondern ungewollt aktiviert wurde, weil ein ähnliches Wort wie der Sprachbefehl gesagt wurde oder der Sprachassistent fälschlicherweise reagierte.
„Immer wieder sollen sensible Momente eingefangen worden sein: Schlafzimmergeflüster, Streitgespräche, berufliche Telefonate. Beide Medien [VRT und Bloomberg] berichten von verstörenden Aufzeichnungen: Ein Kind habe nach Hilfe gerufen, eine Frau sei offenbar bedrängt worden. Amazon-Mitarbeiter sollen Zeugen einer Vergewaltigung geworden sein.“ (SZ.de, 2019)
Personalisierte Werbung – eine Erleichterung beim Shoppen oder dreiste Spionage?
Es ist schon etwas erschreckend, wie viel die Suchmaschine über unsere privaten Angelegenheiten weiß. Aber wie hoch ist nun der tatsächliche Nutzen der individualisierten Online-Werbung? Verglichen mit TV-Werbung oder Zeitungsanzeigen ist personalisierte Werbung im Internet viel individueller auf eine Person zugeschnitten. Im Fernsehen kann höchstens eine spezielle Zielgruppe angesprochen werden, beispielsweise mittels Werbespots für männliche Zuschauer, während ein Fußballspiel gezeigt wird. Je passender die Internet Werbung für die Konsumierenden ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass diese sich tatsächlich dafür interessieren und etwas kaufen. Und das ist natürlich im Interesse der Firmen. Wenn man ohnehin Werbung sieht, dann ist es ja eigentlich praktisch, solche zu sehen, die einen sowieso interessiert. Außerdem wird einem manchmal etwas empfohlen, auf das man sonst vielleicht nicht aufmerksam geworden wäre.
Jedoch wird man durch die individualisierte Werbe-Einblendung auch stark beobachtet, fühlt sich vielleicht überwacht und lebt in einer Filterblase. Man bekommt Beiträge angezeigt, von denen der Algorithmus ausgeht, dass diese mit der eigenen Meinung übereinstimmen. Man wird also nicht nur in Kaufentscheidungen, sondern auch in seiner Meinung manipuliert. Am Ende muss jeder selbst entscheiden, ob man seine Nutzungsdaten für Werbung in die Hände von Google und Co. legt.
Quellen:
https://adssettings.google.com/authenticated?hl=de
https://www.teltarif.de/internet/personalisierte-werbung.html?page=2
https://www.liberties.eu/de/campaigns/stopspyingonus-fixad-tech-kampagne/307