Von der Erfahrung, einen eigenen Blog zu führen

Von Tim Flick

Irgendetwas zwischen Tagebuch und Hausarbeit – so habe ich mir das Schreiben für einen Blog vorgestellt. Das intensive und vor allen Dingen regelmäßige Auseinandersetzen mit einem Web-Blog war für mich etwas komplett Neues, bevor ich zusammen mit 25 Kommilitonen aus meinem MasterkursShades of Hair“ gründete. Im Namen dieser Gruppe versuche ich, an dieser Stelle einmal zu resümieren: Wie ist es eigentlich, einen Blog zu führen?

Von Ernüchterung zu Begeisterung

 

Unser Thema war vorgegeben: Haare. Das sorgte im Kurs zunächst für Ernüchterung, denn auf den ersten Blick gibt dieses vermeintlich weite Thema nicht viel her. Schnell merkten wir aber, dass es auf den zweiten Blick eine große Vielfalt an Subthemen zu Haaren gibt: die Rolle in der Gesellschaft, die Pflege von Haaren oder auch Kurioses, das mit Haaren verbunden ist. Wir entdeckten Fragen rund ums Haar, die wir uns vorher nie gestellt hatten. Und es bot sich die Möglichkeit, drei Beiträge zu unterschiedlichen Fragen, aber zu einem übergeordneten Thema zu schreiben. So war es plötzlich sehr spannend, unterschiedliche Themen wie „Körperhaare: Instrument des Sexismus?“ oder „Black Hair Matters – Der Afro im Alltag“ kennenzulernen. Die vielen interessanten Aspekte führten dazu, dass wir uns tatsächlich zusammenreißen mussten, das gesteckte Ziel von 800 Wörtern nicht zu überschreiten. Nicht, dass aus dem kurzen Blogbeitrag noch eine halbe Hausarbeit wird.

 

Die scheinbare Grenzenlosigkeit beschränkte sich nicht nur auf den Inhalt. Auch was das Schreiben an sich anging, schien man uns freie Hand zu lassen. Was eigentlich durchweg positiv klang und zum Ausprobieren anregte, führte aber auch zu Schwierigkeiten: Welche Textsorte wähle ich für meinen Beitrag? Welchen Ton schlage ich auf dem Blog an? Pflege ich einen eher lockeren Umgangston oder gehe ich lieber zu Förmlichkeiten über? Orientierung konnten dabei andere Blogs geben. Dann ging es ans Schreiben, das für viele eine unerwartete Erfahrung war. Denn bei den ersten Beiträgen kam oft Ernüchterung auf: Bitte mehr Übergangswörter oder Phrasen, forderte eine rote, suchmaschinen-optimierende Ampel unerbittlich, die zudem eine sonderbare Faszination für den „Flesch-Reading-Ease-Test“ hegte. Und auch die schönsten sprachlichen Stilmittel weigerte sich das Programm anzuerkennen. So musste jeder lernen, wann er auf die Ampel hören sollte – und wann er sie auch einmal ignorieren durfte.

Anne Ulrich hat den Blog zwischenbetrachtung.de im Rahmen von den Lehrredaktionen Online (zwei Master Kurse) und Print- und Onlinemedien (ein Bachelor Kurs) im Sommersemester 2018 ins Leben gerufen. Unter ihrer Leitung bespielen wir, die Studierenden, seit Ende Mai den Blog mit Themen zu Haaren, Gespenstern und Helden, je nachdem in welchem Kurs wir waren. Man kann sich in den nächsten Semestern auf viele neue Beiträge freuen. Denn dann führt Frau Ulrich den Blog weiter.

Die Welt der Blogs

 

Insgesamt weckte die Arbeit das eigene Interesse an anderen Blogs. Man setze sich mit Bloggern und deren Themen auseinander und entdeckte eine Welt abseits von Social Media und Online-Nachrichtenseiten. Und der Blog nahm vielen von uns die Hemmung, zu schreiben. Mit gründlicher Recherche und sorgfältiger Vorbereitung ging es vielen dann von Beitrag zu Beitrag leichter von der Hand. Für die Kommilitonen, die bereits Erfahrungen mit journalistischem Schreiben vorweisen konnten, war es eine neue Erfahrung, mal nicht für eine Zeitung oder ähnliches zu schreiben. Außerdem war es für sie oft ein positives Erlebnis, dass es hier anders als in der Freien Mitarbeit immer eine Rückmeldung gab: So erhielt jeder Beitrag vor der Veröffentlichung ein ausführliches Feedback in Kleingruppen und im Plenum. Egal ob Infokasten oder neue Überschriften, es gab stets neue Impulse, den Text zu verbessern.

 

Vor der Veröffentlichung stand kein Redakteur, sondern ein anderer Kommilitone, der im Zweifel auch mal vorsichtig ansprechen musste, wenn etwas nicht so gelungen war. Denn die Textredaktion bearbeitete über das Wochenende die entstandenen Beiträge. Und für diese Kommilitonen stellte es sich dann heraus, wie aufwendig und schwer es sein kann, an anderen Arbeiten Kritik zu äußern. Schließlich gibt es in jedem Text irgendwo ein Haar in der Suppe: und sei es auch nur ein etwas experimentelles Komma. Mit der Zeit fiel es aber immer leichter, mit dem richtigen Augenmaß zu redigieren: Alle eindeutigen Fehler mussten beseitigt, aber auf keinen Fall durfte der Stil des Autors verändert werden. In allen Fällen half es, dem Autor die wichtigsten Änderungen über Whatsapp mitzuteilen.

SEO als Damoklesschwert

 

Für jeden bedeutete der Blog das Kennenlernen von WordPress. Eigentlich ein ganz normaler Editor, bekannt aus Word oder Pages. Damit dann aber seinen kompletten Content zu managen, wie es das Content Management System gebietet, war gewöhnungsbedürftig. So gehören zu einem gelungenen Artikel geeignete Bilder, vielleicht Verlinkungen zu anderen Blogs oder auch Quellenangaben. Und nicht zuletzt auch das Damoklesschwert SEO, das über jedem Beitrag schwebte. Es zeigte sich aber, dass die SEO-Regeln unserer Ampel eigentlich gar nicht so kompliziert waren: Keyword-Dichte erhöhen, Meta-Beschreibung kürzen und einen internen Link einfügen? Rasch lernte man, die SEO schon blind beim ersten Schreiben des Textes im Kopf zu behalten.

 

Somit konnten wir alle kleinen Hürden letztlich nehmen. Wenn man muss, kann man auch kürzer schreiben. Dann müssen Informationen komprimiert oder im Zweifel reduziert werden. Oder es wird nötig, sich von ein paar liebgewonnenen Schlagworten zu trennen. Und auch die gegenseitige Kritik führte nicht zu schlechter Stimmung, sondern zu einer höheren Qualität der Beiträge. Wir alle konnten aus diesem Projekt vieles lernen, was uns später von Nutzen sein wird. Und das waren nicht nur unzählige Redewendungen über Haare. Wir verbesserten Schreibstil, Themenfindung, Recherche oder SEO-Kenntnisse. Dieser Gewinn machte es zu einer großen Freude, „Shades of Hair“ zu gründen, aufzubauen und stetig zu verbessern. Damit gab das Seminar einen guten Einblick, wie es denn wäre, wenn man beruflich Blogeinträge schreiben würde.