Warum Hashtags unsere Welt verändern #oderauchnicht

#picoftheday, #instafood oder auch #RoyalWedding – Hashtags haben schon lange Einzug in unser Leben gefunden und begegnen uns täglich auf Instagram, Twitter und Co. Im Gegensatz zur dort scheinbar heilen Welt (wir kennen es ja alle: #selfie #nofilter …) zeigen uns andere Hashtags eine filterlose, (un)schöne Wahrheit: Mit dem Hashtag #metoo flammte die Sexismus-Debatte neu auf.

Die Debatte um #metoo hat mittlerweile viele erreicht – so auch mich. Bei der Recherche zu meiner Bachelorarbeit fiel mir auf, wie viele Facetten es in dieser Debatte eigentlich gibt und in wie viele unterschiedliche Bereiche ihre Auswirkungen schwappen. Warum also nicht diese Aspekte auf unserem Blog ausführen? Ich habe mich mit 4 Themen rund um #metoo kritisch auseinandergesetzt und einen Blick hinter den gängigen Konsens geworfen, der in den Medien hauptsächlich verhandelt wird. Heute angefangen mit ein wenig Hintergrundgeschichte und dem Phänomen „Hashtag-Aktivismus“.

Ein Skandal in Hollywood

Seit November letzten Jahres ist das Hashtag „#metoo“ nahezu jedem schon einmal in den Medien begegnet. Ins Rollen kam die ganze Debatte während des Missbrauchs-Skandals um den US-amerikanischen Regisseur Harvey Weinstein, in Zuge dessen in viele bekannte Frauen in Hollywood belasteten. Schauspielerinnen wie Rose McGowan, Salma Hayek und Model Cara Delevingne beschuldigten ihn der sexuellen Belästigung, Nötigung und sogar Vergewaltigung.

Die Berichte über das Fehlverhalten und sexuelle Anschuldigungen gegenüber Weinstein in der New York Times brachten Anfang Oktober 2017 einen Stein ins Rollen. Nur wenige Tage später folgte auf The New Yorker ein weiterer Bericht über Weinstein und die Anschuldigungen an ihn. Über Dekaden hinweg soll der Regisseur sich Frauen gegenüber falsch verhalten haben, Unzählige sollen betroffen sein. Diese Berichte lösten nahezu eine Kettenreaktion aus.

Neu ist #metoo aber nicht

Es meldeten sich weitere, hunderte Schauspielerinnen, Mitarbeiterinnen und andere Frauen, die in Kontakt mit Weinstein standen und sich von ihm sexuell genötigt fühlten. Bisher sind weit über 100 Fälle bekannt. Die Debatte erreichte sehr schnell auch außerhalb Hollywoods brisante Aufmerksamkeit. Die Schauspielerin Alyssa Milano forderte die Opfer von sexueller Gewalt dazu auf, mit „me too“ zu antworten und sich dagegen stark zu machen.

Der Beitrag hat seither weit über 20.000 Retweets erhalten.

Den Ursprung hatte „me too“ oder „#metoo“ aber schon 2006, ins Leben gerufen von der Aktivistin Tarana Burke. Sie verwendete es in einer Kampagne für afroamerikanische Frauen, die sexuellen Missbrauch erlebt haben.

Große, internationale Teilhabe

Das Hashtag wurde seit dem Aufruf millionenfach genutzt und auf sozialen Netzwerken geteilt. Die Diskussion um den Skandal und sexuelle Belästigung explodierte nahezu, Länder wie Frankreich und Italien verwendeten ihre eigenen Hashtags: #balancetonporc („Verpfeif‘ dein Schwein“) und #QuellaVoltaChe („jene Zeit damals“), die ihrerseits auch viel genutzt und reproduziert wurden. Tausende Frauen und auch Männer posteten ihre Version von #metoo und berichteten von ihren persönlichen Erfahrungen im Alltag, auf der Arbeit und in anderen Situationen.

Hashtag-Aktivismus als neue Revolte

Was hat es aber auf sich mit diesen Hashtags und deren Bewegungen? Hashtag-Aktivismus wird seit einigen Jahren wissenschaftlich erforscht. Aber was ist das überhaupt? Hashtags wurden schon vor der metoo-Debatte verwendet, wie zum Beispiel #aufschrei aus dem Jahr 2013 oder #blacklivesmatter und #marchforourlives in den USA. Entstanden sind sie teils auf Twitter, teils auf Blogs und bekamen dort durch das vielfache Teilen und Nutzen des Hashtags schnell eine große Reichweite.

Viraler Wandel durch das Internet

Seit es das Internet gibt, hat sich vieles verändert. Informationen sind überall und jederzeit abrufbar, nahezu alles kann im Internet gesucht und gefunden werden – auf sozialen Netzwerken findet ein unermüdlicher kommunikativer Schlagabtausch statt. Das Internet hat neue Öffentlichkeiten erzeugt: Durch Plattformen wie Twitter und Facebook können tausende Menschen an Themen teilhaben, die sonst für sie unerreichbar wären. Jeder Nutzer kann sich an Diskussionen beteiligen oder selbst solche ins Leben rufen – sie sind also sogenannte Produser. Durch das digitale Sprachrohr werden plötzlich Stimmen gehört, die davor nicht sichtbar waren.

Minderheiten werden groß

Und solche Stimmen können sich jederzeit erheben. Mit einem Hashtag versehen, kann ein Tweet geteilt und weiter verbreitet werden. Gleichdenkende oder vom Thema Betroffene können partizipieren. Vom Hashtag zum Protest – das war bei #blacklivesmatter der Fall. Minderheiten, die in den Massenmedien wenig Gehör oder gar keine Beachtung finden, können auf sozialen Netzwerken ihre Botschaft durchsetzen, denn dort bestimmen die NutzerInnen, was veröffentlicht wird und thematisiert wird.

Nach dem Aufruf von Alyssa Milano zur Nutzung von #metoo ging das Hashtag rasend schnell viral. Ob von einer Bewegung gesprochen werden kann? Keiner weiß es. Dennoch schaffte es das Thema von der Online-Welt in die Offline-Welt und wurde in Print-Medien, Talkshows und auch auf Events wie der Berlinale und den Golden Globes, als der Dresscode des Abends kurzerhand zu „schwarz“ geändert wurde, thematisiert.

 

 

Soziale Netzwerke als Brücke zur Offline-Welt

Ohne die sozialen Netzwerke wäre also das Thema #metoo möglicherweise gar nicht so öffentlich geworden. Einige Veränderungen oder Ereignisse wären vielleicht gar nicht passiert – wie der Rücktritt des britischen Verteidigungsministers Michael Fallon.

Das Öffentlichwerden solcher Hashtags bedeutet also das öffentlich-werden von gesellschaftlichen Problemen oder Missständen, auf die sonst wenig oder keine Aufmerksamkeit gelegt wird. Die Hashtags sind immer kurz und prägnant, also einfach zu merken. Ein Hashtag dient damit auch zur einfachen Wiedererkennung von bestimmten Problemthematiken und wird manchmal gezielt von AktivistInnen genutzt.

Großes Potenzial – Begrenzte Wirkungsdauer?

Hashtag-Aktivismus ist also ein neuer, digitaler Weg des Protestes. Es war noch nie einfacher, viele Menschen zu einem bestimmten Thema zu erreichen. Dementsprechend schnell können solche Proteste oder Bewegungen auch entstehen. Natürlich bleibt die Frage: Kann so ein Hashtag wirklich etwas verändern? Besonders lange sind solche Debatten schließlich nicht im Tagestrend der Netzwerke und Online-Medien. Denn immer neue Informationsfluten überschwemmen täglich das Internet.

Wichtig ist jedoch, was die Botschaft um das Hashtag verändert hat. Im Falle von #metoo haben viele Opfer ihre Erfahrungen geteilt und öffentlich Missstände angeprangert, neue Ereignisse und auch Skandale wie um Dieter Wedel und Hollywood-Schauspieler, zum Beispiel Kevin Spacey, wurden bekannt. Erschreckend fand ich die Bilanz, dass Sexismus und sexuelle (Gewalt-)Delikte in unserer heutigen Gesellschaft zwar tabu sind – das heißt aber noch lange nicht, dass beides nicht tagtäglich passiert und in manchen Branchen sogar darüber hinweggesehen und geschwiegen wird. Im Falle Weinstein wussten ja einige über die „Besetzungscouch“ Bescheid. Noch ist also kein Ende der Debatte in Sicht – und das ist auch gut so.

Quellen:

http://www.deutschlandfunkkultur.de/aktivismus-im-netz-vom-hashtag-zur-buergerbewegung.976.de.html?dram:article_id=367155

https://www.giga.de/extra/social-media/specials/was-ist-ein-hashtag-sinn-bedeutung-und-anwendung/