Untot und trotzdem Spaß – The Walking Dead

von Marius Lang; illustriert von Henrike Ledig

Als Robert Kirkman bei Image Comics ankam und dort seine Idee eines Zombie-Comics vorstellte, wurde er prompt weggeschickt. Die Begründung war denkbar einfach: Es gab keine erfolgreichen Zombie-Comics, und die Stories in Zombie-Filmen sind immer die Gleichen. Keine guten Aussichten für eine Reihe. Der Verlag verlangte eine Wendung, mit der die Leser nicht rechnen würden. Und die lieferte Kirkman auch. Aliens sollen hinter dem Zombievirus stecken, um so ihre Invasion vorzubereiten. Image Comics war zufrieden, nahm die Idee an und 2003 erschien der erste Band von The Walking Dead. Angegriffen haben die Aliens aber nie.

Success of the Living Dead

Mehr als zehn Jahre und über 120 Ausgaben später ist The Walking Dead (TWD) eine der erfolgreichsten Comicreihen unserer Zeit und eines der Aushängeschilder des Verlags. Auf die Aliens wartet Image Comics schon lange nicht mehr. Kirkman hat schon mit den ersten Ausgaben seiner Reihe bewiesen, dass seine Herangehensweise auch sehr gut ohne einen unvorhergesehenen Twist auskommt. Die Zombie-Reihe hat ihren Einflussbereich längst in andere Medien ausgebreitet: Seit 2010 erscheint die erfolgreiche TV-Serie auf Basis der Comics, 2011 ging der Erfolgszug als Videospiel weiter. Und ebenfalls seit 2011 erweitert Kirkman persönlich den Kanon seiner Comics um klassische Romane.

TWD war etwas völlig Neues, wenn auch es auch auf der ursprünglich ausgelatschten Idee von Zombies basierte. Doch was war es, dass die Comics seinerzeit so anders machte? Die Story an sich kann recht schnell zusammengefasst werden. Ein unbekanntes Virus hat die Menschheit befallen und lässt sie als lebendige Tote und mit unstillbarem Hunger auf lebendes Fleisch zurückkehren. Vor diesem Setting agieren die Helden der Reihe: Eine Gruppe Überlebender, die in dieser Welt ohne Gesetz und Ordnung versuchen, über die Runden zu kommen. Angeführt werden sie dabei von Rick Grimes, vor dem Ausbruch des Virus Polizist und Familienvater. Es sind diese und andere Überlebende, auf die der Autor seinen Fokus legt. Wie wurden sie zu dem, was sie in der Krise sind? Vor allem aber, was ist es, dass sie in dieser Welt der lebenden Toten zum Menschen macht? Was hilft ihnen, diese Menschlichkeit nicht zu verlieren?

Kirkman verzichtet dabei darauf, Rückblenden auf bessere Zeiten einzubauen. Die Vergangenheit der Figuren wird meist nur in Dialogen und in der Gegenwart der Erzählung beleuchtet. Wie viel man über die Vergangenheit einer Figur erfährt, variiert. Ob das, was man erfährt auch wahr ist, kann man oft nicht einschätzen. Nicht, dass die Vergangenheit noch etwas bedeuten würde. In TWD zeigt sich, dass erst die Handlungen in einer Welt ohne Ordnung, ohne Gesetz, ohne Nachrichten und ohne Sicherheit vor einer ständigen Gefahr zeigen, wer man wirklich ist.

 

Tod in jedem Panel

Kirkman versteht es dabei, die ständige Bedrohung fühlbar zu machen. Kein Mensch ist in der Postapokalypse sicher. Die Wendungen der Story sind weit brutaler als in der TV-Serie. Und der Tod kann in jedem Panel lauern. Auch Hauptfiguren sterben oft unerwartet und nicht selten auf brutale Art und Weise.

Doch nicht die Tatsache, dass Hauptfiguren sterben, hebt TWD von anderen Comics ab. Der Tod war schon immer ein fester Bestandteil der Comicindustrie. Doch in anderen populären Comics der anglo-amerikanischen Szene war es auch stets ein Gimmick, Hauptcharaktere dahinscheiden zu lassen. Eine Strategie, um kurzfristig Verkaufszahlen anzukurbeln und Aufmerksamkeit zu erregen. Hauptfiguren starben, doch war dies selten und noch seltener war es, dass der Tod von Dauer ist.

In Kirkmans Story-Universum dagegen ist der Tod ein ständiger Begleiter. Er erinnert die übrigen Überlebenden und die Leser an die ständige Bedrohung durch Zombies und andere Menschen. Man könnte meinen, dass mit den titelgebenden „wandelnden Toten“ nicht nur die Zombies gemeint sind, sondern auch die Helden der Reihe, die oft schon mit einem Bein im Grab stehen.

 

Bild und Kontrast in der Postapokalypse

Totengräber Kirkman allerdings ist nur der Autor der Comics. Doch visuelle Narration besteht immer aus zwei Aspekten: Text und Bild. Die Rolle des Zeichners ist nicht weniger wichtig als die des Autors. TWD musste dabei recht früh einen Wandel durchmachen. Zeichner der ersten sechs Ausgaben des Comics war Tony Moore, der mit Kirkman auch Urheber der Grundidee war.

Seine Nachfolge trat ab #7 Charlie Adlard an, der seitdem jede weitere Ausgabe illustrierte. Moore arbeitete nur noch vereinzelt und an den Covern der Comics mit. Der Stil der beiden Zeichner ist denkbar unterschiedlich: Moores Stil war sauberer und runder, aber auch cartoonhafter. Adlard hingegen pflegt einen dreckigeren Stil, unterstrichen von den starken Kontrasten aus den Händen von Colorist Cliff Rathburn, die sich auf Schwarz und Weiß konzentrieren und wenig Raum für Grautöne lassen. Schwarz, Weiß, wenig dazwischen, das ist es, was die Optik der Reihe ausmacht. Farben sieht man nur in den Covern. Die Geschichten selbst kommen jedoch sehr gut ohne die bunte Optik, für die Comics oft bekannt sind, aus.

TWD ist ein Comic, das theoretisch endlos weitergehen kann. Die Charaktere haben nur ein Ziel vor Augen: Überleben. Oft um jeden Preis. Die Hintergründe des Virus bleiben im Dunkeln. Heilung steht nicht in Aussicht, ebenso wenig wie Rettung von außen. Somit kann man nicht absehen, wo die Reihe hinführen wird. Kirkman allerdings hat schon das Ende im Kopf (ohne Aliens). Er hat schon die letzte Szene geschrieben, er kennt den letzten Dialog, er weiß, wer am Ende noch lebt. Allerdings weiß er nicht, wie lange es bis dahin noch dauert. Und am Spaß an seiner Reihe mangelt es ihm definitiv nicht. Somit können die Toten noch eine ganze Weile in den Seiten seiner Comics umherwandern.