Über den Traum des Filmgeschäfts, die Tübinale 2020 und das Weintrinken mit Gérard Depardieu: Interview mit Filmproduzentin Sabine Tettenborn
Von Elias Raatz
Bald steigt die Tübinale 2020, das Kurzfilmfestival des Instituts für Medienwissenschaft. Ein guter Grund, den Blick einmal zum Filmgeschäft gleiten zu lassen, dem Traum vieler junger Menschen. Ob als Schauspieler*in, Regisseur*in, Produzent*in, usw. – der Glanz- und Glamour-Faktor birgt einen gewissen Reiz. Sabine Tettenborn, Jurymitglied der diesjährigen Tübinale und renommierte Filmproduzentin, erzählt uns mehr über ihr Wirken und ihren Beruf, den Einstieg ins Film- und Fernsehgeschäft sowie die Tübinale 2020.
Frau Tettenborn, direkt zu Beginn: Wie kommt man dazu, nach einem Studium der Theaterwissenschaften, Kunstgeschichte und Kommunikationswissenschaften ins Filmgeschäft zu gehen?
Sabine Tettenborn: Ich wollte seit meinem 15. Lebensjahr Filmproduzentin werden und nutzte mein Studium für verschiedene Praktika: beim Film, beim Theater und bei Fernsehsendern. Man könnte sagen ich habe geschaut, ob mein Traum auch zu mir passt. Ich hatte dann das Glück, dass ich ein Praktikum bei Leo Kirch machen durfte und sich danach dort dafür eingesetzt wurde, mich zu übernehmen. Kirch Media war damals eines der größten Medienunternehmens Deutschlands und ich bin dann direkt nach meinem Studium dorthin gewechselt.
Können Sie mir kurz erklären, was genau die Aufgaben eines Filmproduzenten sind?
Der Produzent muss einen Kunden (Sender/Streamer) von einem kreativen Package überzeugen. Das ist zum einen die Plot-Idee, manchmal schon an einen Drehbuchautor gekoppelt, die Regie und die Darsteller. Wenn man eine Reihe wie den Tatort oder eine Serie hat, gibt es da schon Rahmenbedingungen. Bei einem TV-Movie oder einer Miniserie sind die Aspekte Drehbuch, Darsteller und Regie ein wesentliches Verkaufsargument.
Was war Ihr erstes großes Projekt, das Sie selbstständig betreuen durften? Wie war das für Sie?
Das war die auf Island gedrehte Miniserie „Nonni und Manni“, ein Weihnachts-Sechsteiler. Ich hatte damals bei meinem Chef stark darum gekämpft, bei dem Projekt dabei sein zu dürfen. Wir hatten einen renommierten, englischen Executive Producer, der das federführend betreut hat, aber leider am Ende die Situation, dass der Schnitt aus London eine Katastrophe war. Das ZDF wollte die Serie so nicht nehmen und ich habe dann den Vorschlag gemacht, das Material nach München zu holen und komplett umzuschneiden.
Und man muss auch Glück im Leben haben, denn ich hatte mit Gisela Haller eine herausragende Cutterin an meiner Seite. Im Endeffekt wurde die Serie dann vom ZDF abgenommen und war 10 Jahre lang eine der meistverkauften Produktionen von Beta-Film, dem Vertriebsunternehmen von Kirch Media.
Sabine Tettenborn ist Geschäftsführerin der Produktionsfirma Polyphon Pictures aus Baden-Baden. Die mit dem bayrischen Fernsehpreis ausgezeichnete Filmproduzentin ist mit Ihrem Unternehmen derzeit unter anderem für die „Lissabon-Krimis“ (ARD) verantwortlich. 2004 bis 2015 war Sabine Tettenborn als Geschäftsführerin von Maran Film Produzentin von mehr als 40 „Tatort“-Filmen für den SWR, wobei sie den Suttgart-Tatort mit entwarf. Zu ihren bekanntesten Produktionen gehören die TV-Filme „Aenne Burda“ (ARD), „Big Manni“ (ARD) und „Flug in die Nacht – Das Unglück von Überlingen“ (SWR/SR).
1994 haben Sie bei Kirch Media die Leitung der Abteilung „Internationale Koproduktion“ übernommen und waren unter anderem für die Miniserie „Napoleon“ mit Christian Clavier und Gérard Depardieu verantwortlich. Trifft man als Filmproduzentin diese Stars überhaupt?
Bei denen war es sogar sehr lustig (lacht). Beide haben ein eigenes Weingut und bei französischen Produktionen darf man zum Mittagessen Wein trinken, das ist gewerkschaftlich geregelt. Wenn Deutsche mit am Set sind, ist das nicht immer einfach. Ich musste beispielsweise regelmäßig probieren, welcher Wein der beiden Schauspieler besser sei, was aber auch eine große Chance für Fettnäpfchen war. Also man hat schöne und auch ungewöhnliche Begegnungen, wenn man internationale Koproduktionen macht, aber als Produzent hat man im Allgemeinen ständig Kontakt zu den Darstellern.
Mittlerweile haben Sie mit Polyphone Pictures unter anderem für den SWR und die ARD auch den Zweiteiler Aenne Burda produziert. Das war etwas Besonderes für Sie?
Für mich war es eine Freude und Ehre, dem heutigen Zuschauer einen Einblick in das Leben dieser besonderen Frau zu geben. Aenne Burda war eine Kämpferin und kannte keine Hindernisse, sondern nur Lösungen, was ich sehr stark finde. Sie hat sich vom damaligen Frauenbild nicht einsperren lassen, sondern hat mutig und mit viel Risiko ihren beruflichen Traum gelebt. Eine meiner Praktikantinnen hatte während der Produktion gesagt, dass der Film perfekt sei, weil er jungen Frauen zeige, dass alles möglich ist, solange man es nur will.
Aenne Burda (1909-2005) galt als Pionierin auf dem Zeitschriftenmarkt. Mit ihrem eigenen Modemagazin entwarf sie erstmals Schnittmuster, damit Leserinnen ihre Mode preiswert selbst schneidern konnten. Ihre Zeitschrift Burda Moden war 1961 die weltgrößte Modezeitschrift und ihr Magazin wurde in 89 Ländern verkauft. Burda galt als eigenständige Geschäftsfrau mit eisernem Willen zum Erfolg, auch in einer damaligen Männerdomäne.
Einige Studierende, gerade in unserem Institut für Medienwissenschaften, können sich Ihren Berufsweg sicherlich auch vorstellen. Können Sie mir erklären, wie man heutzutage eigentlich genau dort hinkommt?
Man braucht wie in anderen Berufen auch erstmal Talent für das, was man tut, und Einsatz und Fleiß. Im Filmgeschäft kommt noch dazu, dass es ein „People-Business“ ist. Man muss sich vernetzen oder Partner finden, mit denen man Kontakte umsetzt. Das halte ich für einen der zentralsten Punkte, um erfolgreich zu sein.
Talent fürs Filmemachen haben auch Studierende unserer Universität im Rahmen des Filmpreises Tübinale bewiesen. Sie waren in der Jury dabei: Was hat Sie an den Filmen am meisten überrascht oder auch beeindruckt?
Mich hat vor allem die Professionalität beeindruckt, mit der manche Filme umgesetzt waren. Die Originalität der Ideen und die Umsetzung des vorgegebenen Themas sind ebenso herauszuheben wie der Mut einiger Filmteams, auch heikle Themen anzusprechen. Gerade das fand ich überaus eindrücklich.
Die Tübinale ist ein studentisches Kurzfilmfestival des Instituts für Medienwissenschaften, bei dem Studierende eigene Kurzfilme einreichen können. Diese stehen 2020 unter dem Motto „Soziale Netzwerke zwischen Fake News & Engagement“ und wurden von einer Fachjury prämiert. Die Gala-Sendung mit allen Siegerfilmen und Interviews mit interessanten Persönlichkeiten läuft live am Donnerstag, 30.07., um 18 Uhr. Mehr Infos unter www.tuebinale.de.
Sie haben dieses Jahr alle eingereichten Filme gesehen. Ohne jetzt unbedingt Namen zu nennen: Denken Sie, dass bei einigen das Potential und die Chance bestehen könnte, später ins Film- und Fernsehgeschäft einzusteigen?
Absolut, ich habe mir einige Namen gemerkt. Gerade bei der Drehbuchumsetzung waren sehr schöne Ideen dabei, auch viele visuelle Konzepte fand ich sehr überzeugend. Die Regie war toll und es gab auch einige Schauspieler, bei denen großes Potential vorhanden ist.
Haben Sie vielleicht zum Abschluss noch einen Tipp oder eine Weisheit, wie der Traum vom Filmgeschäft besser funktionieren kann?
Ich glaube, sehr viele gehen wegen dem großen Fun- und Glamour-Faktor ins Filmgeschäft. Natürlich habe ich unglaublich viel Spaß an meiner Arbeit, aber ich brenne auch für das, was ich tue. Das ist existenziell wichtig, denn nur dann hat man eine Chance, um erfolgreich zu sein. Im Endeffekt ist Leidenschaft ein essenzieller Aspekt.
Wer also ins Filmgeschäft will, sollte auf jeden Fall viele Kontakte knüpfen, für seine Arbeit brennen und das gewisse Talent mitbringen. Leidenschaft und Können haben auf jeden Fall auch die Filmteams der diesjährigen Tübinale bewiesen: Die SiegerInnen werden am 30.07. in einer Live-Sendung prämiert und alle Filme können ab sofort online gestreamt werden. Alle weiteren Infos findet ihr unter www.tuebinale.de oder auf dem Tübinale-YouTube-Channel.