Frauen in der Stummfilmzeit – Die vergessenen Pioniere des Films
Frauen und die Stummfilmzeit. Zwei Begriffe, die wir im ersten Moment nicht miteinander verbinden, doch wie viel Anteil haben Frauen eigentlich tatsächlich an den Anfängen der Filmindustrie? Und welche Probleme gab es?
Die Filmwelt ist eine Männerdomäne. Das ist, woran die meisten denken. Insbesondere, wenn es um die Anfänge Hollywoods und die Ära der Stummfilme geht. Jedoch entspricht dies keinesfalls der Wahrheit.
Bereits seit Beginn des Films haben Frauen einen großen Anteil an der Weiterentwicklung dieser Industrie. In einem Artikel der Business Woman werden 29 verschiedene Rollen aufgezählt, die von Frauen innegehalten wurden. Diese Zahl alleine zeigt, dass Frauen präsent und prägend in der Filmindustrie waren und sind.
Die Rahmenbedingungen
Der Nickelodeon Boom – Die Chance für Gene Gauntier
Erst mit dem Boom der Nickelodeons zwischen 1906 und 1909 eröffnen sich Möglichkeiten für viele Frauen. Nickelodeons sind erste Kinosäle, die zwar schlicht eingerichtet und meist einfach nur bestuhlt waren, dafür aber für einen geringen Eintrittspreis Unterhaltung du kurze Filme anboten. Das Programm änderte sich meistens zwischen ein bis zwei Mal pro Woche.
Eine der Frauen, die während des Nickelodeon Booms ihre Karriere begann, ist Gene Gauntier. Sie war für die Kalem Company tätig, welche Anfang 1907 in New York von George Kleine, Samuel Long und Frank Marion gegründet wurde. In ihren Memoiren beschreibt Gauntier ihre Tätigkeiten als chaotisch. Wie für viele Frauen üblich, beschränkte sich ihre Arbeit nicht auf die Autorinnentätigkeit, für den sie bezahlt wurde, sondern reichte darüber hinaus. Sie schreibt hierzu:
„In addition to playing the principal parts, I also wrote, with the exception of a bare half-dozen, every one of the five hundred or so pictures in which I appeared. I picked locations, supervised sets, passed on tests, co-directed with Sidney Olcott”.
Sie galt als erstes „Kalem Girl“ während ihrer Zeit bei der Company zwischen 1907 und 1912. In dieser Zeit schrieb sie unter anderem das Konzept für Ben Hur (1907) und arbeitete als Schauspielerin in verschiedenen Projekten. Ihr Erfolg ermöglichte es ihr, 1912 die Gene Gauntier Feature Players Company zu gründen, welche allerdings nicht an ihren zu vorigen Erfolg anknüpfen konnte. Nach ihrer Zeit in der Filmindustrie, schrieb Gauntier für die Kansas City Post als Journalistin. Ein Karrierewechsel, der nicht untypisch ist für die damalige Zeit.
Mary Pickford und das Ende der Stummfilmzeit
Eine der erfolgreichsten und bekanntesten Frauen in der Filmindustrie, während der Stummfilmzeit ist Mary Pickford. Sie begann ihre Karriere im Theater, um so ihre Familie nach dem Tod ihres Vaters zu ernähren. Ihre Zeit beim Film nahm 1909 ihren Anfang. Sie arbeitete als Schauspielerin und Autorin für D.W. Griffith’s Biograph Company, die sie aber 1912 endgültig verlässt. Bereits vor dem Aufkommen der Feature Films war sie eine Berühmtheit, doch vor allem danach erreichte ihr Erfolg neue Höhen. 1916 erhielt sie einen Vertrag, durch den sie 10 000 $ pro Woche, sowie 50 % der Profite an ihren Filmen und eine eigene Produktionsfirma. Jedoch war die Entwicklung von Stummfilmen zu den „Talkies“ in 1929 eine starke Veränderung, nicht nur für die Filmindustrie, sondern auch für Mary Pickford selbst. Trotz des Gewinns eines Oscars für ihren Film Coquette (1929), erreichten ihre Filme nicht mehr den vorherigen Erfolg.
Diese Veränderung beeinträchtigte die Karriere von vielen Frauen in der Filmindustrie und sorgte für einen erneuten Umbruch.
Women’s Work
Zur Zeit der Stummfilme stellt sich vor allem die Frage: Welche Arbeit ist denn eigentlich „women’s work“? Zu einem Zeitpunkt, an dem Frauen bereits Rollen als Autorinnen, Regisseurinnen oder Produzentinnen einnahmen, war diese Frage noch immer ungeklärt. Dies wird auch an den Beispielen Gene Gauntier und Mary Pickford deutlich.
Zwischen 1907 und 1920 begann die Industrie dann, das Schreiben, als eine für Frauen „geeignete“ Aufgabe anzuerkennen. Häufig waren diese Jobs anonym, sodass Zuschauende nicht wussten, wer den Film geschrieben hat. Eine weitere Beobachtung ist, dass die Bezahlung von Drehbuchschreibenden sank, als es ein von Frauen dominierter Job wurde (geschätzte Zahlen geben an, dass ca. 50 % der Drehbuchschreibenden weiblich waren). Zu Beginn der Stummfilmzeit wurden Drehbuchschreibende zum Teil doppelt so hoch bezahlt wie Regieführende. Zusätzlich gab es mehr als einen Fall, in denen Autorinnen angaben, dass ihre Szenarien abgelehnt wurden, wenn sie diese mit ihrem echten Namen versendet haben, dieselben Szenarien jedoch unter einem männlichen Pseudonym angenommen wurden.
Vergessene Arbeit
Gene Gauntier’s und vor allem Mary Pickford’s Projekte sind besser dokumentiert als, die von vieler ihrer Kolleginnen. Einer der Gründe dafür ist, dass viele Frauen in Partnerschaften mit ihren Partnern und Familien arbeiteten. Vor allem die Partnerschaft von Ehepartnern auch auf Arbeitsebene war üblich. Doch welche Mitarbeitenden erhalten in solchen Fällen für einen Film Credit?
Zu Beginn der Filmindustrie wurde weder männlichen noch weiblichen Personen Credit für einen Film zugesprochen. Erst 1911 wurde das erste Mal in einer Zeitung eine Liste mit den Beteiligten (Autor*innen, Schauspielende, Regieführende) eines Films veröffentlicht und dennoch war häufig unklar, wer tatsächlich an einem Film mitgewirkt hat. Gerade im Fall eines Duos aus Ehemann und -frau, wurde häufig ausschließlich der männliche Partner erwähnt. Dennoch ist es erwähnenswert, dass Autorinnen, Schauspielerinnen und Regisseurinnen, mit signifikant höherer Wahrscheinlichkeit für ihre Mitarbeit an einem Film erwähnt wurden als andere Arbeitsbereiche. So wurden viele Filmschaffende, und insbesondere Frauen, in der Filmindustrie in Vergessenheit geraten.
Das „Women Film Pioneer Project“
Um dieser Welle des Vergessens entgegenzuwirken, wurde das Women Film Pioneer Project ins Leben gerufen. Das Ziel dieses Projekts ist es, weibliche Filmschaffende aus verschiedenen Arbeitsbereichen vorzustellen und ihnen die Anerkennung für ihre Werke zurückzugeben. Sowie die historische Recherche in Bezug auf Frauen in der früheren Filmindustrie zu fördern. Für alle, die sich für dieses Thema interessieren, ist die Webseite des Women Film Pioneer Projects absolut empfehlenswert.