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Repräsentation von Minderheiten in Filmen:

Mehr Diversität oder künstlerische Einschränkung?

Von Ekaterina Sharova

Mit jedem Jahr kämpfen immer mehr Menschen für soziale Gerechtigkeit unterrepräsentierter Bevölkerungsgruppen der jeweiligen Länder. Diversität, Toleranz und Repräsentation werden immer häufiger in politischen und sozialen Debatten auf den Tisch gebracht. Aus diesen Debatten entstehen Ideen und Vorschläge, wie man die Ungleichheit am besten bekämpfen kann. Doch nicht jede*r ist mit den Vorschlägen zufrieden und findet diese gerechtfertigt.

Das Jahr 2020 ist gekennzeichnet durch Aufstände und Freiheitsbewegungen auf der ganzen Welt. Frauenproteste in Polen. Demonstrationen im Namen der Demokratie in Belarus. Und Black Lives Matter (BLM) nach der Tötung von George Floyd in USA. Die ethnischen Minderheiten in USA stehen ein für Gleichberechtigung in einem Land, welches aus zahlreichen Menschen mit Migrationshintergrund aus der ganzen Welt besteht. Das Jahr 2020, wie kein anderes, stand deshalb im Zeichen der Repräsentation von Minderheiten. Neben engagierten Aktivist*innen versuchen auch Politiker*innen und Unternehmen bei diesem wichtigen Thema mitzusprechen. So hat der Academy Award, besser bekannt als die Oscarverleihung, im September 2020 neue Regelungen für die Nominierung der Filme zur Preisverleihung eingeführt, die ab 2024 gelten sollen. Doch nicht jede*r ist von der neuen Diversität auf der Leinwand überzeugt. Wer ist im Recht? Sind die neuen Regelungen tatsächlich der nächste Schritt zur Gleichberechtigung und Etablierung von Repräsentation oder doch auferlegte „Einschränkungen“ der Filmkunst?

Minderheiten im Westen, also Minderheiten überall

#Oscarssowhite sinnbildlich. Bild: Pixabay.

Wenn man um Gleichheit und Gerechtigkeit kämpft, kämpft man gegen Diskriminierungen. Diskriminiert werden die, die einen geringen Teil einer Gemeinschaft darstellen und sich von dieser Gemeinschaft auf bestimmte Weise unterscheiden. Das Drastische bei Diskriminierung ist, dass man in allen Lebensbereichen benachteiligt wird, weshalb sich Diskriminierung nicht mit Mobbing, in beispielsweise einer Schulklasse, gleichsetzen lässt (was nicht heißt, dass es keine Fälle von Mobbing in der Schule gibt, die sich nicht auf Diskriminierung zurückführen lassen). Diskriminierung ist oft geschichtlich und systematisch in unsere Gesellschaft verankert, weshalb die Bekämpfung dieser ein Prozess ist, der sich sowohl in eine positive als auch in eine negative Richtung entwickeln kann. Bevölkerungsgruppen, die diskriminiert werden, sind zum Beispiel Menschen bestimmter ethnischer oder religiöser Hintergründe (Vgl. Flüchtlinge, Immigrant*innen); nicht-weiße Menschen; Menschen einer anderen (nicht heteronormen) sexuellen Orientierung; Menschen mit Behinderungen. Unsere Welt ist stark westlich beeinflusst. Früher durch die Kolonialisierung und den Kalten Krieg, heute durch westliche Medien. Zahlreiche Menschen in hoch technologisierten Ländern schauen häufig Netflix, verfolgen die Leben der Hollywood-Stars und hören Songs in englischer Sprache. Der Westen liefert die Unterhaltungsmedien und aktuelle Trends – und mit ihnen auch eine westlich erzeugte Diskriminierung. Das letzte Jahrhundert wurde dominiert von Hollywoodfilmen mit einem All-White-Cast und Stereotypen. Im heiß geliebten Klassiker des goldenen Zeitalter Hollywoods, „Breakfast at Tiffanys“ mit Audrey Hepburn, spielt ein weißer Darsteller einen Mann asiatischer Herkunft, was aus heutiger Sicht stark kritisiert wird. In der westlichen, größtenteils weißen Gesellschaft bilden Asiat*innen eine Minderheitsgruppe, die bis heute benachteiligt wird. Doch was bedeutet das für die Mediennutzer*innen Asiens? Dass sie, obwohl sie (auf Grund ihrer Bevölkerungszahl) faktisch keine Minderheit darstellen, zu dieser durch die Medien werden. Dass sie in den Medien stereotypisiert oder als nichtexistierend dargestellt werden. Um genau dieser westlichen Diskriminierung auszuweichen, wird mehr Repräsentation gefordert.

Repräsentation ist nicht immer positiv

Wer nimmt den Gewinn mit nachhause? Bild: Pixabay.

Als Erstes ist es wichtig, zu verstehen, was überhaupt mit dem Begriff der Repräsentation gemeint ist. Unter dem sozialen Aspekt bezeichnet man mit Repräsentation (englisch: representation) „eine Person oder Organisation, die spricht, handelt oder offiziell für eine andere Person anwesend ist“ (Cambridge Dictionary). Damit ist also die Vertretung verschiedener Arten von Menschen in einem oder mehreren bestimmten Bereichen gemeint. Ein anderer Fokus des Begriffs Repräsentation liegt im Bereich der Medien, besonders in der Filmindustrie. Dort wird bereits seit einiger Zeit aktiv versucht, mehr Diversität in die Projekte zu integrieren. „Oceans 8“, das Remake des Klassikers „Oceans 11“ mit Frauenrollen (denn es gibt auch Diskriminierung nach Geschlecht, obwohl es die Hälfte der Weltbevölkerung betrifft) oder „Black Panther“, der erste Superheldenfilm mit einem schwarzen Protagonisten. Das sind Beispiele für Repräsentation von Minderheiten in Filmen. Doch nicht jeder Film, dessen Produzent*innen sich um die Diversität bemühen, wird gut von den breiten Massen aufgenommen. Aber warum? War Repräsentation nicht genau das, was so sehr in den Medien verlangt wurde?

Neue Regelungen bei den Oscars

Der Academy Award bemühte sich dieses Jahr auch, seinen Beitrag zu Repräsentation und mehr Diversität in der Filmindustrie zu leisten. Um einen Film in der Kategorie „Bester Film“ ab 2024 zu nominieren, muss dieser mindestens zwei von vier der folgenden Kriterien (die man auf offiziellen Webseiten des Awards genauer nachlesen kann) erfüllen:

  • Standard A: Repräsentation auf dem Bildschirm, in Themen und Narrativen.
  • Standard B: Kreative Führung und Projekt-Team.
  • Standard C: Zugang zur Industrie.
  • Standard D: Publikumsentwicklung.

Diese, auf den ersten Blick harten, Regeln schockierten einige Fans der Preisverleihung. Weshalb aber der Aufruhr? Die Academy hatte gut gemeinte Intentionen beabsichtigt. Neue, „ungewöhnliche“ Menschen sowohl im Film selbst als auch hinter der Kamera geben diskriminierten Minderheiten mehr Chancen in einer Brache, die bis heute größtenteils von weißen alten Männern dominiert war. Und auch für das Publikum gibt es Vorteile: Das Kennenlernen neuer Kulturen mit ihren spezifischen Bräuchen und Traditionen erweitert den eigenen Horizont und vermindert Vorurteile und „Angst“ vor Menschen, die sich von einem selbst unterscheiden. Repräsentation in der Filmindustrie und in den Medien allgemein fordert die Integration und Akzeptanz kultureller, religiöser und sozialer Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen.

Die Gegner*innen der neuen Oscars-Regelungen argumentieren jedoch, die zunehmende Repräsentation wirke oft erzwungen und wäre unlogisch im gegebenen Filmsetting. So wird beispielsweise die Szene in „Avengers Endgame“ kritisiert, wo alle Frauenheldinnen in einer Schlacht gemeinsam auftreten. Laut den Kritiker*innen sei diese Szene unwichtig für den Film-Plot und unrealistisch, somit also irrelevant. Ähnliches hört man von Gegenstimmen der Verfilmung des Märchens „Die kleine Meerjungfrau“, wo Halle Bailey, eine dunkelhäutige Schauspielerin, als Ariel gecastet wurde. Nun, wenn man alles maximal realistisch im Film gestalten wollen würde, bräuchte man gar keine Schauspielerin, sondern eine richtige Meerjungfrau.
Ein anderes Beispiel: Im Falle der afroamerikanischen Disney Prinzessin Tiana aus „Küss den Frosch“ würde es keinen Sinn ergeben, sie mit einer weißen Person zu ersetzen, da ihre Geschichte direkt mit dem Rassismus in den USA verbunden ist.

Schränken die neuen Oscars-Regelungen tatsächlich die Filmkunst ein? Schwer zu sagen. Die neuen Regeln beziehen sich nur auf eine der vielen Kategorien, für die Filme nominiert werden können, nämlich auf die Kategorie „Bester Film“. Filmklassiker, wie „Titanic“ oder „The Godfather“ hätten keinen Oscar in der Kategorie gewonnen, wenn diese Regeln zu ihrer Zeit gegolten hätten.

Repräsentation wurde aber nicht ohne Grund zu einem wichtigen Thema. Die Oscars-Regelungen und andere Versuche, mehr Diversität in unsere Gesellschaft und Medien zu integrieren, sind gewissermaßen „erzwungen“, da sie notwendig sind, um Änderungen und Fortschritte zu bewirken. Von passiver Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaft als Minderheit zu aktiver Partizipation in Politik und Gesellschaft – das ist das Ziel und dazu tragen Medien und insbesondere Filme einen wichtigen Teil bei. Die Maßnahmen für mehr Repräsentation sind zwar nicht perfekt und potenziell kritisierbar, jedoch sind sie ein unabdingbarer Schritt für mehr soziale Gerechtigkeit. Niemand sollte (auf Grund nicht beeinflussbarer Faktoren und persönlicher Eigenschaften) als Außenseiter*in in der Gesellschaft gelten. Und in weltoffenen Medien erst recht nicht.

Quellen:

  • www.kulturelle-integration.de
  • www.moviepilot.de
  • www.oscars.org