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White Saviorism in Filmen – Wenn weiße Menschen Rassismus beenden

Von Nele Schauer

Die Black Lives Matter-Bewegung hat 2020 neue Popularität in der Gesellschaft und auch in den Medien erreicht und macht klar: Rassismus ist noch immer ein strukturelles Problem.
Obwohl ich selbst weiß bin und dementsprechend nicht vom Rassismus betroffen, möchte ich diese Plattform dazu nutzen, um auf White Saviorism in Filmen aufmerksam zu machen.

Wenn die Protagonist*innen in Filmen über schwarze Geschichte von weißen Schauspieler*innen verkörpert werden, sollten eigentlich schon alle Alarmglocken klingeln. Denn – auch, wenn nicht bewusst –  sind  Filme, betroffen von dem sogenannten White Savior-Komplex, meistens genauso rassistisch wie das, was sie eigentlich „bekämpfen“ wollen. Was mit diesem Blick durch die weiße Linse auf das Leben von People of Color (POC) alles falsch gemacht wird, soll im folgenden Artikel beleuchtet werden.

Wo liegt die Grenze zwischen Filmheld*in und White Savior?

Kurz gesagt ist die Figur des White Saviors in Filmen nichts anderes als – wortwörtlich übersetzt – der/die weiße Retter*in, oder Erlöser*in, der/die vor allem POC dabei hilft, sich aus prekären Situationen ihres Lebens zu befreien, um schließlich in der letzten Szene des Films breit in die Kamera zu grinsen und zu zeigen: „Ja, ich habe es geschafft. Ich habe den Rassismus beendet.“ Als weißer Mensch mit einer Vielzahl an Privilegien ist der White Savior nicht betroffen von Rassismus und anderen Unterdrückungssystemen der Gesellschaft. Im Gegenteil, er oder sie profitiert sogar eher von ihnen. Trotz dessen sehen sich White Saviors mit Blick auf die scheinbare Unfähigkeit der POC als Einzige dazu in der Lage, Rassismus ein für alle Mal den Gar auszumachen. Natürlich nur in ihrer jeweiligen Kleinstadt bzw. Mikrokosmos, versteht sich. Die Ignoranz gegenüber POC ist also das, was sie am meisten vom nullachtfünfzehn Helden unterscheidet.

Der weiße Retter besitzt in White Savior Filmen von Grund auf noblere Eigenschaften als schwarze Charaktere. Bild: Pixy.

Dass es sich bei diesen Filmen nicht um die Geschichte von POC handelt, sondern eher um die der weißen Protagonist*innen, wird vor allem durch die Erzählstruktur der Filme auffällig. Damit sich die weißen Zuschauer*innen mit dem/der White Savior identifizieren und dieser die Rolle als Hauptcharakter*in nicht verliert, wird die Hintergrundgeschichte der White Saviors betont und somit ihre ehrenhaften und noblen Charaktere durch zahlreiche Szenen in Show gesetzt. Das funktioniert besonders dann gut, wenn sich die White Savior-Figur im Film von anderen weißen Rollen unterscheidet, die dem Publikum durch ihre rassistischen Charakterzüge unsympathisch werden und sich so zu Antagonist*innen entwickeln. Durch diese Abgrenzung zwischen weißen rassistischen Rollen und liberalen kann man sich als Zuschauer*in mit der guten Seite identifizieren und man fühlt sich als Teil der Bewegung. Im Gegensatz dazu werden schwarze Rollen zur Nebensächlichkeit und ihre Charaktere nur auf das reduziert, was für den Verlauf des Filmes wichtig ist – ihr Schwarzsein und ihre Unterlegenheit. Als Nebencharaktere sind sie damit nur Mittel zum Zweck und die Geschichte von POC wird durch die weißen Protagonist*innen anstatt von Ihnen selbst erklärt, was ihre Erlebnisse nicht nur verschönert, sondern vor allem marginalisiert.

Rassismus als überwindbares Problem von 90 Minuten

Der White Savior hat seit den 50 er Jahren einen festen Platz im Filmrepertoire. Bild: Unsplash.

Wenn Filmemacher*innen selbst POC sind und sich in ihren Filmen mit Rassismus auseinandersetzen, verlässt das Publikum eher mit einem Grübeln statt mit Erleichterung den Saal. Doch ein Film, der von einem weißen Mann [1] produziert worden ist, ist auch für ein weißes Publikum gedacht. Da man sich als weißer Mensch nicht mit den Erlebnissen, die POC tagtäglich erleben, auseinandersetzen kann (und möchte), muss der Film Rassismus eben euphemistisch präsentieren. Auffällig hierbei ist, dass der Verlauf des Films so aufgebaut ist, dass sich die Zuschauer*innen konstant wohlfühlen und die mögliche Anspannung am Ende gänzlich verfliegt. Anstatt wirklich zu zeigen, wie der Alltag von POC während der Great Depression der 30er Jahre war, steht in der Verfilmung des Buches „To Kill a Mockingbird“ beispielsweise der weiße Anwalt Atticus im Fokus, dessen Ethik und Werte ihn dazu bewegen, einen schwarzen Mann zu verteidigen. Im Film „The Help“ ist die Rolle von Emma Stone die weiße Retterin, die sich für bemitleidenswerte schwarze Hausmädchen einsetzt. Besonders ironisch ist, dass der Film in den 60er Jahren während der Bürgerrechtsbewegung spielt. Während also schwarze Menschen für ihre Rechte protestierten, entschied man sich nicht dafür, ihnen eine Stimme zu geben, sondern lieber einer weißen Rolle, die ein Buch über das Leben und Leiden schwarzer Hausmädchen publiziert, dafür gefeiert wird und so schließlich selbst davon profitiert.

Weiße Filmemacher*innen legen den Fokus auf romantische oder bewegende  Hintergrundgeschichten der weißen Figuren, anstatt mit aufwühlenden Szenen die Wirklichkeit im Alltag von POC darzustellen. Denn das, was schwarze Figuren in White Savior-Filmen erleben, sind immer nur Einzelschicksale und so wird ein Happy End trotz allem ermöglicht. So versagen diese Filme darin, Rassismus als die systemübergreifende Unterdrückung darzustellen, die sie ist. Happy Ends in Filmen sind zwar schön und gut, doch besonders in White Savior-Filmen sind sie nicht nur falsch, sondern vor allem gefährlich. Denn White Savior Filme, die oft auf wahren Begebenheiten beruhen, vermitteln damit das Gefühl, Rassismus sei ein überwindbares Problem von 90 bis 120 Minuten.

[1] Ich schreibe hier bewusst Mann, weil 90% aller Drehbücher von Männern geschrieben wurden. (https://christophmay.eu/maennerphantasien/).

Doch es geht auch anders

Filme wie „The Hate U Give“ vom US-amerikanischen Produzenten George Tillman Jr. oder die Netflix-Serie „Dear White People“ arbeiten mit starken schwarzen Charakteren, die Erlebtes aus erster Hand filmisch festhalten. Im Film „The Hate U Give“ wird beispielsweise das Thema Polizeigewalt gegen POC festgehalten, ganz ohne Hinzunahme von weißen Rollen zur Klärung des Problems. Dass in Filmen schwarzer Filmemacher*innen weiße Charaktere eher als Nebendarsteller*innen eingesetzt werden, fällt zum Beispiel auch im Film „Black Panther“ der Marvel Studios auf. Der Oscarpreisträger besetzt gerade Mal zwei weiße Rollen, die kaum Sprechanteil haben, und ist somit der erste Mainstream-Blockbuster mit einem komplett schwarzen Hauptrollen-Cast.

Filme von schwarzen Filmemacher*innen gehen anders mit dem Thema Rassismus um als weiße Producer*innen. Bild: Unsplash.

Filme wie „BlacKkKlansman“ aus dem Jahr 2018 wollen Zuschauer*innen zum Nachdenken anregen und sie dazu auffordern, ihren internalisierten Rassismus anzuerkennen und zu überwinden. Besonders in der letzten Szene des Films wird deutlich, dass der Film Rassismus nicht besiegt, gar nur einen kleinen Teil von ihm beleuchtet hat. Denn am Ende überrascht der Filmemacher Spike Lee mit echten Amateuraufnahmen des Autoangriffs in Charlottesville, der ein Jahr vor Veröffentlichung des Films von einem neonationalsozialistischen Täter im Rahmen der Proteste gegen die „White Supremacists“ ein unschuldiges Leben forderte. Der 5-minütige Abspann macht den Zuschauer*innen damit klar, dass zwar die Handlungen im Film teils fiktiv waren, das Thema jedoch allgegenwärtig ist und der Kampf gegen Rassismus noch lange nicht beendet ist. Der Film ruft zum Handeln auf, anstatt mit einem Happy End alles Leid wettzumachen, das die POC Charaktere im Laufe des Films durchlitten haben. Und einen White Savior brauchen diese Filme sicherlich auch nicht.

Trotz dieser Positivbeispiele ist unsere Filmindustrie, sowie unsere Gesellschaft im Allgemeinen, immer noch von postkolonialen Strukturen geprägt und es mangelt an starken schwarzen Rollen, welche die White Saviors ein für alle Male vom Thron stoßen. Doch, dass ausgerechnet die Besetzung der fiktiven Disneyprinzessin Arielle mit der schwarzen Schauspielerin Halle Bailey 2019 einen riesigen Shitstorm im Internet auslöste, zeigt, wie weit wir noch entfernt sind von einer ausgeglichen Filmlandschaft. Dass das eurozentrische Publikum sich zwar eine Meerjungfrau vorstellen kann, aber nicht eine Meerjungfrau mit schwarzer Haut, dürfte wohl für sich sprechen. Bis dahin bleibt uns nichts anderes übrig, als Filme mit dem White Savior-Komplex zu boykottieren und POC im Kampf gegen die Ungerechtigkeit zu unterstützen, besonders wenn wir selbst weiß sind.