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MASKE ODER MENSCH? – Kommunikation durch Emojis

Von Christina-Maria Karvela

Die kleinen Bildcharakter sind überall beliebt. Aber werden sie auch überall gleich verstanden? Durch das ständig wachsende Sortiment an Emojis entstehen mehr Missverständnisse als gedacht. Nehmen die kleinen elektronischen Bildzeichen inzwischen Überhand? Sind wir  auch außerhalb der digitalen Welt und ohne Hilfe von Emojis noch dazu in der Lage, uns passend auszudrücken?

 EMOJIS – DIE ALLESKÖNNER 

Was ist ein Emoji?

Der Begriff entspringt dem Japanischen und bedeutet so viel wie „Bilderbuchstabe“. Emojis sind kleine, in bit-Format gepresste Piktogramme, die ähnlich einem Emoticon, auf Gefühlslagen, Objekte, Ernährung, Orte, Tiere, Fantasy-Figuren, sowie allerlei Aktivitäten (Sport, Reisen, Lesen, etc.) verweisen.

Liebesbotschaften mittels Emojis. Bild: Pexels.

Emojis sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie gehören zur modernen Kommunikation und sind längst nicht mehr „nur“ Teil von Textnachrichten: 2017 kam „Emojis – der Film“ auf die Kinoleinwand, 2014 wurde erstmals ein Roman ausschließlich mit Emojis „geschrieben“ und seit sechs Jahren gibt es sogar einen Welt-Emoji-Tag. Feedback-Bögen werden mit den kleinen gelben Gesichtern bestückt, ebenso wie Kunden*innenbefragungen oder Werbeanzeigen, die die kleinen Bildzeichen mit einbinden.

Durch ihre enorme Vielfalt in Ausdruck und Gebrauch ist ihr Einsatz grenzenlos. Wir finden kaum etwas, das sich nicht mit Emojis ausdrücken lässt. Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter, indem die kleinen Bildchen über den Ausdruck des Geschriebenen hinausgehen. Wie oft fehlen uns die passenden Worte? Geste, Mimik und Emotion, vereint in den Emojis, fangen das Defizit reiner Buchstaben auf und vervollständigen, beziehungsweise unterstützen die Textaussage mithilfe der Bildebene.

Emoji, Emoticon, Smiley - Worin liegt der Unterschied?

Ein Emoticon ist eine sogenannte ASCII-Zeichenfolge. Darunter sind :-), :), und =) die wohl bekanntesten. Je nachdem, in welchem Programm diese Zeichen nun eingesetzt werden, werden sie automatisch in grafische Darstellungen, den Smileys umgestaltet. Demzufolge sind Smileys die grafische Weiterentwicklung der Emoticons. Im Emoji-Zeitalter kann die automatische Transformation von ASCII-Zeichen auch mit einem Emoji, und keinem Smiley, enden. Der Unterschied zwischen einem Smiley und einem Emoji liegt in ihrer thematischen Bandbreite: Während sich ein Smiley, aber auch ein Emoticon, auf die Verdeutlichung von Emotionen beschränkt, kann ein Emoji Gegenstände, Symbole, Figuren, Emotionen, Smileys, Orte, Gebäude, Flora & Fauna beispielsweise darstellen. Die ständig weiter wachsenden, Comic-haften Bildzeichen brauchen sich trotz der neu aufgekommenen bewegten Animojis, vorerst keine Sorge um ihre Zukunft machen. Viel zu sehr haben wir uns inzwischen an die kleinen emotionalen Wegweiser und Hinweissymbole gewöhnt und sie liebgewonnen.

NONVERBALE, INTERKULTURELLE KOMMUNIKATION — FEHLINTERPRETATIONEN AHOI!

Nicht selten werden die eigentlichen Bedeutungen der Emojis, vermutlich durch neue Trends oder sich einschleichende Gewohnheiten bei der Verwendung, fehlinterpretiert und entsprechen nicht den ursprünglichen Intentionen der Emoji-Entwickler*innen aufgefasst. Diese Missdeutung und Fehlinterpretation von Emojis kann allerdings auch auch aufgrund des unterschiedlichen Einsatzes in fremden Sprachräumen resultieren. Wie auch Farben in anderen Ländern andere Bedeutungen inne haben können, gilt dies ebenfalls für Symbole und Bilder, sowie Emojis. Als Paradebeispiel für Ersteres können die Symbolfarben für Tod und Trauer angeführt werden: Im europäischen Raum steht die Farbe Schwarz stellvertretend für den Tod, wohingegen in asiatischen Ländern Weiß den Tod symbolisiert.

Englischkenntnisse werden mittlerweile überall vorausgesetzt. Funktioniert ein Emoji-Unicode hingegen auch als Weltsprache? Jein. Im Allgemeinen sollte angenommen werden, dass die Absenderin oder der Absender eines Emojis ihre oder seine Community, beziehungsweise Kommunikationspartner*in kennt. Dies ist jedoch selten der Fall. Durch das Internet ist es möglich, mit völlig Fremden auf Online-Plattformen, Foren und Netzwerken weltweit zu interagieren. Die Teilnehmer*innen besitzen unterschiedlich kulturelle Hintergründe, die wiederum durch die Globalisierung immer mehr miteinander verwoben und vermischt werden. Dabei können neue Wortschöpfungen, Gesten entstehen, sowie bekannte Zeichensprachen sich verändern. Der Zugang zu mehr Informationen bedeutet jedoch nicht immer auch mehr Wissen, dadurch können auch mehr Verwirrung und Missverständnisse gestiftet werden:

„Eine geballte Faust mit einem ausgestreckten Daumen nach oben bedeutet bei uns [im europäischen Raum] so etwas wie ‚Super‘. In Australien gilt das als Beleidigung, in China als Zahl ‚5‘ und in Indonesien steht das für die Zahl ‚6‘. Auch im Iran wird ein nach oben gestreckter Daumen als Beleidigung verstanden.“[1]

Inzwischen beinhaltet der Emoji-Unicode über Tausende von Emojis. Damit ist ein weltweit standardisierter Code von Zeichen gemeint, der zum Beispiel nicht an das verwendete Betriebssystem oder eine Schriftart gebunden ist. Dieses Jahr wurden mit dem Unicode 13.0 117 neue Abbildungen freigeschalten. Das neue Upgrade kommt jedoch, wie beinahe alles in 2020/21, aufgrund der Pandemie verzögert auf den Markt: Anstatt im März 2021, wird der Emoji Unicode 14.0 erst im September 2021 released. Nutzen können werden wir sie vermutlich erst 2022.

Die Weiterentwicklung der Emoji-„Tastatur“ soll Missverständnisse vermeiden und Ungleichheiten entgegentreten. Die kleinen Helferlein vereinfachen unsere Kommunikation, helfen uns aber auch dabei, unsere eigenen Gefühle gewissermaßen zu umgehen. Der Klick auf eine Taste ist oftmals zu leicht und zu schnell gesetzt, kommt der Geist mit einer emotionalen Reaktion da überhaupt noch hinterher? Wer hat nicht schon einen vor Freude weinenden Lachsmiley verschickt, auch wenn die eigene Reaktion nicht mal an ein Lächeln herangereicht hat? Durch die virtuelle Kommunikation und auch Konfrontation fällt es uns einerseits einfacher, unser Herz auszuschütten, als wenn man den Konversationspartner*innen Auge in Auge gegenüber sitzt, andererseits ist die Versuchung auch groß, dass wir uns von Gefühlsausbrüchen abschotten, indem beispielsweise Freundschaften, Beziehungen o.ä. „einfach“ per WhatsApp gekündigt werden (am besten noch mit einem Kusssmiley am Ende versehen, um unser Gewissen zu beruhigen und zu symbolisieren, dass wir es ja lieb gemeint haben). Wie ehrlich und real sind unsere digital verschickten Emotionen demnach noch? Eine Antwort darauf finden wir hier so schnell nicht. Fest steht jedoch, dass das echte Gefühl einer herzlichen Umarmung und ein Gespräch bei einer Tasse Kaffee so schnell nicht virtuell nachgestellt werden kann. Gleichwertig ersetzen können die kleinen Bilder unsere Lautsprache noch nicht.

Welche Darstellungen werden übernommen?

Wer entscheidet, welche Darstellungen in das Spektrum aufgenommen werden?
Dabei ist das Unicode-Konsortium vor allem auf die Mitarbeit von freiwilligen Helfer*innen angewiesen. Entstanden ist die Organisation mitunter in Zusammenarbeit von Adobe, Apple, Microsoft, Google, IBM und SAP. Dieses Gremium ist für die Standardisierung von Emojis und auch anderer digitaler Zeichencodes verantwortlich. Eigene Ideen und Anregungen kann jedermann einreichen. Der Antrag, beziehungsweise das vorgeschlagene Emoji, durchläuft daraufhin einen langwierigen Prüfvorgang bis es genehmigt werden kann.

Grafik: Christina-Maria Karvela.

Die Liste kann beliebig weitergeführt werden und es finden sich immer neue Auslegungen für die getroffene Textaussage. Die kleinen lustigen Gesichter und Symbole ziehen beim Lesen unseren Blick auf sich. Sie lockern den Text sowie den Lesefluss auf und vereinfachen das „Zwischen-den-Zeilen-Lesen“. Die kleinen Zeichen – vor allem die Gesichter . weisen durch ihren Ausdruck und Mimik auf Untertöne hin, wie Ironie, Zustimmung oder Ablehnung.

Satzzeichen & Emoji = Widerspruch?

Nein, sagt der Duden. Dennoch werden oftmals bei dem Gebrauch von Emojis keine Satzzeichen mehr verwendet. Für Diejenigen unter euch, die es trotzdem interessiert: Egal, ob bei WhatsApp, im iMessenger oder in der traditionellen SMS – das Emoji gehört hinter das Satzzeichen.

MISSVERSTÄNDNISSE SIND VORPROGRAMMIERT

Likes & Emojis sind das digitale Feedback, nach dem wir uns insgeheim sehnen. Bild: Pexels.

Die Interpretationen differenzieren sich öfter als gedacht, nicht zuletzt aufgrund der variierenden Darstellungen der unterschiedlichen Smartphone-Hersteller. Hier hört der Spaß aber noch nicht auf: Habt ihr schon bemerkt, dass sich die Darstellungen der kleinen Bildzeichen auf den Social Media-Plattformen, wie Facebook, Twitter & Co. unterscheiden? Die Unterschiede werden inzwischen immer minimaler, aber da kann es dennoch passieren, dass ein breites Grinsen zum Zähnefletschen mutiert. Den meisten User*innen sind die Abweichungen bereits geläufig und ihr Auge gewissermaßen auch darauf „geschult“, zu wissen, welches Emoji – und in diesem Sinne, welcher  Ausdruck – ursprünglich damit gemeint gewesen sein sollte.

Emojipedia

Falls ihr mehr über die Bedeutung und die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Emojis erfahren möchtet, gibt es eine Art Wikipedia für Emojis, das ihr nach Lust und Laune durchstöbern könnt: das „Emojipedia“.

ANIMOJI – DIE DIGITALE MASKE AUCH OHNE COVID-19

Sind wir auch außerhalb der digitalen Welt noch im Stande, unsere Emotionen in Worte zu fassen? Oder haben uns die Emojis dieser Fähigkeit inzwischen beraubt? Bild: Pexels.

Wenn man Kamera scheu ist, bieten sich die animierten Emojis von Apple wie ein Filter an. Die Smileys und Tiergesichter passen sich während der Aufnahme an die eigene Mimik an. Durch die Spielereien mit Emojis steigt die Versuchung, seine eigenen Emotionen hinter den witzig-niedlichen digitalen Bildchen zu verstecken. Aber auch fragt sich: Verlieren wir auf diese Weise den Bezug zu unseren realen Gefühlen und die Fähigkeit, unsere Gefühlslage außerhalb des Digitalen auszudrücken? Es ist nicht auszuschließen, dass, wenn wir unsere Kommunikation immer weiter in Richtung elektronischer Botschaften verlegen, es uns schwieriger fallen wird, unsere Gedanken und Emotionen verständlich in gesprochene Worte zu fassen.

Gerade in Zeiten der Isolation, wie in diesem und vergangenem Jahr, unterstützen die mit Emotionen aufgeladenen Piktogramme die Kommunikation und virtuelle Nähe. Emojis können uns demnach ein Stück weit Nähe in Zeiten von unkörperlicher Kommunikation vermitteln. Die Bildzeichen & Symbole sind zweifellos eine Unterstützung der nicht text-basierten Sprache, können diese jedoch nicht vollständig ersetzen.

 
Redewettbewerb 2020: „Vom Nutzen der Fußnote für das Leben“

Zehn Redner*innen widmeten sich bei einem Rhetorikwettbewerb im vergangenen Jahr dem Thema Glaubwürdigkeit und Vertrauen in unserer Gesellschaft. Der Wettbewerb entstand in Zusammenarbeit des Landratsamts Tübingen mit dem Seminar für Allgemeine Rhetorik der Eberhard-Karls Universität Tübingen. Lars Schulmeister widmet sich in seinem dreiminütigen Vortrag der Informationsvermittlung mithilfe der kleinen Piktogramme, den Emojis.
→ Den Link dazu findet ihr am Ende des Artikels.