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Friede, Freude, Fake News? – Wie Informationsfluten die Welt beherrschen

Von Daniela Gjuraj

In Zeiten von Twitter-Präsident Trump, Querdenker*innen, die sich mit Sophie Scholl und Anne Frank vergleichen, Wolfgang Wodarg, Attila Hildmann, Telegram etc. wird uns wieder einmal vor Augen geführt, dass Desinformation eine der größten und am meisten unterschätzen Gefahren des 21. Jahrhunderts darstellt. Doch was hat es mit dieser Gefahr auf sich?

Das Handy piept, eine neue Instagram-Benachrichtigung. Man wundert sich, wer wohl geschrieben haben könnte und öffnet nichts ahnend die Privatnachrichten. Ein Video wurde geteilt. Darin möchten ein Mann und eine Frau erklären, was es mit der Corona-Impfung auf sich habe. Dass sie gefährlich und viel zu schnell auf den Markt gekommen sei, man nicht über die Langzeitfolgen Bescheid wisse. Weiter geht es damit, dass die Regierung uns mit der Spritze Chips einpflanzen wolle, dass Bill Gates das alles bezahle und die Weltherrschaft an sich reißen wolle, indem er mit den eingeimpften Chips unsere Gehirne kontrolliere. Wie kann es sein, dass Menschen sich von solch wirr erscheinenden, wissenschaftlich nicht belegten Thesen so in die Irre führen lassen?

Das Infodemie-Problem

Dass Querdenker*innen, Trump-Supporter*innen und Hildmann-Anhänger*innen nicht kritisch denken und nichts hinterfragen, kann ihnen wohl nicht vorgeworfen werden – sie könnten sonst ihre absurd scheinenden Thesen nicht formulieren oder gar mit so viel Stolz vertreten. Es ist eher so, dass wir in der heutigen vernetzten Welt immer mehr an Gatekeeper*innen verlieren – also Kontrollinstanzen, die zu veröffentlichende Inhalte auf Relevanz und Richtigkeit prüfen. Diese Funktion hatte für gewöhnlich immer der Journalismus, der nun jedoch durch das Einwirken von Social Media etc. immer weniger die Agenda bestimmt, immer weniger den Ton vorgibt und immer mehr die ehemals moderierende Funktion verliert. Statt Medieninstanzen diese Aufgabe zu überlassen, kann nun jede*r Einzelne selbst zur Gatekeeperin oder zum Gatekeeper werden und Inhalte veröffentlichen – egal wann, wo, wie und in welcher Form. Was zunächst wie ein Segen erscheint, der offene Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt, (von der eine Demokratie ja schließlich lebt) bestärkt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ein sehr gefährliches Phänomen. Eine unüberschaubare Flut an Informationen, Halbwissen und gefährlichen Fake News kann sich leichter breitmachen. Gerade zu Zeiten der Corona-Pandemie gibt es gefühlt mehr Fake-News über das Virus als es infizierte Menschen gibt. Und nein, ein Telegramchat à la Attila Hildmann ist und bleibt keine vertrauenswürdige Quelle, egal wie sehr er und seine Thesen panikgeschürten Menschen als plausibel erscheinen mögen. Die Pandemie geht Hand in Hand mit einer Infodemie – einem Phänomen, das sich aus einem Übermaß an Informationen ergibt. Häufig führt sie zur Bildung von Verschwörungen und geht mit einem andauernd anhaltenden „Fake-Gefühl“ als Symptom einher. Fälschlicherweise wird davon ausgegangen, dass ein höheres Maß an Information Bürger*innen mündiger mache, das Problem hierbei ist jedoch, dass eher das Gegenteil herbeigeführt wird. Das Übermaß der unkontrolliert gestreuten Informationen, deren Wahrheitsgehalt in der Flut nicht immer geprüft werden kann, verbreitet massiv Panik und Desinformation, da man keine klaren Diskrepanzen mehr erkennen kann. Die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Mythos, Fakt und Fiktion wird immer weniger einschlägig, man verliert das Vertrauen in Informationen und versinkt in einer Überschwemmung an irreführenden Informationen.

Falschnachrichten verbreiten sich wie ein Virus von Gerät zu Gerät. Bild: Unplash.

Nichts ist mehr glaubhaft, eine generelle Skepsis stellt sich, zusammen mit einem Basis-Misstrauen, als Grundzustand ein und niemand weiß mehr, welchen Quellen man trauen kann. Desinformation an sich stellt ein großes Problem dar. Da sie sich wie eine Art Epidemie in Krisenzeiten ausbreitet, wurde der Neologismus „Infodemie“ 2003 ins Leben gerufen. Zu dieser Zeit herrschte weltweit eine SARS-Pandemie. Der amerikanische Politikwissenschaftler David Rothkopf, der den Begriff prägte, beobachtete, wie sich eine Menge an (Des-)informationen rasant verbreitete, so weit, dass dadurch globale Panik ausgelöst wurde. Das Phänomen der Desinformation ist also nicht neu, ihm wurde in der Pandemie nur mehr Sichtbarkeit verschafft.

Warum sind Faktenchecks so wichtig?

62% der deutschen Bevölkerung sehen in Falschinformationen eine Bedrohung unserer Demokratie. Diese haben zum Ziel, aktiv falsche Informationen zu verbreiten, um die Gesellschaft zu polarisieren und zu spalten – im schlimmsten Fall bedeutet das z.B., dass Menschen Corona-Maßnahmen nicht ernst nehmen, das Virus für eine Lüge halten und so dessen Ausbreitung bspw. auf Querdenken-Demos ungehindert zulassen. Falsche Informationen über das Virus wurden laut Factchecking-Dienst „Newsguard“ bis Anfang März über 50 Mio. Mal geteilt, 142 Mal öfter als offizielle Inhalte, wie von z.B. der WHO. In Angst und Unsicherheit versuchen Menschen, möglichst viele Informationen zur besseren Einschätzung der Lage zu gewinnen. Was in früheren Zeiten überlebensnotwendig war, wird heute durch die Flut an ungeprüften Inhalten fast schon zum Verhängnis. Daher ist es umso wichtiger, dass sich gewisse Factchecking-Instanzen (bspw. „Correctiv“, „Volksverpetzer“ etc.) zusammentun, ihre Arbeit offen und transparent darlegen, Verschwörungen recherchieren und mit glaubhaften, seriösen Fakten belegen – nach hohen journalistischen Standards. „Wir sind der Meinung, dass wir nicht alle einer Meinung sein müssen, um gemeinsam für unser Ziel einzustehen. Wir müssen uns nur auf demokratische Grundlagen einigen, die für das Funktionieren einer weltoffenen, liberalen Demokratie entscheidend sind. Und Kräfte und Parteien, die täglich durch Lügen, Hass und Zwietracht diesen demokratischen Konsens verletzen, gehören entlarvt und angeprangert“, so heißt es im Selbstverständnis des „Volksverpetzer“-Blogs. Meinungsvielfalt gehört zur Demokratie und zu einer offenen Gesellschaft dazu und muss um jeden Preis geschützt werden – jedoch darf man nicht zulassen, dass Meinungen mit Fakten verwechselt und Hetze und Panikmache zum Fakt ernannt werden.

Konzerne und Fake News

Geistige Ergüsse à la Donald Trump – Twitter Account von Donald Trump (im Januar 2021 gesperrt). Bild via crowdbabble.com.

Wenn Donald Trump mal wieder Lust hat, etwas Wirres in die Welt zu werfen, konnte er früher einfach seine Twitter-App öffnen und alles, was sich in 140 Zeichen (und seit 2018 sogar 280 Zeichen) sagen lässt, in die Welt entsenden. 
Seit Monaten versieht Twitter manche Tweets, z.B. solche über 5G und Corona, mit Warnhinweisen für mehr Kontext. Auch Instagram hat Posts über die US-Wahlen, COVID, die Impfung etc. mit diesem Kontexthinweis versehen. WhatsApp schränkt seit April die Weiterleitungsfunktion ein, um die massenhafte Verbreitung von Kettenbriefen zu verhindern, auch Facebook schränkt die Reichweite von Inhalten, die sie als falsch einstufen, ein. Das Problem ist also nun auch bei den „hohen Tieren“ angekommen und wird dort, so gut es geht, abgemildert.

Es ist unglaublich wichtig, immer kritisch zu bleiben. Auch, wenn es Nerven und Mühe kostet, lohnt es sich, der eigenen mentalen Gesundheit halber, immer noch einen zweiten Blick auf Inhalte, die mit dir geteilt wurden, zu werfen. Selbst – zumindest stückweit – zur Factcheckerin oder zum Factchecker zu werden, ist wahrscheinlich das Gesündeste, das man im Moment tun kann.