Lootboxen und Jugendmedienschutz

EA Sports FC: Neues Jahr, neuer Name, neue Altersbeschränkung (02.November 2023)

Von Nick Schindowski

Nachdem der neuste FIFA-Ableger in diesem Jahr unter anderem Namen erscheint, ändert sich auch die Altersbeschränkung der beliebten Fußballsimulation. EA Sports FC 24 ist ab 12 Jahren freigegeben. Damit handelt die USK im Sinne einer reformierten Gesetzgebung zum Jugendschutz.

Wie in jedem Jahr dürfen sich Fans der Fußballsimulation FIFA auch 2023 auf einen frischen Ableger der Fußballsimulation freuen. Neu ist hingegen der Name: Aufgrund der ausgelaufenen Vertragsvereinbarung mit dem Weltfußballverband erscheint FIFA zum ersten Mal als EA Sports FC. Am grundlegenden Spielkonzept ändert sich nichts. Neben einem Karriere- und Turniermodus legt Hersteller Electronic Arts auch in diesem Jahr besonderen Wert auf den umstrittenen Ultimate-Team-Modus (kurz: FUT). Gerade dieser dürfte jedoch für eine Neubewertung der Altersfreigabe gesorgt haben.

Novellierung des Jugendschutzgesetzes ermöglicht Neubewertung

Als im Jahr 2022 mit FIFA 23 der vorangegangene Teil der Serie erschien, entschied sich die USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) noch gegen eine Freigabe mit Altersbeschränkung. In einem Statement im September 2022 heißt es, die Fußballsimulation enthalte „keine emotional überfordernden Aspekte wie z. B. Gewaltdarstellung oder Handlungsdruck“. Grund hierfür war die bis dato noch nicht in Kraft getretene Reform des Jugendschutzgesetzes aus dem Jahr 2021. Vorher war es der USK nicht gestattet, spielexterne Mechaniken wie Kauffunktionen oder integrierte Chatkanäle in den Bewertungsprozess miteinzubeziehen. Nach dem alten Jugendschutzgesetz musste sich die USK im Prüfverfahren auf die offline Versionen von Computerspielen beschränken. Dies änderte sich im Jahr 2023.

Als Gründe für die höhere Einstufung führt die USK in den offiziellen Einträgen von EA Sports FC nun den von der Software ausgeübten Handlungsdruck sowie die Möglichkeiten zu In-Game-Käufen und Chats mit „nicht vertrauten Personen“. Insbesondere der Spielmodus “Ultimate Team” hat bei der Bewertung eine besondere Rolle gespielt. Das geht aus einer Anfrage der MediaBubble hervor. So würde dieser “durch das komplexe Monetarisierungssystem mit Belohnungsmechanismen […] Anreize zu Zusatzkäufen und zu langen Spielzeiten” schaffen. Ausschlaggebend für die finale Altersbewertung sei zudem die auf Gaming-Plattformen vorhandene Jugendschutzeinstellung, nicht die Spielmechanik an sich.

Zudem beschreibt die USK in einem Online-Artikel die Auswirkung des neuen Jugendschutzgesetzes auf den Bewertungsprozess. So würden Sportspiele wie EA Sports FC inhaltlich zwar „keine jugendschutzrelevanten Aspekte“ aufweisen, jedoch unterstreicht die Einrichtung, dass sie prüfen müssen, ob Zusatzfunktionen wie In-Game-Käufe „eine potentielle Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens“ von Kindern und Jugendlichen darstellen könnten.

Profitables Zugpferd Ultimate-Team unter Glücksspielverdacht

Im Ultimate-Team-Modus können die Spieler:innen online mit eigenen Teams gegeneinander antreten. Dabei traf vor allem das Lootbox-System auf breite Kritik: Ihr Team stellen die Spieler:innen aus virtuellen Spielkarten zusammen, die sie aus Kartenpacks gewinnen können. Die Spieler:innen können die Kartenpacks entweder durch den Einsatz von Echtgeld oder erspielte In-Game-Währungen kaufen. International war diese Spielmechanik auf große Kritik aus Politik und Zivilgesellschaft gestoßen und auch in Deutschland äußerte unter anderem das Neo Magazin Royal in einer Folge deutliche Kritik.

Der häufigste Vorwurf der Kritiker:innen lautet, der Spielekonzern Electronic Arts profitiere mit FUT von Glückspielmechaniken ohne dies entsprechend zu kennzeichnen, geschweige denn zu reglementieren. Juristisch gibt es in Deutschland eine für den Einsatz von Lootboxen folgenreiche Differenzierung: Nach dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen handelt es sich um ein solches nach Paragraph 3, sofern „im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über diesen Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt.“ Davon ist in Deutschland hingegen das simulierte Glücksspiel abzugrenzen, dass zwar auf ähnliche Spielmechaniken zurückgreifen mag, dies allerdings ohne eine Echtgeld-Verknüpfung oder geldwerten Gewinn für die Spieler*innen anzubieten. Wie sich Lootboxen im Hinblick auf diese Unterscheidung einordnen lassen, wäre durchaus zu diskutieren. In jüngerer Vergangenheit wurden Lootbox-Systeme wie sie zum Beispiel auch in der Basketball-Simulation NBA2k eingesetzt werden von den zuständigen Behörden jedoch nicht als Glücksspiel eingestuft. Auch die USK geht in ihrer Antwort auf unsere Presseanfrage auf diesen Umstand ein. Zwar könne man die “genannten Bedenken nachvollziehen”, aufgrund der Unterscheidung des Glücksspielstaatsvertrag gäbe es allerdings “für ein generelles Verbot des Spielangebots für Kinder und Jugendliche keine Rechtsgrundlage.”

In anderen Ländern musste sich Hersteller Electronic Arts in den letzten Jahren wiederholt vor Gericht verteidigen. Nachdem das Lootbox-System in den Niederlanden zunächst unter Strafe gestellt wurde, ging Electronic Arts in diesem Jahr erfolgreich in Berufung. Nun sind wie in Spanien und Australien neue Reglementierung in Sicht, die Lootboxen als illegal einstufen könnten. In Belgien ist dies bereits der Fall und zuletzt folgte ein österreichisches Bezirksgericht dem belgischen Beispiel. Das Electronic Arts hierbei wenig Offenheit zur Veränderung zeigt, mag indes damit zusammenhängen, dass der Ultimate-Team-Modus für den kanadischen Spielehersteller äußerst profitabel ist. Für das vergangene Geschäftsjahr steigerte sich der netto Gesamtumsatz des Unternehmens um eine halbe Milliarde auf 7,426 Milliarden Dollar (bei einem Gewinn von 802 Millionen Dollar). Nur ein kleiner Bruchteil davon geht auf den Verkauf von Vollversionen zurück. Mit bis zu 74 Prozent machen sogenannte Live-Services wie die Kartenpacks aus FUT den Großteil des Gesamtumsatzes von Electronic Arts aus, wie der Kicker berichtete.

Die Relevanz von FUT lässt sich auch anhand eines Leaks spekulieren. In einer im Jahr 2021 veröffentlichten internen Power Point des Unternehmens hieß es unter anderem, man müsse alles unternehmen, um die Spieler:innen zum Spielen von Ultimate-Team zu bewegen.

Mit dem Wohlergehen von Jugendlichen spielt man nicht

Doch selbst, wenn man die umstrittene Spielmechanik rechtlich nicht als Glücksspiel anerkennt, ergeben sich einige Fragen zum Jugendmedienschutz. Zum einen ist das System der Spielkarten intransparent gestaltet, sodass es schwerfällt, den realen Gebrauchswert eines Kaufes einzuschätzen. So existieren neben den normalen goldenen Kartenpacks etliche Zusatzpacks, deren Wert sich auf bis zu 30 Euro belaufen kann und die zudem ereignisabhängig erscheinen. Für Kinder, Jugendliche und Heranwachsende kann der genaue Gegenstand eines Kaufs dadurch schwer nachvollziehbar sein. Erwachsene, die das nicht glauben können, sollten mal selbst versuchen, das Ökosystem hinter FUT nachzuvollziehen. Angesicht der Bedeutung von guten Spielkarten für ein erfolgreiches Spiel besteht zudem ein großer Handlungsdruck, der noch dadurch größer wird, dass das Spiel die Spieler*innen stetig durch softwareinterne Werbung, Animationen und besondere Angebote in das Ökosystem von FUT bewegen möchte.

Ob eine erhöhte Altersbeschränkung den Zugang zum Spielmodus erfolgreich reglementieren oder ein Umdenken bei den Entwickler*innen anregen wird, bleibt hingegen unwahrscheinlich. Wer das Spiel über gängige Plattformen erwerben möchte, muss lediglich eine einfache Alterseingabe tätigen. Klar, in der Theorie bieten Microsoft, Sony und Co. Einstellungen zum Jugendschutz an, sodass Chatkanäle und In-Game-Käufe für Gaming-Accounts gesperrt werden können. Damit legt man aber die Verantwortung von den Anbieter*innen hin zu den Eltern und Angehörigen junger Computerspieler*innen. Viele Eltern dürften jedoch schon mit dem Medium an sich fremdeln, und genauso verleihen ihnen diese Jugendschutzeinstellungen eine große Macht über den Medienkonsum ihrer Kinder. Auf der Plattform des Xbox-Herstellers Microsoft können Eltern beispielsweise genaue Bildschirmzeiten je nach Spielsoftware einstellen und sich sämtliche Aktivitäten ihres Kindes anzeigen lassen.

Schon der letzte Teil der Fußballsimulation gehörte zu den beliebtesten Spieltiteln unter Jungen und männlichen Jugendlichen, und das ist auch verständlich, denn es gibt auf dem Markt aktuell keine Software, die das Spielgeschehen des echten Fußballs so erfolgreich umzusetzen weiß. Die Neubewertung von EA Sports FC 24 halte ich für einen Schritt in die richtige Richtung. Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen stehen immer wieder vor dem Problem, dass sie auch zur Bevormundung und Einschränkung von Kinderrechten genutzt werden können. Eine einfache Antwort lässt sich auch im Fallbeispiel EA Sports FC 24 nicht finden. Eins scheint jedoch klar: Nichtig wie profitabel, Spielehersteller sollten nicht fahrlässig mit dem psychischen Wohlergehen ihrer Spieler*innen umgehen.