Lösungsansätze für die Krise des Journalismus
Die aktuelle Krise des Journalismus bei den etablierten Medienunternehmen wie ARD, ZDF oder der TAZ zu beleuchten und analysieren war ein Ziel für die beiden Medienwissenschaftler aus Tübingen, Panagiotis Fotiadis und Thanh Mai Tran. Daraus entstanden ist die Reportage „Journalisten unter Druck – Eine Krise ohne Ausweg“. Mit diesem Bachelor-Abschlussfilm zeigen die beiden Studierenden auch interessante Lösungswege. Wie man mit individuellen digitalen Ideen journalistisch arbeiten und Geld verdienen kann: Handmade digital Journalism.
von Oliver Häußler
„Fake News, „Lügenpresse“, Verschwörungstheorien und „systemgesteuerte Medien“ – Beschreibungen, die momentan wie ein Schleier über unserer Medienlandschaft liegen. Was und wem die Bürger Vertrauen schenken, ist zu einer Kernfrage unserer Zeit herangewachsen. In den Kommentarspalten der Sozialen Netzwerke scheint es zu einer gefühlten Verunsicherung gekommen zu sein.“
– Zitat aus der Bachelor-Arbeit
Hier der komplette Abschlussfilm:
Ein gefühlter Verstrauensverlust in die Medien und eine mangelhafte Transparenz der Medien war der Ausgangspunkt für die filmische Analyse der Krise des Journalismus. In ihrem Film besuchten die beiden MedienwissenschaftlerInnen die Journalistin Isabel Schayani, 50 Jahre alt, die für den WDR und die Tagesschau arbeitet. Mit Isabel Schayani legten die Autoren den Fokus auf eine ältere Generation. Die WDR-Journalistin war Teil des experimentellen Formates „Sag’s mir ins Gesicht“, das sich Transparenz auf die Fahnen schrieb. Daneben war Stephan Ebmeyer der jüngere Gegenpol. Der SWR-Journalist hat in Tübingen sein Diplom in Medienwissenschaft gemacht und arbeitet für das Format #kurzerklärt. Für ihn ist die Social Media-Arbeit und die Kommunikation mit den Zuschauern gewollter Alltag.
Desweiteren drehten die Autoren bei einem Projekt der TAZ mit der jungen Journalistin Malaika Rivuzumwami. Dabei versuchte die TAZ mit dem Projekt „Meinland“ mehr Kontakt zu den Leserinnen und Lesern aufzubauen. Außerdem organisierte sie dazu eine Diskussionsveranstaltung zum Wahlkampf in Burlandingen-Melchingen. Zudem interviewten die beiden jungen MedienwissenschaftlerInnen als Experten Elmar Teweßen, stellvertretender Chefredakteur vom ZDF sowie den Mainzer Medienwissenschaftler Prof. Dr. Oliver Quiring, der zu Vertrauen in die Medien forscht.
Darüber hinaus portraitieren Joti und Mai als Gegenpol zu den etablierten Medien vier StartUps und deren Tools, die mit spannenden Ideen im Medienbereich Erfolg haben:
Perspective Daily – Web-Magazin
Perspective Daily arbeitet nach dem Prinzip des konstruktiven Journalismus. Pro Tag erscheint ein Artikel, insgesamt fünf in der Woche. Und diese Artikel kommunizieren neben den Fakten auch Lösungsmöglichkeiten und regen zur Diskussion in der Community an. Das Web-Magazin finanziert sich über Mitgliedsbeiträge.
Fasziniert hat die Autoren Joti und Mai, dass die Gründer Maren Urner und Han Langeslag Neurowissenschaftler sind. Und ihrer Meinung nach werden die wirklich dringenden Probleme der Menschheit nicht umfassend thematisiert. Daher plädieren sie für einen lösungsorientierten Journalismus. Das Besondere: Im Unterschied zu vielen Medien werden alle Quellen im Text genannt und verlinkt, was zu einer größeren Transparenz beitragen soll.
Opinary – Meinungsradar
Ein Tool, das man vor allem unter Onlineartikeln findet. Darin wird eine Frage gestellt, zu der Leser per Mausklick ihre Meinung ausdrücken. Im Anschluss an ihr persönliches Voting erhält der Nutzer einen visualisierten Überblick über das Meinungsbild aller Nutzer, die an der Umfrage teilgenommen haben. Fast alle Leitmedien in Deutschland binden das Tool ein. Und international verwenden es die britische Times, der Guardian und Redinery29.
Opinary finanziert sich über Video-Ads und Datenhandel. Dabei hat Openary einen Algorithmus entwickelt, der anhand des Artikel-Inhalts erkennt, welches Meinungstemplate zum Artikel passt. So kann unter einem Beitrag über Ökostrom automatisiert ein von Toyata bezahlter Meinungskompass eingebunden werden. Wer abstimmt, bekommt dann eine Anzeige für Toyota Hybrid-Fahrzeige angezeigt.
Besonders fasziniert hat die Autoren das Ziel der drei Unternehmer: Sie möchten Nutzer zu Interaktion und Meinungsaustausch bewegen. Und dies möchten sie vor allem außerhalb von Filterblasen der Nutzer vorantreiben.
DerKontext – StartUp
DerKontext sammelt Hintergrundinformationen zu verschiedenen Themen und stellt diese auf seiner interaktiven Internetseite zur Verfügung. Dort kann man als Mitglied auf alle Inhalte zugreifen. Dabei finanziert sich DerKontext durch die Einnahmen der Mitgliederbeiträge sowie durch die Vermarktung der Software, mit der die Webseite betrieben wird.
Hieran fasziniert hat Joti und Mai, dass diese Plattform eine völlig neue Art ist, Inhalte aufzubereiten. Denn sie zeigt sehr detaillierte Informationen zu einem Thema und erweitert diese beliebig.
Stimmtdas.org
Stimmtdas.org ist ein Faktencheck Portal. Es überprüft Aussagen von Politikern und stellt dar, ob diese stimmen, nicht stimmen, teilweise stimmen, irreführend sind oder überdramatisieren. Dazu gibt es jeweils einen Artikel mit allen Quellen, die die Aussagen belegen, widerlegen oder kontextualisieren. Dabei wird Stimmtdas.org teilweise von dem Unternehmen Opinary mitfinanziert.
Hier hat die Autoren das Konzept vor allem wegen der Art und Weise fasziniert , wie die Aussagen der Politiker analysiert werden. Alle Quellen werden offengelegt und geben dem Leser die Möglichkeit, den Artikel nachzuvollziehen.
Kurz & bündig
Der Film und die dazugehörige Bachelor-Arbeit zeigt, wie medienwissenschaftlich, kritisch und doch praxisnah ein Studium der Medienwissenschaft sein kann.
Kurzporträts der Studierenden
Panagiotis Fotiadis
„Auf der Suche nach einem Thema für unsere Bachelor Arbeit haben Mai und ich gemerkt, wie sehr wir uns über die ganzen Hasskommentare auf Facebook aufgeregt haben. Deswegen wollten wir unbedingt wissen, wie Journalisten zu der ganzen Sache stehen und das war dann auch der erste Anstoß für den Rest unserer langen Recherche.“ Darüber hinaus hat Joti nach seinem Bachelor-Abschluss ein Volontariat beim SWR begonnen. Doch sein Bier trinkt er in Tübingen am liebsten im Ribi: „Gemütliche Atmosphäre und lässige Leute“.
Thanh Mai Tran
Mai nennt sich selbst einen leidenschaftlichen „Foodie“ und dreht nebenberuflich mit ihrer Schwester Hochzeitsfilme. Und nach dem Bachelor-Abschluss möchte sie ihren Fokus verstärkt auf diese Arbeit legen und im Wintersemester 2018/19 einen Master im Bereich Unternehmenskommunikation starten.