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Kommunikation in Online-Foren

Zwischen Empowerment und Beleidigungen

Von Smilla Haendel

Beleidigungen und Hasskommentare sind in Online-Communities keine Seltenheit. Auf der anderen Seite kann das Mitwirken in einer virtuellen Gemeinschaft auch zahlreiche Vorteile bringen und  sogar eine bestärkende Wirkung auf bestimmte Personengruppen haben. Was macht also die funktionierende Kommunikation in E-Communities aus? Ein Erklärungsversuch.

Die meisten Internetnutzenden werden es bereits erlebt oder zumindest beobachtet haben: Eine scheinbar harmlose Diskussion in einem Online-Forum entgleist und mündet schließlich in einem wilden Durcheinander aus gegenseitigen Beschimpfungen. Um die Beantwortung der Ausgangsfrage geht es längst nicht mehr. Stattdessen dreht sich jetzt alles um einzelne User und deren angeblich unpassendes Verhalten innerhalb der Community. Dabei sollen Internet-Gemeinschaften doch eigentlich verbinden. Sowohl Menschen mit gleichen Interessen („Communities of Interest“) als auch Personen, die durch andere Umstände miteinander verbunden sind („Communities of Circumstance“) wird hier die Möglichkeit zum Austausch geboten. Auch Communities „of Purpose“ (Zweckgemeinschaften), „of Practice“ (Tätigkeitsgemeinschaften) und „of Knowledge“ (Lerngemeinschaften) gibt es. In den meisten kommt es regelmäßig zu Reibereien zwischen den Usern – in einigen aber häufiger als in anderen. Wovon hängt es also ab, ob Communities eine bestärkende bzw. produktive Gesprächsatmosphäre fördern, oder im Gegenteil eine toxische?

Ein Facebook-Beispiel für eine sogenannte Community-Netiquette: ein Regelwerk für die Kommunikation in E-Communities. Bild: Smilla Haendel

Moderation – aber in Maßen

Gruppendynamiken sind im Alltag keine Seltenheit. Schon zu Schulzeiten auf dem Pausenhof gab es meist die eine Person, die in der Clique das Sagen hatte. Andere Gruppenmitglieder fügten sich in der Regel dem oder den „Leader(n)“, oder mussten mit sozialen Sanktionen rechnen – z.B. dem Ausschluss aus der Gruppe. Solche Hierarchien sind ein natürlicher Bestandteil jeglicher sozialer Gemeinschaften. So auch von Online-Communities. Hier übernehmen sogenannte Moderator*innen eine führende und kontrollierende Rolle im virtuellen Raum. Zu ihren Aufgaben gehören etwa das Löschen themenfremder oder beleidigender Beiträge. Was als unpassend eingestuft wird, bestimmt die Community-Netiquette“ – eine Reihe von Regeln für die respektvolle Kommunikation im Netz. Dieser muss man als User häufig per Klick zustimmen, um der Gruppe beitreten zu dürfen.

Moderator*innen sorgen in Online-Communities wie hier bei Facebook für Ordnung, indem sie User sanktionieren können. Bild: Smilla Haendel

Als „Trolle“ werden in der Fachsprache Mitglieder bezeichnet, die immer wieder gegen die Netiquette verstoßen und für Unruhe in der Community sorgen. Bei schweren oder zu häufigen Verstößen liegt es in der Verantwortung der Moderatorin oder des Moderators, diese Unruhestifter zu verwarnen und im Zweifelsfall zu sperren. Andererseits ist auch das Hervorheben wertvoller Beiträge und Loben von Mitgliedern wichtig, um zum Posten und Mitdiskutieren anzuregen. Moderator*innen sollten also die richtige Balance zwischen Kontrolle auf der einen und Motivation der Community auf der anderen Seite finden. Dass dazu echte Sozialkompetenz nötig ist, wird klar, wenn man die schiere Mitgliederanzahl mancher E-Communities bedenkt – z.B. die einiger Facebook-Gruppen.

Pseudonyme als Deckmantel der Identität

Nicht nur übertriebene oder mangelnde Verhaltenskontrolle kann die friedliche Kommunikation in virtuellen Foren stören. Auch der Grad der Anonymität, den Mitglieder je nach Plattform wahren können, spielt eine Rolle für das Online-Miteinander. Wie genau sich Pseudonymisierung auswirkt, ist jedoch wissenschaftlich umstritten. Die Anomie-These besagt zum Beispiel, dass die Verschleierung der eigenen Identität im Internet antisoziales Verhalten begünstigt. Das liege daran, dass User durch den Deckmantel ihres Nutzernamens nicht für Äußerungen zur Verantwortung gezogen werden können, wie es im Alltag der Fall wäre. Dadurch trete vermehrt sogenanntes „Flaming“ auf – das sind aggressive Beschimpfungen im Online-Kontext. Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass Flaming häufiger in solchen Communities vorkommt, in denen die Offline-Identität der Nutzer*innen keine (große) Rolle spielt. Beschimpfungen kämen also in kleineren, geschlossenen Gruppen weniger oft vor als beispielsweise in offenen Facebook-Gruppen, weil sich die Mitglieder der ersten Gruppe vermutlich näher stehen als die der zweiten. Gegen diese Theorie spricht allerdings, dass viele Community-Mitglieder ihre Pseudonyme so wählen, dass sie Rückschlüsse auf die dahinter stehende Person zulassen. Der Nickname „Fußball_Toni99“ ließe z.B. neben dem Vornamen auf das Geburtsjahr und ein Hobby des Users schließen. Theorien zufolge geben Menschen also durchaus gerne Informationen über sich Preis, um die Online-Kommunikation persönlicher zu gestalten.

Anreize für Regulars

Die verschiedenen Motivationen der Mitglieder von Online-Communities können ebenfalls entscheidend für positive oder negative Dynamiken innerhalb der Gemeinschaft sein. Kommt ein User etwa als Hilfesuchender in ein Forum zum Thema Videobearbeitung, oder möchte er sein Fachwissen mit anderen teilen, um Anerkennung zu erhalten? Belohnungen für besonders hilfreiche Antworten oder starke Beteiligung an Diskussionen regen oft zu Konkurrenzdenken an und führen zu Aggressionen zwischen Mitgliedern. Besonders Aktive – sog. „Regulars“ können auf einigen Plattformen sogar bestimmte Sondertitel oder z.B. goldene Sternchen neben ihrem Nutzernamen erwerben, die sie als besonders wichtigen Teil der Community ausweisen. Ohne diese User, die die Kommunikation am Laufen halten, geht es aber natürlich auch nicht. Auch hier gilt wieder: eine Mischung aus unterschiedlich motivierten Nutzer*Innen ist für eine funktionierende Online-Gemeinschaft wohl am besten.

Besserwisserei führt in Online-Foren wie hier bei Facebook oft zu Reibereien. Bild: Smilla Haendel

Etwas anders ist das bei Communities, die auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Man denke hier beispielsweise an gesellschaftliche Randgruppen, die versuchen, über den Weg der Online-Kommunikation eine Stimme zu erhalten. Je aktiver die Community, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich der Diskurs auf die Agenda der Massenmedien ausweitet. Die LGBTQ-Community etwa ist online bekanntlich sehr präsent. Sicherlich hat auch dies dazu beigetragen, dass queeren Menschen zumindest in vielen westlichen Ländern inzwischen mit immer mehr Akzeptanz begegnet wird.  

Wenn Online-Engagement in organisierten Gruppen und Foren also identitätsrelevant wird, dann empowern (also bestärken) uns virtuelle Communities. Es gibt viele weitere Beispiele für diesen sog. „Online-Aktivismus“ und wie er sich auch in der Offline-Welt auswirkt. Einen Artikel dazu könnt ihr hier lesen. Neben gegenseitiger Bestärkung gehören aber eben auch Konflikte, wie „Flaming“, zum Austausch im Netz. Im Offline-Leben ist das ja auch nicht anders.

Quellen:

Döring, Nicola. (2010). Sozialkontakte online: Identitäten, Beziehungen, Gemeinschaften. 10.1007/978-3-531-92437-3_7