Willkommen in Jurassic World
von Marius Lang
Der Park ist eröffnet. Nach 22 Jahren ist der Traum von John Hammond (damals gespielt von dem verstorbenen Richard Attenborough) endlich in Erfüllung gegangen. Und nun strömen täglich tausende von Besuchern auf die Isla Nublar vor der Küste Costa Ricas um diesen Traum zu sehen. Ein Park voller Wesen, die vor rund 64 Millionen Jahren die Erde beherrschten. Willkommen in Jurassic World.
Jurassic World ist der vierte Teil in einer Reihe, die sich in erster Linie dadurch auszeichnet, dass ihr erster Teil (Jurassic Park (1993)) hinlänglich als ein Meilenstein der Filmgeschichte bekannt ist, wohingegen seine ersten beiden Fortsetzungen (The Lost World: Jurassic Park (1997)) und Jurassic Park III (2001)) allgemein als, sagen wir, enttäuschend in Erinnerung blieben. Als Fan des ersten Teils war ich dementsprechend gespannt, wo genau dieser vierte Teil rangieren würde. Die grundsätzliche Idee dahinter wirkte vielversprechend: Jurassic World ist die Erfüllung der Vision des ersten Teils: Ein funktionierender Freizeitpark voller Dinosaurier, wieder zum Leben erweckt durch das Wunder unmöglicher Wissenschaften.
Es ist dann auch der erste Blick in den Park selbst, der eben die Faszination auslöst, die damals der erste Film ausgelöst hatte. Da gibt es einen Streichelzoo voller Jungtiere für die Kinder, Ritte auf dem Rücken eines Triceratops, Fütterungen von gewaltigen Mosasauriern und Safaris in seltsamen Kugelsphären durch die Steppen voller riesiger Pflanzenfresser. Alles, natürlich, absolut sicher und ungefährlich, alles läuft nach Plan: Man hat eben, um bei John Hammonds Worten aus dem ersten Teil zu bleiben, keine Kosten gescheut.
Neue Helden
Der Film ist eine astreine Fortsetzung der bisherigen Reihe, nicht etwa ein Reboot. Bedauerlicherweise gibt es jedoch keinen Gastauftritt oder auch nur ein Cameo von Laura Dern, Sam Neill oder Jeff Goldblum, den Helden des ersten Teils. Überhaupt ist lediglich B.D. Wong in der Rolle des Dr. Henry Wu ein aus Jurassic Park bekanntes Gesicht, zumindest unter den menschlichen Stars (eine weitere „Heldin“ des ersten Teils absolviert noch ihr großes Comeback). Die Abwesenheit bekannter Gesichter ist bedauerlich, aber grundsätzlich zu verschmerzen. Der Start in die neue Ära des Franchise wird dagegen von neuen Helden getragen. Wieder einmal haben wir die Dynamik von zwei Kindern, Gray (Ty Simpkins) und sein älterer Bruder Zach (Nick Robinson) die von ihren Eltern, die sich gerade inmitten einer Scheidung befinden, zu ihrer Tante Claire (Bryce Dallas Howard) nach Jurassic World verabschiedet werden. Claire arbeitet im Park in einer Art Management-Posten und nimmt die eine Hälfte des Hauptrollenduos ein. Ihren krassen Gegenpol findet sie in Owen Grady, ein Ex-Militär, der jetzt in Jurassic World als Wärter und Trainer der Velociraptoren arbeitet.
Mehr Zähne
Nachdem nun also der Park seine Tore geöffnet hat, finanziert durch den neuen Besitzer Simon Masrani (Irrfan Khan) und absolute Kontrolle über die bestehenden Tiere gewährleistet scheint, muss, in klassischer Manier, der Mensch erneut Gott spielen und so erschaffen die Wissenschaftler des Parks unter Dr. Wu den Indominus Rex, den ersten Hybrid-Dinosaurier. Größer als der T-Rex, hochintelligent, ausgestattet mit allerlei ominösen Extras, wie der Fähigkeit sich zu tarnen und der Fähigkeit, Wärmestrahlung wahrzunehmen, und, offenbar, völlig psychotisch. Klar, dass der Schuss, statt neue Gäste anzulocken, gehörig nach hinten losgeht. Der I-Rex überlistet, oh Wunder, die Wärter, entkommt und tötet sich fortan eine Schneise zum Park selbst, wo in Form von 20.000 Besuchern eine riesige Schlachtplatte auf ihn wartet. Claire und Owen müssen sich zusammenraufen und dabei zu immer unorthodoxeren Methoden greifen, um das hochintelligente und fast schon absurd grausame Tier zur Strecke zu bringen. Klar, dass dabei so mancher auf der Strecke bleibt. Und irgendwo im Park sind ja auch noch Claires Neffen, die ebenfalls gerettet werden müssen. Es ist also viel zu tun.
Schwächen im Drehbuch
Der Film schafft es, die geradlinige und bisweilen vorhersehbare Story doch recht fesselnd rüberzubringen. Dabei liegt der Fokus des menschlichen Dramas klar auf Owen und Claire, sowie den beiden Jungs. Einige interessante Nebenfiguren bleiben dabei allerdings leider auf der Strecke: Hervorzuheben sind hierbei Omar Sy als Owens Freund und Kollege Barry vom Raptorengehege, der immer wieder spontan von der Bildfläche verschwindet, obwohl er in den Momenten, in denen er vorkommt, definitiv eine der sympathischsten Figuren ist. Selbiges gilt für Lowery, den IT-Fachmann vom Dienst, brillant verkörpert von Jake Johnson und Irrfan Khans Simon Masrani, von dem man, als John Hammonds Nachfolger, doch mehr Tiefgang und Screentime erhofft hatte. Ebenfalls blendend dargestellt aber wenig genutzt, ist der schmierige Sicherheitschef Vic Hoskins, verkörpert vom immer wieder großartigen Vincent D’Onofrio als völlig überzogener Bösewicht, der es sich in den Kopf gesetzt hat, Owens Raptoren für militärische Zwecke zu nutzen. Klingt nach einem fantastischen Plan, bei dem überhaupt nichts schief gehen kann.
Ich schreibe hier von den Nebenfiguren, vor allem weil die Story der beiden Hauptfiguren nicht sonderlich interessant ist. Die Romanze zwischen Owen und Claire wirkt gezwungen und Owens Arbeit mit den Raptoren ist um Längen interessanter als sein Kontakt zu anderen Menschen. Dies ist vor allem ein Fehler des Scripts, nicht der Darsteller. Chris Pratt ist erwartungsgemäß erneut ein fantastischer Hauptdarsteller, der vor Charisma nur so überquillt, Bryce Dallas Howard macht ebenfalls eine gute Figur, mit dem was das Drehbuch hergibt. Leider ist eine weitere Schwäche des Buches das etwas mangelhafte Frauenbild des Filmes. Claire ist natürlich eine humorlose, steife Karrierefrau, die sich an ihren sexy Raptoreflüsterer hält. Wären die Charaktere besser geschrieben, es gäbe keinen Grund sich zu beklagen. Demgegenüber ist die Chemie der beiden Jungen, Zach und Grey gut gelungen, allerdings auch Grundlage eines Scheidungs-Nebenstrangs der Handlung, der ebenso plötzlich aufgegriffen wie wieder fallen gelassen wird. Danach redet niemand mehr davon, vermutlich aus gutem Grund. Schließlich sind wir alle nicht hier um menschliches Drama zu sehen.
Ein Werk eines Fans
Nein, wir sind hier, um geballte Dino-Action zu sehen. Und davon gibt es beileibe nicht zu wenig. Der I-Rex ist ein überraschend wirksamer Antagonist, er wirkt so viel besser als der Spinosaurus aus Jurassic Park III. Der I-Rex ist eine designte Schöpfung, der perfekte Killer, der seinen Platz in der Welt austestet. Und dabei alles tötet, was ihm in den Weg kommt. Auch die Raptoren bekommen durch ihr Spiel mit Owen Neues zu tun. Entgegen der Erwartungen sind sie aber nicht handzahme Haustiere, sondern immer noch wilde Tiere, brutal und brandgefährlich.
Was auffällt ist, dass Jurassic World klar ein Werk eines Fans des ersten Teils ist. Regisseur Colin Trevorrow verweist in seinem Film somit auch mehrfach auf das Original, ob es nun das Jurassic-Park-Shirt von Lowery, welches Claire für geschmacklos hält, ist oder der Besuch der Kinder in den Ruinen des alten Parks. Alles sieht aus wie damals, nur verfallen und zugewuchert. Auch das Design des Parks zeugt von der Liebe zum Original, der Vision eines Mannes, der sich als Kind in die Idee eines solchen Parks verliebt hat. Und dann ist da natürlich der Höhepunkt des Films: Es ist unmöglich, davon ausführlich zu reden, ohne den Film zu spoilern, doch so viel kann gesagt sein: Es fantastisch. Eine alte Bekannte macht ihr großes Comeback und am Ende kann man sagen, dass es sich nur dafür gelohnt hat, als Fan des Originals den Film zu sehen. Es ist schon fast so gut, dass dadurch alle Schwächen des Drehbuchs ausgehebelt werden könnten. Der finale Moment des Films ist dementsprechend der perfekte „All hail to the Queen“-Moment. Auch der Soundtrack des Films zeugt von Liebe zum Original. Komponist Michael Giacchino webt dabei in seine eigenen phänomenalen Stücke die Filmmusik von John Williams aus dem ersten Teil ein.
Abschließend kann gesagt werden, dass Jurassic World durchaus einen Besuch wert ist. Auch wenn er nicht ganz mit dem Original mithalten kann, ist es doch die mit Abstand beste Fortsetzung der Reihe, die in mir wieder diese kindliche Faszination eröffnete. Gepaart mit viel Liebe zum Original, sympathischen, wenn auch flachen Hauptfiguren und einem fantastischen Soundtrack, werden die gröbsten filmischen Schwächen erträglich gemacht. Doch gänzlich gerettet wird der Film durch das Finale. Viel Spaß damit!
Fotos: © Universal Pictures
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