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Identität – so what?

Identitätsentwicklung und soziale Medien

Von Anna-Sophie Nolte

83% der Kinder und Jugendlichen verbringen täglich etwa drei Stunden in Sozialen Medien. Das trägt zur Entwicklung der Persönlichkeit bei und beeinflusst die Identität der Nutzer*innen. Doch welchen konkreten Einfluss haben Medieninhalte im Netz auf ihre jungen Rezipient*innen?

Identität beschreibt, wie ein Mensch sich fühlt und sich selbst wahrnimmt. Jedes Individuum besitzt eine eigene Identität, welche es von Anderen unterscheidet. Die Identität steht immer in Verbindung mit Anderen und zu einem größeren Kollektiv. Dabei finden die ganze Zeit Veränderungs- und Anpassungsprozesse der Identität, beeinflusst von der eigenen Umwelt, statt. Besonders das Jugendalter steht für eine kritische Phase der Identitätsbildung, in welcher Unsicherheiten überwunden werden, Individuen sich ihren Stärken und Schwächen bewusst werden und Vertrauen in sich selbst entwickeln. Wichtig dabei ist die Interaktion mit Gleichaltrigen und Bezugspersonen, denn die Identität muss von anderen anerkannt und bestätigt werden. Einflüsse auf die Identitätsentwicklung sind somit Feedback, Denken, Beobachtung, welches Lernen anhand von Vorbildern meint, Probehandeln und das Handeln an sich.

Identitätsmanagement

Beim Identitätsmanagement geht es darum, Informationen für andere zugänglich zu machen, um sich gleichzeitig mit sich selbst auseinander zu setzen. Dabei stellt sich die Frage: „Wer bin ich?“ Informationen können in verschiedenen Formen auftreten, wie z.B. durch gepostete Inhalte oder Kommentare. So werden dem eigenen Netzwerk und dem Individuum selbst Informationen über seine Zugehörigkeit und Position in der Welt gegeben. Mit der Selbstdarstellung des eigenen Selbst verfolgen die Nutzer*innen allerdings auch das Ziel, zu einem Kollektiv zugehörig zu sein. Die Selbstdarstellung ist dabei oft gezielt gesteuert, was bewusst einen bestimmten Eindruck vermitteln soll. Die Praxis des Beziehungsmanagements ist ein wichtiger Punkt für die Nutzung Sozialer Medien, weil der Mensch einen Platz in der Gesellschaft sucht, indem er online bestehende Beziehungen pflegt und neue knüpft. Durch das Kommentieren und Bewerten von Inhalten findet eine Positionierung der Nutzer*innen in der Gesellschaft statt. Heranwachsende sind gefordert, verschiedene Identitätsmuster auszuprobieren, um die an sie gestellten unterschiedlichen, teils widersprüchlichen, Lebensanforderungen erfüllen zu können. Trotz möglicher Vielfalt und Diversität bleibt es das Ziel der Heranwachsenden, eine konsistente und überdauernde Identität auszubilden.

Selbstdarstellung und Selbstbild

Die eigene Identität wird heutzutage immer mehr zu einem Puzzle unterschiedlicher Teilidentitäten und somit zu einer flexiblen und offenen Struktur. Es wird immer wichtiger, online seine eigene Individualität hervorzuheben. Dafür nutzen Jugendliche den Handlungsraum der Sozialen Netzwerke, um Entwürfe der eigenen Identität zu produzieren, zu präsentieren und auf Akzeptanz zu prüfen. Was nicht passt, wird in Sozialen Medien passend gemacht. Es ist wesentlich, Einzigartigkeit zu betonen und  aus der Masse hervorzustechen, um gewünschte Reaktionen, wie möglichst viele Likes und Kommentare, zu erzielen. Es gibt oft Verknüpfungen der Online-Welt in die sich offline abspielende Lebenswelt, insbesondere in Bezug auf die Peer Groups. Oft sind Freunde nicht nur ein Grund für die eigene Registrierung und die Aktivitäten in Sozialen Medien, sondern auch sehr wichtig in der Beurteilung und Auswahl selbstdarstellender Inhalte. Die Selbstdarstellung in den Sozialen Medien kann die Entwicklung des Selbstbildes durchaus fördern. Problematisch wird es aber dort, wo Realitäten verzerrt wahrgenommen werden. Scheinwelten und Perfektionismus können der Entwicklung eines stimmigen und positiven Selbstbildes schaden. Früher fanden die Vergleiche in einem kleineren Rahmen statt, heutzutage können Vergleiche innerhalb eines globalen Netzwerkes stattfinden. Es finden sich auf Social Media viele vermeintliche Ideale und Vorbilder. Besonders Influencer*innen treten innerhalb der Sozialen Netzwerke sehr nahbar auf, wodurch die Nutzer*innen häufig Vergleiche zu ihrem eigenen Leben ziehen. Hinter den Kulissen geht es allerdings meistens um Marketing. Dadurch werden (Rollen-)Bilder, die nicht zwingend der Wirklichkeit entsprechen müssen, und an denen sich Nutzer*innen orientieren, vermittelt. Netzwerke der Perfektion entstehen, weshalb sich die Nutzer*innen folglich meist selbst viel abverlangen. Dadurch entwickelt sich die Gefahr für Selbstzweifel und es entsteht ein hoher Druck. Das Selbstbild kann so leicht negativ beeinflusst werden.

Was können wir tun?

Soziale Netzwerke sollten reflektiert und kritisch betrachtet werden. Allerdings sollte davon abgesehen werden, sie zu verteufeln, denn sie schaffen auch einen Raum, um ein gesundes Selbstbild zu entwickeln. Es wird ein Herumexperimentieren, die Kommunikation und der Austausch mit Anderen und der eigenen Peer Group ermöglicht. Damit sich ein stimmiges Selbstbild entwickeln kann und kein Schaden bei den Nutzer*innen entsteht, ist ein kritischer, verantwortungsvoller Umgang mit sozialen Netzwerken wichtig. Bezugspersonen wie Eltern und Pädagog*innen tragen eine große Verantwortung. Denn eine Vermittlung von falschen Idealen und Werten in den Sozialen Medien können dazu beitragen, dass ein negatives Selbstbild entsteht und Auswirkungen auf die Identitätsentwicklung folgen. Gerade in der Pubertät, in welcher Jugendliche vermehrt unsicher und selbstkritisch sind, ist der Einfluss von Sozialen Medien nicht zu unterschätzen. Die Nutzung Sozialer Netzwerke birgt ebenfalls Gefahren in Bezug zu privaten Daten und Inhalten. Es besteht das Risiko von Cybermobbing, Datenmissbrauch oder Stalking. Trotz dessen sind Medien zunächst weder als gut noch als schlecht zu bewerten, denn es kommt immer darauf an, wie man diese nutzt. Es gilt, kritisches Denken zu fördern, anzuregen, Authentizität zu wahren, das Selbstbewusstsein zu stärken und bei Bedarf Unterstützung und Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Quellen:

https://maikecoelle.de/wp-content/uploads/2016/04/identity.jpg

https://www.grin.com/document/1159568

https://www.nibis.de/uploads/1chaplin/files/mediensozialisation_schorb_medienwelt.pdf

https://www.apomio.de/blog/artikel/wie-soziale-medien-das-selbstbild-jugendlicher-beeinflussen

https://arbeitsblogfortbildung.files.wordpress.com/2015/05/hajok_zerbin_identitaetsbildung_064_tvd72.pdf