Florentin will nur spielen
von Sanja Döttling
Florentin Will ist jung und hat bereits die Fernsehwelt im Sturm erobert: Er ist fester Bestandteil von Jan Böhmermanns „NEOMagazin“, ein Teil des Online-Projekts „zuio“ des Springer-Verlags und hat Frank Elsterns Moderatorenschule absolviert. Dabei ist er jünger als ein Großteil des Publikums im Ribingurumu am Montagabend, die sich noch immer durch ihren ersten (oder zweiten, oder dritten) Studiengang quälen.
Ein kurzer Werdegang
„Ja, herzlich Willkommen, zu…..mir.“ sagt Will, selbst ein bisschen überrascht. Er scheint nicht genau zu wissen, was er da tut, und was das Publikum eigentlich von ihm erwartet. Er sagt: „90 Prozent der Leute hier kennen mich nicht“, wo er vielleicht Recht haben könnte. Denn Florentin Wills Karriere ist so kometenhaft, dass sie mit bloßem Auge kaum zu verfolgen ist. 2010 hat er sein Abitur gemacht, natürlich war er der Klassenclown. Außerdem war er in der Theater-AG, „es hat mir immer Spaß gemacht, jemand anderes zu sein als ich – was unglaublich depressiv klingt, wenn man das so sagt.“
Danach ein Philosophiestudium, das er allerdings abgebrochen hat. Oder „angefangen“, worauf Moderator Max Scherer eher besteht als Will. Denn Florentin Will hat sich einen Studienabbruch doch anders vorgestellt: „Jemand, der Physik studiert, der sitzt im Labor. Und plötzlich wirft er die Reagenzgläser and die Wand und ruft: Ich habe keinen Bock mehr! Ich bin einfach nicht mehr hingegangen.“ Während dieser Zeit hat er auch einen Podcast gemacht (heute nicht mehr auffindbar). „Damals war ich überhaupt nicht lustig, heute schon“, kommentiert Will. Der Trailer zum Podcast hat 133 Klicks auf YouTube.
Doch dann hat ihn Frank Ester angerufen und Will wird Teil seiner Moderatorenschule. Dann, sagt er, hätte sein Leben erst richtig angefangen: „Ich wurde sein Sohn.“
Frank Elstners Sohn
Die drei Bewerbungsvideos für Frank Elstners Masterclass hat er in der Nacht davor gedreht, „mit meinem Macbook, das ich auf zwei Wäschekörbe und einen Haufen Bücher gestellt habe. Dann hab ich einen Haufen Scheiß erzählt.“ Er drehte ohne Hose, und das sieht man dann leider auch: damit hatte er nicht gerechnet, doch das Feedback ist sehr positiv. Ungewollt wurde es zu seinem Markenzeichen: Hosenloser Will. Im nächsten Video ist einer seiner Hemdknöpfe offen, und wieder gab es bewunderndes Feedback: „Ist das denn so ihr Markenzeichen? fragten sie, als hätte man da einen Diamanten gefunden. Nein, ich bin einfach nur fett. Das hat anscheinend gereicht.“
Sechs Monate lang wurden die Teilnehmer der „Masterclass“ gecoacht. „Dann war ich fertig, dann war ich perfekt“, sagt Will. Man soll ihn nicht ernst nehmen, das macht er immer wieder klar: er ist wandelnde Ironie.
Seine Vorbilder sind Christian Ulmen und Jan Böhmermann: Vertreter der bissigen Satire, die immer einen halben Schritt zu weit gehen. Das hat er auch in seinem Bewerbungsvideo so gesagt, und das war der kleine, unbedachte Moment, der seine Karriere erst so richtig ins Rollen brachte.
Fernsehen für Anfänger
Denn als Frank Elstner in Jan Böhmermann „NeoMagazin“ zu Gast ist, erinnert er sich an den Typen ohne Hose, und daran, dass er Jan Böhmermann als Vorbild gennant hatte. Und schon war Florentin Will Elstners offizieller Begleiter. Die ersten Worte, die Böhmermann zu ihm sagte, lauteten: „Wie ist denn dein Name, Florentin?“ Danach durfte er eine Umfrage machen. „Ich dachte mir: Ich stelle lustige Fragen, dann müssen die Antworten nicht lustig sein. Habe aber dann nicht bedacht, dass diese Umfrage ziemlich fucking awkward wird, wenn niemand antwortet“. Am Ende alles rausgeschnitten. Will fasst zusammen: „Mit einer Entschuldigungsgeste hat alles angefangen.“
In der nächsten Woche darf Will an einem kurzen Beitrag arbeiten. Was aussieht wie ein Tier-Ranking, entpuppt sich als Lied eines blutrünstigen Mader-Möders in einem Metal-Musikvideo mit Nazi-Optik. „Ich dachte, dass wäre so ein einmaliges Reinschnuppern. Das ist einfach so surreal, von dieser Massterclass direkt in die Senung zu kommen“. Will erzählt: „Ich bin da sehr stolz drauf, weil ich das auch als große Ehre fand, dass man da gesagt hat: Mach einfach mal. Ich hatte aber noch nicht die Beweise gehabt, dass ich selbst was kreieren kann. Und man hat mir trotzdem vertraut – mehr Vertrauen, als ich selbst in mich hatte.“
Die Zukunft des Bewegtbildes
Nachdem die Masterclass auslief, gründete der Springer-Verlag die Firma zuio. Sie soll den jungen Moderatoren als Spielwiese dienen, sie bekommen dort Equipment gestellt und eine Plattform geboten, um ihre eigenen Ideen umzusetzen. Ganz ohne Hintergedanken ist das natürlich nicht: „das ist natürlich prestigeträchtig, so eine junge wilde kreative Truppe zu haben.“
Die Truppe nutzt ihre Freizeit aus. Will macht auf der Plattform nicht nur Comedy, sondern auch eine Wissensendung namens Plonquez über Homöopathie, Verschwörungstheorien und was immer ihm einfällt. Will sagt: „Ich finde auch komplett straight ernsthaften Kram spannend. Comedy und ernste Sachen würde ich auch parallel gerne weitermachen.“
Das Projekt soll auch vorbereiten auf das, was Will die „Post-Fernseh-Zeit“ nennt. „Wenn man sich nicht an Youtube-Regeln hält, dann hat man kaum Erfolg.“ Das Projekt zuio soll dass ändern, soll ein neues Publikum vor den Laptop holen. Das Publikum, wie Will es sich vorstellt, ist das studentische Livepublikum, wie an diesem Abend. Doch wir, so Will, haben das Internet noch nicht als Fernsehersatz angenommen. „Die Mission ist eigentlich zum Scheitern verurteilt: Das Publikum, das wir wollen, gibt es noch nicht. Wir müssen das Publikum erst herholen, bevor wir es bedienen können.“
Wie geht es weiter?
Will weiß, was für ein Glück er hatte. Fast schon nachdenklich sagt er: „In meiner Laufbahn wars immer so, dass sich Wünsche zu früh erfüllt haben. Ich musste eigentlich nie wirklich für etwas arbeiten.“ Deshalb kann Will auch keine Tipps geben, wie man am besten ins Showbusiness einsteigt: „Ihr müsst einfach auf das Glück warten. Aber ihr müsst dann auch was in der Schublade haben, falls das Glück euch trifft.“ Will hatte den Podcast aus Studentenzeiten in der Hinterhand. „Da habe ich schon ein gewisses Sendungsbewusstsein entwickelt: Was funktioniert, was nicht. Das muss man dann vorlegen.“
Florentin Will hat mehr erreicht als viele andere in seinem Alter. Doch wie solls weitergehen? Selbst einer Rolle als Tatortkommissar in den nächsten zehn Jahren steht Will offen gegenüber. Wer würde das nicht, bei diesem Aufstieg. „Das klingt so wahnsinnig bescheiden, aber ich bin schon so viel weiter als ich dachte. Deshalb schau ich gar nicht so nach vorne. Natürlich wäre so eine eigene Show geil. Oder mehr als Schauspieler zu arbeiten. Aber ich bin immer so getrieben von anderen Kräften, dass ich gar nicht die Möglichkeit habe, selbst zu gucken, wie es weitergeht.“
Und das alles nur wegen eines Anrufs. Wäre der nicht gekommen, „dann säß ich jetzt genau wie ihr hier im 17. Semester und hätte keine Ahnung, was ich machen will“, fasst Will zusammen.
Als Wandergeschenk für den nächsten Gast, Clemens Schick, lässt Florentin Will eine Locke und einen Hosenknopf da. Der ist auf der Hinreise abgerissen. Und sein Handy hat auch kein Guthaben mehr. Florentin Will hat einiges erreicht und sich doch sein erfrischend unbeholfenes und nicht immer ganz professionelles Auftreten bewahrt.