Die Suche nach dem großen A

Die Suche nach dem großen A

Ob nun in Filmen, Dokumentationen oder Serien, historische Darstellungen haben Hochkonjunktur. Doch ist sie nur ein Instrument, um publikumsansprechende Welten zu schaffen, oder kann aus diesen Formaten auch Wissen gezogen werden? Wir machen uns auf die Suche nach der Authentizität in Serien und TV-Dokumentationen mit historischem Inhalt.

von Marvin Gedigk

Sonntagabend – immer, wenn sich um 20.15 circa acht bis neun Millionen Deutsche vor dem Fernseher versammeln, um den Tatort im Ersten zu schauen, schalte ich meinen Fernseher wieder aus. Mein ganz persönlicher Tatort ist um diese Uhrzeit nämlich schon gelaufen: ich bin nicht dabei, wenn die Idole meiner Münsteraner Heimat, Thiel und Boerne, auf der Mattscheibe ermitteln. Stattdessen beginnt mein eigenes Kultprogramm am Sonntagabend bereits 45 Minuten früher im ZDF: TerraX.

Seit jüngsten Kindertagen verfolge ich die TV-Dokumentationen auf allen Sendern, um meinen Wissensdurst nach historischen Inhalten zu stillen. Die Produktionen des ZDFs haben dabei seit jeher eine besondere Rolle eingenommen, glänzten sie doch oft durch eine moderne Aufmachung und eine unbestreitbare Regelmäßigkeit. Sie wurden für mich quasi zum Geschichtslehrer des Vertrauens – doch es nicht alles Gold, was glänzt.

Die (unterschätzte) Macht

Meiner Passion folgend immatrikulierte ich mich vor einigen Jahren für ein Studium der Geschichtswissenschaften an unserer alma mater Tübingen und spätestens da begann das Bild langsam zu bröckeln. Jeden Sonntag stellten sich mir neue Fragen: „Kann das wirklich so passiert sein, wie es mir bei TerraX gerade präsentiert wird? Warum verkürzen sie die Ereignis-Abfolge so drastisch? Moment, – gibt es da nicht auch noch eine Kehrseite?“

Bei mehreren Millionen Zuschauern in Deutschland hat allein die Sendung TerraX einen großen Einfluss auf das Geschichtsbild der breiten Masse – ganz zu schweigen von zahlreichen weiteren dokumentarischen Sendeformaten. Stereotype, wie vom dunklen Mittelalter, können innerhalb einer Stunde widerlegt oder weiter verfestigt werden. Einzelne Sendungen haben gar das Potenzial, die Sicht einer gesamten Gesellschaft auf ein Thema grundlegend zu verändern oder dieses überhaupt erst zugänglich zu machen – so geschehen beispielsweise durch die TV-Dokumentation ‚Shoah‘ (1985) von Claude Lanzmann über den Holocaust. Eine entsprechend große Verantwortung liegt auf den Schultern der einzelnen Redaktionen und Produktionsteams, die Vergangenheit authentisch darzustellen.

Gefangen zwischen Fakt und Fiktion

Nur unwesentlich anders verhält es sich bei historischen Serien. Sicher, jedem Zuschauer sollte klar sein, dass es sich um fiktive Werke handelt, die nur bedingt den Anspruch erheben, historisch korrekt zu arbeiten. Dennoch weisen die Beteiligten in Interviews immer wieder aus, dass Historiker als Berater tätig waren. Horrendene Produktionskosten von bis zu 9 Millionen Euro pro Folge (Rome), sowie vermeintlich vertrauenswürdige Produktionssender wie dem für seine Dokumentationen bekannten BBC (Rome) und dem sich bereits durch den Namen zur eifrigen Recherche verpflichteten History Channel (Vikings) scheinen zudem eins erwarten zu lassen: Authentizität.

Authentizität – ein zugegebenermaßen äußerst sperriges Wort, weswegen es gerade im Bereich der Living History, der meist hobbymäßig betriebenen Darstellung historischer Lebenswelten, einfach mit A abgekürzt wird. Was ist nun diese Authentizität, dieses große A, die allzu oft von Dokumentationen und Serien mit historischem Inhalt eingefordert wird? Ein Blick in die Geschichtswissenschaft verrät uns, dass Fakten hier gar nicht so unumstößlich sind, wie einem noch in der Schule vermittelt wurde. Dennoch kann mit der Authentizität beschrieben werden, wie sehr die zuvor angesprochenen Sendeformate auf den aktuellen Forschungsergebnissen basieren und entsprechend angeben, wie ‚echt‘ die dargestellte Vergangenheit ist.

Trailer

Wer sich nach diesem Text jetzt schon auf die nächsten Blog-Beiträge freut, die Serien aber noch nicht kennt… Hier die Trailer von Rome und Vikings für euch.

Das erwartet euch

In den nächsten Wochen werden wir uns daher auf die Suche nach dem großen A machen und die bereits angesprochenen Sendungen einmal genauer unter die Lupe nehmen. Wie authentisch ist die Geschichtsdarstellung von TV-Dokumentationen und Serien mit historischem Inhalt wirklich?

  • Teil 2: Rome – das Geschichtsepos von HBO und BBC (2005-2007) macht den Anfang. Mit einer der teuersten Serien aller Zeiten legten die Produzenten Mitte der 2000er den Grundstein für die aktuelle Generation historischer Serien.
  • Teil 3: Vikings – seit 2013 läuft auf dem kanadischen History Channel die Serie in der inzwischen fünften Staffel. In einem Mix aus Geschichte, Mythologie und Themen des 21. Jahrhunderts präsentiert uns die kanadisch-irische Produktion die Saga rund um den legendären Ragnar Lothbrok.
  • Teil 4: TV-Dokumentationen – nach Abschluss der Beispielserien widmen wir uns dem Format der TV-Dokus generell und greifen neben einigen besonders kritisierten Punkten auch das Produktionsumfeld sowie die daraus resultierenden Folgen für die Gestaltung dieses Sendeformats auf.

  • Teil 5: Living History – falls ihr euch schon in diesem Beitrag gefragt habt: „Was ist eigentlich dieses Living History?“, wartet noch mit dem Googlen bis zum fünften Teil unserer Beitragsserie. Zusammen mit einigen Experten werden wir uns diesem Phänomen widmen und aufzeigen, warum es von immenser Bedeutung für die untersuchten Sendeformate ist.

Living History – Limestor

Living History Limestor
  • Teil 6: Über das Fernsehen hinaus – Im letzten Beitrag kommen wir nicht nur zu einem Ende unserer Suche nach dem großen A in den TV-Produktionen, sondern geben auch einen Ausblick auf die anderen Medienprodukte mit historischem Inhalt. Auf diese Weise könnt ihr euch selber auf die Suche machen; schließlich ist ja der Weg das Ziel.

Abonniert also media bubble auf Facebook, um auch in den kommenden Wochen mitzubekommen, wenn es mit der Authentizitätsserie weitergeht. Wenn ihr noch Anregungen oder Ideen habt, auf welche Themen ich in den nächsten Artikeln dieser Serie eingehen kann, dann kommentiert  oder meldet euch gerne auf Facebook.

Valete!