Die Jagd nach der goldenen Statue – Das Oscar-Horoskop 2014

von Henrike W. Ledig und Marius Lang

Auch dieses Jahr steigt sie wieder: Die berühmt-berüchtigte Verleihung der goldenen Männchen! media-bubble.de hat erneut zwei führende Filmfreunde ins Rennen geschickt, um euch eine Prognose auf den Ausgang des Rennens unter der Herrschaft der diesjährigen Schirmherrin Ellen Degeneres zu liefern.

Wie letztes Jahr gilt auch dieses mal wieder: Wer sich von unseren Redakteuren am häufigsten vertippt hat, der muss zur Strafe den schlechtesten Film 2013 ertragen. Die Wahl dessen dürfen wir freundlicherweise dem Komitee der Goldenen Himbeere überlassen, die traditionell am Vorabend der Oscar-Verleihung verliehen wird. So wie es den Anschein hat, sind die „Favoriten“ dabei Disneys grandios vergeigte Western-Komödie The Lone Ranger, Adams Sandlers jüngster Versuch, doch noch von der Welt als witzig anerkannt zu werden, a.k.a. Kindsköpfe 2 und der mit der Smith’schen-Doppelspitze besetzte Science-Fiction-Reinfall aus der Regiehand des gefallenen Film-Heilands M. Night Shyamalans After Earth. Wir zittern jetzt schon.

Natürlich wird die Oscar-Nacht wieder fleißig per Facebook und Twitter von unseren Redakteuren kommentiert werden, zunächst aber die eigentliche Prognose:

 

 Marius Lang:  Henrike W. Ledig:

Favorit

Der große Favorit ist dieses Jahr Steve McQueens Sklavereidrama 12 Years a Slave (oder für weiße Amerikaner auch 2 and a half Hours of Shame). Der Film schaffte es nicht nur, seinen begnadeten Regisseur endlich in das längst überfällige Rampenlicht zu rücken, er kann sich auch bei den diesjährigen Academy Awards extrem gute Chancen ausrechnen. Auch Alfonso Cuaróns Gravity darf sich zu den Favoriten zählen. Allerdings werden hier vor allem die technischen Kategorien fällig, vor allem für die beeindruckenden Bilder.

Favorit

Ganz ehrlich? Rückblickend war für mich das Jahr 2013 eher mager, was wirklich gute Filme anbelangt. Und das spiegelt sich deutlich in den Oscar-Nominierungen wieder, die dieses Jahr nicht sonderlich breitgefächert sind: Hollywood feiert sich größtenteils selbst und so kommen die fast übertrieben zahlreich mit Nominierungen beschmissenen Streifen schon alle als sehr, sehr amerikanisch daher. Aber was soll man machen? Also los:Als die großen Favoriten des Abends gelten natürlich American Hustle und Gravity, mit jeweils zehn Nominierungen, sowie 12 Years A Slave mit Neun. Mich persönlich konnte davon zwar wider aller Erwartungen nur Gravity tatsächlich vom Hocker reißen, trotzdem wette ich darauf, dass das historische Biopic über Sklaverei und Rassismus als großer Gewinner den Abend für sich entscheiden kann.

Verlierer

Auch wenn es sich hier um den, meines Erachtens mit Abstand besten Film handelt, wird Martin Scorseses Meisterwerk The Wolf of Wall Street voraussichtlich weitgehend leer ausgehen. Zu Unrecht, da der Film der wieder einmal zeigt, dass von all den jungen, talentierten Regisseuren und nicht minder talentierten alten Hasen es noch immer niemand schafft, dem Großmeister Scorsese auch nur ansatzweise das Wasser zu reichen. Als Trostpflaster für mich wird sich auch David O. Russels zehn Mal nominiertes Machwerk American Hustle (hoffentlich) nicht zu den großen Siegern zählen können. Tragischer ist da schon wieder, dass auch Nebraska und Her wohl leer ausgehen werden.

Verlierer 

Dass die Ansichten der Academy nun mal häufig nicht die eigenen Ansichten widerspiegeln, dürfte sich morgen Abend mal wieder besonders ausdrücklich unter Beweis stellen.Deswegen wird vor allem die bitterböse Börsensatire The Wolf of Wall Street leer ausgehen, was aber sowohl die Darsteller als auch Regisseur Scorsese verkraften können. Viel trauriger wird es vermutlich für das grandiose britische Drama Philomena, das den illegalen Verkauf von Kindern durch die katholische Kirche im Irland der 50er aufarbeitet. Immerhin vier mal nominiert, wird es für dieses weitere Meisterwerk aus der Hand Stephen Frears (Die Queen) schwer werden, sich gegen die Konkurrenz zu behaupten.

Missachtet

Auch in diesem Jahr ist die Academy wieder sehr darauf bedacht gewesen, eine exzellente Auswahl an Filmen und aus irgendeinem Grund American Hustle mit Nominierungen zu bedenken. Ein Wehrmutstropfen ist, dass Inside Llewyn Davis von den Coen-Brüdern nicht in den wirklich wichtigen Kategorien zu finden ist. Und erneut wurden diverse Filme wenig oder gar nicht beachtet, die nicht ins Schema der Academy passen. Doch darüber kann man getrost hinwegsehen, da man es ja gewohnt ist und die meisten nominierten Filme dies auch mehr als verdient haben.

Missachtet

Wie zuvor erwähnt, bin ich mit der Filmauswahl durch die Academy für diese Verleihung nicht wirklich glücklich: Zu einseitig sind mir die angesprochenen Thematiken: Allein das „Groß-angelegte-übers-Ohr-hauen-um-so-an-möglichst-viel-Geld-zu-kommen“ ist in allein drei der meist bedachten Filmen der wichtigste Plotstrang. Nein, das ist mir nicht divergent genug. Andererseits blieben mir abseits dessen auch keine wirklich bahnbrechenden Streifen längerfristig im Gedächtnis! Also, Filmindustrie: Einmal drück’ ich noch ein Auge zu!

Bester Film

Die wichtigste Kategorie wird mit großer Wahrscheinlichkeit 12 Years a Slave für sich beanspruchen. Und auch wenn ich ihn nicht für den wirklich besten Film halte, ist dieser Preis durchaus verdient. McQueen schuf einen Film, in dem jede Szene Bände spricht, eine erschütternde Darstellung der Sklaverei im Süden der USA, getragen von brillanten Schauspielern und untermalt von Hans Zimmers bestem Score seit langem. Jede Einstellung in diesem Film war stimmig. Möglicherweise nicht der beste Film, aber in diesem Jahr könnte ich mich allermindestens nicht über diese Entscheidung der Academy beschweren.

Bester Film

Geht mit absoluter Sicherheit an 12 Years a Slave. Warum auch immer. Gezwungenermaßen meiner Meinung nach, denn anscheinend haben wir erneut einen überhypten Film gebraucht, der uns zeigt, dass Weiße generell Arschlöcher sind, die nichts anderes tun, als Maskenbälle in ihren Südstaatenvillen zu feiern. Gähn. Wenn ich hier meine werte Kollegin Gerstenlauer zitieren darf: „Fand ich jetzt gar nicht mal so gut.“Natürlich: Sklaverei und Rassismus sind doof, trotzdem ermüdet mich die Filmschwelle der ebengleichen Thematik in den letzten Jahren inzwischen nur noch. Und da es anscheinend immer öfter usus wird, dass Filme ungeheuerliche 2 ½ Stunden ertragen werden müssen und Kino deshalb immer öfter zum regelrechten Aushaltekino avanciert, darunter leidet auch 12 Years A Slave.

Beste Regie

Für mich definitiv Martin Scorsese. Doch sein Film polarisierte zu sehr und das wird selten belohnt. Wichtigste Kandidaten sind hier demnach Steve McQueen für 12 Years a Slave und Alfonso Cuarón für Gravity. Beide lieferten fantastische Arbeiten ab und es ist schwer zu sagen, wer wirklich am Ende als der Sieger hervorgehen wird. Persönlich setze ich mein Geld auf Cuarón, weil sein Film vielleicht an sich nicht so gut wie McQueens Werk, aber dafür die größere Augenweide war. Gravity zog einen in den Bann, was auch Cuarón zu verdanken ist. Zudem konnte Cuarón bereits den Golden Globe gewinnen, was oft eine gute Prognose für die Oscars ist.

Beste Regie

Traditionell geht eigentlich immer der Oscar für die beste Regie auch an den besten Film. Dem wird dieses Jahr nicht so sein, denn die beste Regiearbeit lieferte mit großem Abstand der Mexikaner Alfonso Cuarón, der mit Gravity einen der technisch perfektesten Filme der letzten Jahre schuf. Großen Respekt dafür!

Bester Haupt-/Nebendarsteller

Die Entscheidung ist knapp und drei Herren haben die Nase vorn. Chiwetel Ejiofor als in die Sklaverei verkaufter Violinist Solomon in 12 Years a Slave, Matthew McConaughey als Aids-kranker, homophober Elektriker im Texas der 80er Jahre in Dallas Buyers Club und Leonardo DiCaprio als amoralischer Börsenmakler Jordan Belfort in The Wolf of Wall Street. Alle drei liefern Meisterleistungen ab und wer hätte vor wenigen Jahren gedacht, dass ausgerechnet McConaughey irgendwann mal ein Oscarfavorit ist. Die Entscheidung wird also zwischen diesen dreien Fallen und mein Tipp ist dabei DiCaprio. In The Wolfliefert er die beste Leistung seiner bisherigen Laufbahn ab, er spielt den Rest des Casts locker an die Wand und selten konnte man seine Leinwandpräsenz so spüren wie hier.Bei den Nebendarstellern ist die Entscheidung klarer und nur zwischen zwei Schauspielern zu treffen, die ernsthaft dafür in Frage kommen. Michael Fassbender als brutaler Plantagenbesitzer in 12 Years und Jared Leto als aidskranker Transvestit in Dallas Buyers Club. Auch hier gibt es ein Kopf-An-Kopf-Rennen, dass am Ene wohl Fassbender für sich entscheiden wird. Selten spielt Fassbender so gut wie in den Filmen von McQueen und in 12 Years greift er erneut tief in die schauspielerische Trickkiste. Der Oscar wäre da eine absolut logische Konsequenz.

Bester Haupt-/Nebendarsteller 

Auch wenn das vielleicht gefährlich anmaßen sollte: Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass Leonardo DiCaprio endlich den Oscar als bester Hauptdarsteller in The Wolf of Wall Streetbekommt. Nachdem er jahrelang fast aus Prinzip, oder so schien es zumindest, übergangen wurde, könnte jetzt seine Zeit reif sein. Ich hätte mir nur gewünscht, dass es mit einem weniger plakatierenden Streifen gewesen wäre.Zwar halte ich 12 Years a Slave nicht für den grandiosen Film, wie es andere tun, trotzdem war Michael Fassbenders Performance als sadistischer Sklavenherr überragend! Dafür hat er den Oscar mehr als verdient. Zwar täte es Jared Leto ebenso für seine Darstellung des Transsexuellen Rayon in Dallas Buyers Club, aber Fassbenders Chancen stufe ich als deutlich höher ein

Beste Haupt-/Nebendarstellerin 

Können wir uns bitte darauf einigen, Meryl Streep eine Art Präventiv-Oscar zu geben und sie dann nicht mehr als beste Hauptdarstellerin zu nominieren? Allerdings ist sie dieses Jahr nicht wirklich zu den Favoriten zu zählen. Hier könnte dagegen erstmals American Hustle punkten. Amy Adams gilt als Favoritin und obwohl ich sie grundsätzlich sehr schätze, wäre meine Wahl Cate Blanchett für Blue Jasmine, die wie üblich alles gibt und ihre Rolle als bankrottes, ehemaliges Miglied der High-Society fantastisch verkörpert.Jennifer Lawrence ist der Liebling der Amerikaner und glücklicherweise auch eine äußerst talentierte Schauspielerin. In der Kategorie der besten Nebendarstellerin ist sie dieses Jahr Favoritin und auch einer der wenigen Lichtblicke in David O. Russels American Hustle. Der Preis sei ihr gegönnt sie spielt ihre Rolle vortrefflich. Aber auch die anderen nominierten Damen lieferten extrem Gute Darstellungen ab. Mit Lawrence können sie da leider in diesem Jahr nicht ernsthaft konkurrieren.

Beste Haupt-/Nebendarstellerin 

Dazu: Ich bin großer Fan von jeweils Dame Judi Dench, Cate Blenchett und Meryl Streep. Aber bitte, liebe Academy: Gebt der wundervollen Amy Addams doch bitte den seit langem überfälligen Oscar! Ihre herausragende Performance in American Hustle sollte eigentlich Grund genug dafür sein. Auch, wenn ich mich natürlich über eine zweite goldene Statuette für Jennifer Lawrence freuen würde – ihre Darbietung in American Hustle war nicht weniger als brilliant – so glaube ich dennoch, dass Lupita Nyong’o dieses Jahr den Oscar mit nach Hause nehmen darf. Und das völlig zu Recht: Zwar habe ich meine generelle Enttäuschung über 12 Years A Slave bereits schon zur genüge kundgetan, doch liegt mir nichts ferner, als den Darstellern ihr Können abzusprechen. Frau Nyong’os Darstellung der misshandelten Sklavin in den Händen ihres Masters (Michael Fassbender, s.o.) war einfach nur grandios.

 

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