Das Leben ist ein Drama
von Felix Niedrich
Das ganze Leben ist ein Drama
„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“. Dieses Zitat von Niklas Luhmann dürfte allen Studierenden der Medienwissenschaft zum Hals raushängen. Aber weit mehr als für uns, gilt es für die Truman Burbank (Jim Carrey) in „Die Truman Show“. Zu jeder Sekunde wird sein Leben von den Medien gelenkt. Die Welt, die er kennt, ist eine künstliche Welt. Die Stadt, in der er lebt, ein gigantisches von Wasser umgebenes Filmset unter einer Kuppel. Die Menschen um ihn herum sind Schauspieler und Statisten. 5000 Kameras folgen ihm auf Schritt und Tritt. Er ist – ohne es selbst zu wissen – der Star einer erfolgreichen Fernsehproduktion.
In der „Media Bubble“
Seit seiner Geburt lebt Truman in dieser – seiner – Realität. Eine scheinbar heile Welt, deren Künstlichkeit jedem anderen sofort auffallen würde. Truman aber kennt nichts anderes und akzeptiert die gewohnten Gegebenheiten als normal und authentisch. Das Medium bestimmt nicht nur seine Welt, sondern ist seine Welt geworden. Sein Leben und seine Wirklichkeit sind dadurch nicht nur räumlich eingeschränkt. Truman hat keine Möglichkeit sich frei zu entfalten, da er durchgehend auf das beschränkt ist, was ihm das Medium, durch die Hand der verantwortlichen Produzenten, wie Christof (Ed Harris), vorschreibt. Er ist in seiner medialen Blase gefangen.
Die Vorstellung ist irgendwie makaber, aber keineswegs weit her geholt. In unserer von Medien dominierten Gesellschaft sind auch wir so sehr daran gewöhnt, uns auf die neuen Kommunikationsinstrumente zu verlassen, dass wir (im schlimmsten Fall) gar nicht mehr darüber nachdenken, was wir eigentlich tun. Oder, was die Medien mit uns tun. Unreflektiert nehmen wir hin, was uns vorgesetzt wird. Die Truman Show zeigt einen kritischen Blick auf eine Welt, die immer mehr von den Medien beeinflusst wird und abhängig geworden ist. Das gilt nicht nur für die Kommunikation und die Verteilung von Informationen, sondern auch für alle anderen sozialen Bereiche.
Erst im Alter von knapp 30 Jahren beginnt Truman im Zuge einiger seltsamer Entwicklungen, misstrauisch zu werden. Da fällt eines Morgens einfach ein Scheinwerfer vom Himmel und landet direkt in der Einfahrt, als Truman gerade zur Arbeit will. Neuerdings empfängt Truman auch verdächtige Botschaften im Radio. Und warum stellt ihm seine Frau eigentlich ständig Haushaltsprodukte vor? Egal, was es ist. Truman will weg von hier. Raus aus der Stadt. Aber das gestaltet sich schwierig.
Big Brother is watching you
Wenngleich die Dimension gewaltig ist, so ist auch das Format der „Truman Show“ keineswegs abwegig. Schließlich existieren längst zahllose solcher „Reality Shows“ oder Dokusoaps, bei denen Millionen von Zuschauern Einblicke in das Privatleben anderer ermöglicht werden.
Selbstverständlich handelt es sich auch da oft um Scripted Reality-Formate, die ebenfalls Manipulationen der Sendungsmacher folgen. Auch wissen die beteiligten Personen normalerweise vorher Bescheid, was sie erwartet (auch wenn das im Nachhinein oft ganz anders aussieht).
Auf Zuschauerseite scheint ein Bedürfnis an solchen Formaten allerdings durchaus da zu sein. Geschichten „direkt aus dem Leben“ befriedigen unseren inneren Voyeur. Auch Truman bietet neben dem reinen Unterhaltungswert für viele wohl eine Projektionsfläche für die existenziellen Ängste und Sorgen. Er bringt das Publikum zum Lachen und zum Weinen.
Auf ausreichend Privatsphäre müssen Akteure in den Medien häufig verzichten. Je prominenter, desto mehr kann die mediale Aufmerksamkeit zum Fluch werden. Privatsphäre und -räume allgemein scheinen sich in der neuen Medienlandschaft neu zu definieren. Nicht zuletzt im Internet geraten (persönliche) Daten in den öffentlichen Kommunikationskreislauf. Die Brisanz dieser Entwicklungen kann an den endlosen Debatten zur Datensicherheit abgelesen werden.
Truman Burbank versucht im Film dieser Welt zu entkommen. Doch die Produzenten schrecken vor nichts zurück, um ihren Star nicht zu verlieren und die Sendung am Laufen zuhalten. So inszenieren sie schon früh in Trumans Leben den Tod seines Vaters und verpassen ihm ein Trauma, das ihn daran hindert, die Stadt zu verlassen, da er seither Angst vor Wasser hat. Schauspieler, die das Geheimnis der Sendung gefährden, werden kurzfristig ersetzt. Als Truman am Ende seine Ängste besiegt und per Boot zu entkommen versucht, wird gar sein eigenes Leben in Gefahr gebracht, um ihn zur Umkehr zu bewegen.
Trumans Wille aber ist stärker und so schafft er es aus der Welt auszubrechen. Nach dem dramatischen Höhepunkt verabschiedet er sich. „War gar nichts echt?“, fragt er zuvor noch. „Du warst echt“, bekräftigt der Produzent, der wie ein Gott aus dem Himmel zu ihm spricht. Ob das so ganz richtig ist, ist fraglich. Aber Truman wird am Ende zum wahren Helden in der fiktiven Geschichte. Für ihn beginnt ein neues Leben. Die Zuschauer, die schalten einfach um auf einen anderen Kanal und lassen sich weiter berieseln.
Foto: flickr.com/Strawbleu (CC BY-NC-SA 2.0)