Ralph Caspers

Das Gehirn hat kein Interesse an langweiligen Sachen.

Von Kay Lucie Ostertag, Julius Trautmann und Frederica Tsirakidou

Kinder der 90er Jahre kennen ihn von erster Stunde an als Ralph von Wissen macht Ah!. Ralph Caspers moderiert die Fernsehsendung schon seit 2001 und ist auch für Wissensmagazine wie Die Sendung mit der Maus und Quarks (ehemals Quarks & Co) bekannt. Charakteristisch an Caspers ist neben seiner Erscheinung als Nerd sein schwarzer Humor und seine Art, Dinge visuell zu erklären. Vermeintlich langweilige Themen betrachtet er aus anderen Blickwinkeln und stellt sie dadurch interessant dar. Wir haben mit Caspers über authentische Wissenschaftskommunikation, Klima-Aufklärung und ausgestopfte Dackel gesprochen.

Ralph Caspers

Ralph Caspers, Moderator und Botschafter des GEO Tags der Natur. Foto: Dominik Pietsch

Schon als Kindern war uns Caspers sympathisch. Er erklärte uns die verschiedensten Dinge auf eine spannende Art und Weise und seine Witze machten den Charme seiner Sendungen aus. Niemals wurde es langweilig, wenn man seine Sendungen schaute. Auf die Frage, wie er versucht Wissen authentisch an Kinder zu kommunizieren, antwortet er: “Also, wenn man auf unterschiedlichen Ebenen ist und unterschiedliche Größen hat, dann hilft es, wenn der eine den anderen auf den Arm nimmt.” Caspers traut den Kindern zu, seinen Humor zu verstehen. Dadurch erschafft er eine andere Kommunikationsebene mit den Kindern. “Warum sollte man mit jemandem Scherze machen, den man nicht komplett für voll hält?”, lacht Caspers. Irgendwie hat er Recht! Vielleicht ist uns Caspers deshalb als Kindern so eindrücklich im Kopf geblieben. Die Kommunikation jenseits der Verniedlichungen und Vereinfachungen des Kinderprogramms hat uns allen sehr gefallen. Für uns, die früher nur kindgerechtes Fernsehen schauen durften, war diese Art der Kommunikation sehr erfrischend.

Caspers traut seinen Zuschauern zu, die Inhalte seiner Sendungen zu verstehen. Dabei ist die Show gar nicht so einfach gestaltet. Denn hier wird nicht nur eine Sache pro Folge, sondern gleich ein ganzes Spektrum an Themen besprochen. Der Sinn ist für Caspers nicht, dass jeder Zuschauer alles versteht. Es reicht schon, wenn ein Kind Teile der Serie versteht und dann beim nächsten Schauen wieder ein bisschen mehr dazulernt. Der hermeneutische Zirkel des Wissen macht Ah!-Schauens sozusagen.

 

Zur Person

Ralph Caspers wurde 1972 auf Borneo geboren, nachdem seine Eltern ausgewandert sind, um dort Affen aufzuziehen. Später studierte er an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Heute ist er Fernsehmoderator, Autor und Schauspieler und insbesondere für seine langjährige Moderation der Sendungen Wissen macht Ah!, Die Sendung mit der Maus und Quarks bekannt. Mit seinem humorvollen Kommunikationsstil schafft er es, sowohl Kinder als auch Erwachsene anzusprechen.

Humor hat für Caspers eine klare Funktion in der Wissenschaftskommunikation, denn: “das Gehirn hat kein Interesse an langweiligen Sachen.” Damit Zuschauer nicht wegzappen, erklärt er, müssen sie unterhalten werden. Spannend ist Wissen macht Ah! immer, auch wenn manchmal über vermeintlich trockene Themen wie Physik und Chemie geredet wird. Caspers’ Humor erschafft durch einen versetzen Blick auf Sachthemen einen neuen Zugang: “ich versuche immer seitlich verrückt auf das Thema drauf zu gucken. Damit ich das mal von einer anderen Seite sehen kann und dann vielleicht Sachen feststelle, die mir vorher nie aufgefallen sind und dann habe ich vielleicht so einen Ah-Moment und das versuche ich dann einfach auch dem Publikum zu vermitteln.”

“Mir hat es als Kind total gefallen, wenn ich nicht immer alles verstanden habe.”

Am meisten im Kopf blieben die Witze rund um den ausgestopften Dackel Lumpi, der als treuer Begleiter der Sendung für schwarzen Humor sorgte. Caspers erinnert sich daran, ihn mal in einem Regal gefunden zu haben und weil er so eklig und skurril war, ist er immer noch Teil der Sendung. “Mir hat es als Kind total gefallen, wenn ich nicht immer alles verstanden habe. Wenn ich das Gefühl hatte: ey, was machen die da eigentlich?”, sagt Caspers über die Art von Humor, die er mag. Ein bisschen das Gefühl, das wir auch hatten, wenn wir als Kinder Witze auf Kosten eines ausgestopften Dackels gesehen haben.

Ralph Caspers

Moderator Ralph CASPERS, mit dem ausgestopften Dackel Lumpi. Foto: Imago Images/Sven Simon

Caspers widmet sich nicht gezielt nur der Wissenschaftskommunikation für Kinder oder richtet seine Arbeit nach einem gewissen Publikum: “Ich mache das in erste Linie nur für mich, ehrlich gesagt. Also ich habe immer den Anspruch, dass es mir gefällt.” So moderiert er seit 2010 das Wissenschaftsmagazin Quarks. Da wir bis jetzt nur Quarks-Folgen mit Ranga Yogeshwar oder auch Mai Thi Nguyen-Kim kannten, waren wir einen ernsteren Ton von dem Magazin gewohnt. Wenn man die Folgen mit Caspers schaut, in denen er mit einer Leichtigkeit über ein Thema wie Spermien redet, kommt es einem ein bisschen so vor, als würde man eine andere Sendung schauen. Und tatsächlich unterscheidet sich sein Ton in diesem Format wenig von dem Ton, den er im Kinderkanal aufsetzt.

Den einzigen Unterschied zwischen Kinder- und Erwachsenenfernsehen sieht Caspers darin, dass er auf dem Kinderkanal häufiger Fremdwörter erklärt, damit Kinder eine klare Idee von der Bedeutung eines Wortes bekommen. Dabei benutzt er meist große Wortkarten, anhand derer er diese schwierigen Wörter visualisiert, erklärt und greifbarer macht. Nicht nur Fremdwörter werden erklärt, sondern auch Wörter in anderen Sprachen. Wenn Caspers als Moderator der Spezialmaus in fremde Länder fährt und dort auf neue Wörter stößt, werden diese flüssig in den Kontext der Serie eingebaut. So sensibilisiert beispielswiese er Kinder in der Griechenland-Folge nicht nur für eine neue Sprache, sondern auch für eine neue Schrift.

Neben den Wortkarten ist Caspers auch für seine Verwendung von Requisiten bekannt. Dies zieht sich durch alle Formate, egal ob Wissen macht Ah!, Die beste Klasse Deutschlands oder Die Sendung mit der Maus. Sogar bei Quarks sieht man ihn mit einer riesigen Pferdefigur. Warum aber so viele Requisiten? Caspers schafft anhand von visuellen Reizen eine Verknüpfung im Gehirn des Zuschauers. So kann man sich das Gelernte besser merken. Aber auch andere Reize wie das Ekelgefühl sind einprägsam: “Also, wenn ich in der Nase pople, dann ist das ein starker Ekelreiz, aber wenn ich gleichzeitig etwas über Trockennasenaffen sage – oder was weiß ich was dazu passt – oder wie wir riechen, was es mit den Riechkolben auf sich hat … Dann ist die Chance, dass diese Information hängen bleibt, einfach viel größer.”

“Topologisch die Badehose anziehen.”

Wissenschaft ist für Caspers nichts in Stein Gemeißeltes, sondern etwas Fluides, das ständig im Gange ist. Deshalb ist es wichtig mit Zuschauern in Kontakt zu treten und einen Dialog herzustellen. Außerhalb des Fernsehens kann man Caspers auch als Sprecher bei wissenschaftlichen Veranstaltungen wie der TinCon sehen. Dort erklärt er unter anderem verschiedene Arten von Tiefseefische anhand der populären Dating-App Tinder.

Veranstaltungen wie diese oder der Wettbewerb Jugend Forscht sind für Caspers eine schöne Gelegenheit, um mit seinen Zuschauern in Kontakt zu treten. Besonders überraschend und schön ist es für ihn, wenn junge Forscher ihm erzählen, dass sie von seinen Serien inspiriert worden sind selbst zu forschen. Obwohl er selbst kein Forscher oder Naturwissenschaftler ist, sondern an der Kunsthochschule studiert hat, schafft er es gekonnt mathematische und naturwissenschaftliche Themen zu erklären. Bei der Veranstaltung Mathematik zum Anfassen 2017 an der Universität Trier verkündet er lauthals: „ich habe Unterhosen mitgebracht”, was zunächst für schallendes Gelächter sorgt. Während er den Zuschauern zeigt wie man sich eine Badehose anzieht, ohne sich dabei ganz ausziehen zu müssen, sagt er: “Mathe hat mir schon durch ganz schlimme Zeiten geholfen, nämlich durch die Pubertät.” “Topologisch die Badehose anziehen” heißt das dann bei Caspers.

Andere wissenschaftliche Veranstaltungen, auf denen Caspers spricht, vertreten eher einen Aufklärungsgedanken der Wissenschaftskommunikation. 2019 gab es mit ihm Teach-Ins am Tagebau Garzweiler und am Hambacher Forst. Insbesondere bei Themen wie Fridays for Future, die auch einen gewissen Generationenkonflikt darstellen, ist Kommunikation wichtig, meint Caspers. Wissenschaft und Aktivismus sieht er zwar als zwei getrennte Bereiche, aber auch jemand, der wissenschaftlich aktiv ist, kann sein Wissen für Klima-Aktivismus nutzen.

Der chaotische Improvisator

Auch Social Media ist für ihn ein hilfreiches Mittel der Kommunikation, wenn Fragen auftreten und man mit Menschen digital in einen wissenschaftlichen Dialog treten kann. Caspers findet man unter @hyperjinx auf Twitter, wo er interessante Fragen aus seinem Alltagsleben teilt. Und wenn es darum geht, die neonfarbenen Spinnen auf Caspers’ Balkon zu identifizieren, helfen seine Follower gerne mit.

Sich selbst sieht Caspers weniger als Wissenschaftskommunikator oder Pädagogen. Nach fast 20 Jahren als Moderator hat er weniger über Wissenschaftskommunikation gelernt, sondern mehr darüber wie man authentisch kommuniziert und sich im Studio verständigt. Er selbst ist eher der chaotische Improvisator, sagt er, aber natürlich ist es auch wichtig auf die andere Person im Studio einzugehen. Insbesondere wenn er Co-Moderierende an seiner Seite hat, versucht er nicht das Wort zu nehmen und den Text gerecht zwischen beiden Moderierenden aufzuteilen. Auch das Fernsehen ist für ihn mehr “Unterhaltung”, die sich bei ihm in diversen Formen, zum Beispiel auch als Moderator bei Quizshows wie Die beste Klasse Deutschlands, zeigt. Unterhalten steht dabei auch für das Vermitteln von Wissen: “Wenn ein bisschen was hängen bleibt, ist das ein Bonus, aber das ist eigentlich eher so ein Nachgedanke.”

WissKomm macht Ah!

Wissenschaftskommunikation helfe, so Caspers, beiden Seiten – der Wissenschaft und der Gesellschaft -, sich besser zu verstehen und zu verständigen: “Der Wissenschaft bringt es, dass auch Nicht-Wissenschaftler wissen, worum es geht. Warum es zum Beispiel wichtig ist, dass bestimmte Grundlagenforschung betrieben wird. Dafür muss man einfach erzählen was man macht, damit die Leute wissen was passiert. Damit sie nicht im Nebel herumstochern müssen. Und der Gesellschaft bringt es einfach genau das Gleiche. Damit sie weiß, was die Wissenschaftler machen, wofür das Geld ausgegeben wird, das Wissenschaftler bekommen.”

Clickbait und reißerische Headlines sieht er als Problem im Wissenschaftsjournalismus und als Ursache für finanzielle Probleme in diesem Bereich. Er ist sich jedoch nicht sicher, ob ein Stiftungsmodell die Lösung finanzieller Probleme im Wissenschaftsjournalismus wäre. Allerdings ist Caspers so ehrlich und gesteht uns, er habe sich darüber bisher eher wenige Gedanken gemacht. Natürlich könne man sich das durchaus überlegen, ob und wie man auf anderen Wegen finanziert. Die Distanz zwischen Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus müsse aber in jedem Fall gewahrt werden. So dürfen Pressemitteilungen von wissenschaftlichen Instituten nicht einfach eins zu eins übernommen werden. Es sollte stets ein deutlicher Abstand zwischen Wissenschaft und Kommunikation beibehalten werden, um eine Neuigkeit oder Nachricht in einen Kontext einordnen zu können. Wenn es um die Planung von wissenschaftlichen Sendungen geht, orientiert sich Caspers an zeitlosen, fundierten Themen. Er richtet sich selten nach aktuellen Forschungsprojekten, lässt aber natürlich stets tatsächliche Ergebnisse aus der Wissenschaft einfließen. Die Herausforderung ist “Themen zu finden, die keinen aktuellen Bezug haben” und “im besten Falle in 40 Jahren wiederholt werden können”, sagt uns der Moderator.

Rückblickend auf das Gespräch mit Caspers hat es sich seltsam angefühlt ihn zu siezen, da man es aus dem Fernsehen gewohnt ist, ihn als Ralph anzusprechen. Wir waren gespannt, ob sich Ralph Caspers am Telefon vom Ralph Caspers im Fernsehen unterscheidet. Tatsächlich gibt es keinen Unterschied. Immer, wenn das Gespräch ins Stocken kam, machte er einen lustigen Kommentar oder schrägen Witz, der die Stimmung auflockerte. Caspers ist rundum authentisch und besonders das macht ihn als Wissenschaftskommunikator so erfolgreich und einprägsam.