Bedient euch! – Das Modell Open Source
von Sebastian Luther
Wir schreiben das Jahr 2050. Microsoft und Apple haben den Markt unter sich aufgeteilt: PCs, Tablets, Smartphones; alle Geräte sind zu einem einzigen verschmolzen – der Black Box – die uns Arbeiten und Zeitvertreib mühelos von Zuhause und unterwegs möglich macht. Die Bedienung von Gerät und Programmen ist intuitiv, Probleme gibt es de facto keine mehr. Falls doch, patchen die Hersteller nach dem Motto „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“ – so lange die Konzerne das möchten.
Eine Annahme
Zurück in die Gegenwart: Heutzutage ist der Gedanke der Black Box heftig umstritten. Ein Gerät, das alle Funktionen und Anwendungsgebiete in sich vereint? Der US-amerikanische Wissenschaftler Henry Jenkins egalisiert die Black-Box-Hypothesen, da aus seiner Sicht die Konvergenzprozesse, die sich zwischen Produzenten und Konsumenten abspielen, wesentlich wichtiger sind. Spekulationen über das Gerät selbst sind tatsächlich müßig, betrachtet man die Entwicklung der letzten 40 Jahre. 1970 hatte ein Prozessor, also das Herz jedes rechenfähigen Geräts, noch um die 2000 Transistoren, die die Leistungsfähigkeit des Prozessors bestimmten. 2011 war diese Zahl bereits auf über zwei Millionen angestiegen. Die nach dem Mitgründer von Intel benannte Faustregel „moore’s law“ besagt, dass sich die Rechenleistung knapp alle zwei Jahre verdoppelt, so lange, bis physikalische Grenzen bei der Herstellung erreicht werden. Was also in weiteren 40 Jahren sein wird, kann nur abgewartet und beobachtet werden.
Betrachtet man allerdings das Konzept der Geräte, lassen sich durchaus Tendenzen erkennen. Eigene Text- und Datenverarbeitungsprogramme haben sowohl Microsoft als auch Apple schon seit Langem auf dem Markt und die Imperien, die um das jeweilige Betriebssystem konstruiert werden, wachsen und wachsen. Für Smartphones wurde eine eigene Software entwickelt, eigene Karten- und Navigationsdienste befinden sich in der Entwicklung (Apple wirft Google Maps raus, Microsoft hat Streetside). Ein alter Hut sind eigene Dateiformate, sowie der damit verbundene Ärger. Und Microsoft wird den Cloud-Service iCloud von Apple nicht lange auf sich sitzen lassen. Dass Entwicklungen aus dem gleichen Hause untereinander wesentlich besser kommunizieren können, ist offensichtlich. Für User ist das zunächst sehr vorteilhaft, und so bauen die Konzerne weiter an ihren Netzen.
Von Spinnen, Wolken und Himmeln
Die Befürchtung, dass diese miteinander verknüpften Entwicklungen sich irgendwann als Spinnennetze entpuppen könnten, ist nicht von der Hand zu weisen. Wieso sollte Apple noch weiterhin Dateitypen von Microsoft unterstützen, wenn das eigene Format an Beliebtheit gewinnt, oder umgekehrt? Entscheidet man sich dann für ein System, kauft sich weitere Software und Geräte dafür, dann ist man schnell schon allein des finanziellen Investments wegen in diesem Netz gefangen.
Dass am 21. April 2011 nicht der Weltuntergang begonnen hat, haben wir dem imaginären, populärkulturellen Ursprung des Menschenfeinds zu verdanken: Skynet, das Computernetzwerk aus dem Terminator-Universum, existiert eben nur dort und konnte somit keine Toaster bzw. humanoide Vernichtungsroboter gegen uns in den Kampf schicken. Diese post-apokalyptische Dystopie spielt mit der Angst des totalen Kontrollverlusts, dass die Menschheit irgendwann vom eigenen technologischen Fortschritt überholt und als die auf der Erde dominierende Entwicklungsform abgelöst wird. Das muss nicht zwangsläufig in totaler Vernichtung enden, ist dennoch aber ein furchteinflößender Gedanke. Der ein oder andere wird dann die Analogie von Skynet zu iCloud mit einem Lachen abtun, aber ein fahles Gefühl behalten, dass ‚morgen‘ vielleicht gar nicht mehr so weit weg ist.
Ein Unternehmen ist auf maximalen Gewinn ausgerichtet. Das Ausbooten der Konkurrenz ist ein probates Mittel in diesem Kampf. Und auch die Kontrolle über unsere Daten, die wir bei Facebook, Google, Apple und Microsoft noch haben, wird von vielen als pure Illusion von Kontrolle gesehen. Wer sollte diese Mogule der Medienwelt in 40 Jahren noch hindern, wenn die eigene Überlebensfähigkeit in der vernetzen Welt von ihnen abhängt?
Open Source als Gegenentwurf
So weit wird es aller Voraussicht nach nicht kommen, wenn wir weiterhin die Unabhängigkeit unserer Versorgungswege beachten. Open Source bzw. die Open Source Initiative (OSI), basiert auf genau diesem Prinzip. Der Quellcode, also quasi die Blaupause, eines Programms wird, im Gegensatz zur Software von großen Unternehmen, veröffentlicht und darf nach diesem Prinzip sogar verändert werden. An Open Source Programmen arbeiten nicht zwangsläufig Entwicklerteams, die von einem Unternehmen für ihre Arbeit bezahlt werden, sondern Entwickler, die auf der ganzen Welt verteilt sind. An dem Open Source Betriebssystem Linux arbeiteten zuletzt über 7800 Menschen aus 80 Ländern, wenn auch nicht alle mit gleichem Einfluss. Es ist das gelebte Paradigma von Wissensgemeinschaften, nach dem niemand alles wissen kann, viele ihr individuelles Wissen allerdings zu einem großen Pool vereinigen können, auf den wiederum jeder zugreifen kann. Zwar ist der Marktanteil von Linux unter gewöhnlichen Desktop Rechnern sehr gering (ca. 1,0 % im Dezember 2011), jedoch werden Server oft mit diesem Betriebssystem versehen, da es als sicherer und einfacher zu warten gilt.
Sollte sich tatsächlich ein Unternehmen in Großmachtfantasien versteigen, dürfte die Popularität dieser Systeme in die Höhe schnellen, sofern nicht schon Kartellbehörden vorher eingreifen. Android, ein Linux-basiertes Betriebssystem für Smartphones und Tablets, dürfte auch den Konkurrenzkampf auf den entsprechenden Märkten ausgeglichen halten und hegemoniale Entwicklungen verhindern. Der faktisch messbare Anteil aller Open Source Anwendungen mag gering sein, gerade weil die Programme beliebig verändert werden können, die Idee, die dahinter steckt, ist jedoch umso stärker. Und was eine Idee im Ernstfall bewirken kann, dafür hat die Geschichte Beispiele im Überfluss zu bieten.
Fotos: flickr/trevi55 (CC BY-NC-SA 2.0), flickr/puntopixel (CC BY-NC-ND 2.0)
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