Rettet den Journalismus! – Wozu?
von Jasmin M. Gerst
Am Dienstagabend, den 02.Juni 2015 hielt Dr. Claus Kleber als erster Honorarprofessor für das Institut für Medienwissenschaften seine Antrittsvorlesung unter dem Titel „Rettet den Journalismus! – Wozu?“. Bis auf den letzten Platz war der Festsaal der Neuen Aula gefüllt – über 200 weitere Interessierte wurden von Ordnungsdienst und Polizei gebändigt.
Der Fortschritt der Zeit
Wenn Claus Kleber sich an seine Anfangszeit als Journalist zurückerinnert, fällt ihm vor allem auf, dass damals drei Werkzeuge genügten, um den Nachrichtenstrom zu kontrollieren: eine Stoppuhr, ein Tonband und ein Lineal. All diese Dinge kann heute ein Werkzeug ersetzen – das Smartphone. Aber was ist mit den Journalisten? Heutzutage gibt es keinen privilegierten Zugang mehr zum Nachrichtenstrom – jeder kann darauf zugreifen. Als Beispiel nennt er den Terroranschlag vom 07. Januar 2015 auf Charlie Hebdo. 26,7 Millionen Menschen in Deutschland schauten an diesem Abend Nachrichten – davon allerdings nur 1,9 Millionen aus der Altersgruppe der 14-39 Jährigen. Nur 10 % dieser Zielgruppe hat an diesem Abend Nachrichten im Fernsehen geschaut – der Rest hatte eine andere Quelle: Facebook, Twitter, E-Mails oder Youtube. Über die sozialen Netzwerke wurde die Nachricht des Terroranschlags verbreitet und geteilt. Wozu also den Fernseher einschalten und um Punkt 20 Uhr Nachrichten schauen, wenn man sich die Nachrichten immer und überall selber beschaffen kann?
“If the news is that important enough, it’ll find me”
Entweder man macht einfach so weiter wie bisher oder man startet den Versuch und stürzt sich rein ins Netz und passt sich diesem Trend an. Denn Social Media ist die Zukunft, so Claus Kleber. Soziale Medien verbreiten Nachrichten, sie generieren sie nicht selbst. Kleber weist auch darauf hin, dass wir so große Chancen haben wie noch nie, vor allem was Recherche und Quellen angeht. Erste Berichte über Ereignisse werden beispielsweise „vom Nachbarn“ über Twitter verbreitet und dadurch, natürlich über einige Wege, zur Weltnachricht. Außerdem müsse man sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass der Preis für die ganzen Informationen unsere Daten sind. Durch verschiedene Suchanfragen werden z.B. Interessen oder politische Meinungen einzelner Personen gesammelt. Dieses Wissen über die Persönlichkeit wird verkauft, dadurch wird personalisierte Werbung, wie sie beispielsweise auf Facebook schon existiert, geniert und die Klickzahlen und damit verbunden auch der wirtschaftliche Erfolg der werbenden Unternehmen gesteigert.
Journalismus behält seinen Wert
Journalisten sind im Grunde nur „irgendwelche Profis“, die den Tag sortieren und dann mit der Welt teilen, so Kleber. Heutzutage würden die Nachrichten von Google und Co. auf die Interessen der Nutzer abgestimmt und gefiltert. Zwar sei das das Ende der herkömmlichen redaktionellen Arbeit, aber dennoch ist sich Kleber sicher: der Journalismus wird seinen Wert behalten. Nur Nachrichtensendungen, die keine Antworten bieten oder ihr Versprechen nicht halten können, würden auf der Strecke bleiben. Denn das Ziel von Journalisten sei es, so viel Substanz wie möglich in kürzester Zeit an so viele Nutzer wie möglich zu übermitteln.
Kleber findet, dass seriöse Nachrichtensendungen in jeden Alltag gehörten wie die tägliche Wäsche. Allerdings müsse man sich auf einen neuen Trend einstellen und der heiße „Online first“. Denn nirgends bekommt man schneller Kritik oder eine Rückmeldung als im Internet. Kleber bedauert, dass im Hamsterrad der Informationen die Zeit für Wichtigkeit und Tiefe auf der Strecke bleibe. Dennoch sollte man offen sein für Kritik sowie transparent. Neue Werkzeuge nutzen, um Neues zu schaffen: so könnte der Leitsatz des Journalismus der Zukunft lauten. Denn Kleber macht deutlich, wir seien mitten in der Zeit der digitalen Pioniere und hätten noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Als große Gefahren sieht Kleber die Verflachung und Verdummung durch die Algorithmen, die künftig unsere Nachrichtenauswahl steuern werden. Deren entscheidende Waffe wird möglicherweise unser Smartphone sein.
Trotz all der Herausforderungen der kommenden Jahre wird es immer ein Bedürfnis an den Produkten journalistischer Arbeit geben, da ist sich Claus Kleber sicher. Und nach dieser vielversprechenden Antrittsvorlesung steigt sicher auch die Vorfreude der Studierenden auf die kommenden Semester und die Seminare unter der Leitung von Dr. Claus Kleber. Wir alle freuen uns, ihn bald als unseren Dozenten begrüßen zu dürfen!