Greenwashing mit Verpackungen

Alles für die Tonne?

In den ersten beiden Artikeln dieser Serie wurde Greenwashing bereits im Zusammenhang mit zwei uns alltäglich begegnenden Industrien besprochen, die Modeindustrie und die Lebensmittelindustrie. Es ist schnell offensichtlich geworden, warum Unternehmen Greenwashing betreiben. Mit dem Ziel der Gewinnmaximierung ist es sinnvoller, nur den Schein der Nachhaltigkeit zu wahren, als tatsächlich die Arbeit zu tun und vor allem das Geld zu investieren. Behauptungen und Labels kosten nichts. Produktionsabläufe ändern, nachhaltig produzierte Rohstoffe verwenden und Mitarbeiter:innen fair bezahlen ist da sehr viel teurer.

„Die Ergebnisse der Untersuchungen der Verbraucherschutzzentrale NRW sind ernüchternd.“

Sieht aus wie Pappe, ist es aber nicht. In Getränkekartons sind z.B. auch Aluminium und Plastik verarbeitet. Bild: Madalyn Cox/unsplash

Auch wenn es um Verpackungen geht, sind die Unternehmen mittlerweile sehr motiviert, die nachhaltig denkende Kundschaft abzuholen. „Aus recycelbaren Materialien“ oder „Verpackung aus recycelten Materialien“ liest man nun auf Milchkartons, Shampooflaschen und allerhand anderen Produkten.

Am 16.11.2020 hat die Verbraucherschutzzentrale Nordrhein-Westfalen die Ergebnisse zu ihren Untersuchungen über Nachhaltigkeitsaussagen auf Produktverpackungen veröffentlicht. Das Urteil ist ernüchternd. Eine Sache, die von der Verbraucherschutzzentrale bemängelt wurde: Die „Altpapier-Looks“ der vermeintlich „grünen“ Verpackungen sind irreführend und landen oft im Papiermüll wo sie als Verbundmaterial nichts zu suchen haben. Die Hinweise zur korrekten Entsorgung sind auf den Verpackungen zwar angebracht aber viele Verbraucher:innen lassen sich von der Optik täuschen, ohne den Grünen Punkt oder ähnliche Symbole zu beachten.

Was auch stutzig macht, sind neu hinzugefügte Umverpackungen für „grüne“ Produkte. Gerade bei Zahnpastaverpackungen und auch bei Produkten wie Tofu fällt auf, dass die Produkte wie gewohnt in Plastik verpackt sind. Was immer öfter zu sehen ist, sind zusätzliche Papierummantelungen oder -boxen, auf denen dann paradoxerweise darauf hingewiesen wird, dass das Produkt „grüner“ ist als seine Vorgänger oder Konkurrenzprodukte. Dass die Ummantelung aber tatsächlich nur zusätzliche Ressourcen verbraucht und noch vor Gebrauch direkt entsorgt wird, lässt diese Claims sehr unglaubhaft wirken. Auf Nachfrage der Verbraucherschutzzentrale wurde von den Unternehmen erklärt, dass man den zusätzlichen Platz für Produktinformationen brauchen würde, obwohl diese Infos zum Beispiel bei Zahnpasta bisher auf der Tube selbst Platz gefunden haben und viele Hersteller dies auch noch so umsetzten. Mit Nachhaltigkeit hat das, wie leider so oft, nicht viel zu tun.

„Wie gut sich eine Verpackung recyceln lässt, wird bei der Herstellung schon entschieden.“

Mülltrennung für Anfänger:innen

Gelber Sack/Gelbe Tonne

Good to know: Verpackungsmüll immer vollständig trennen, also Becher und Deckel separat in den Müll und Aludeckel ganz von der Plastikschale abtrennen. Dann können die unterschiedlichen Materialien richtig sortiert werden. Kunststoff z.B.: Plastiktüten, Joghurtbecher Aluminium z.B.: Flaschenverschlüsse, Getränkedosen Weißblech z.B.: Konservendosen, Verbundverpackungen z.B.: Getränkekartons, Kaffeeverpackungen

Das gehört in den Gelben Sack/Gelbe Tonne: Kunststoff z.B.: Plastiktüten, Joghurtbecher Aluminium z.B.: Flaschenverschlüsse, Getränkedosen Weißblech z.B.: Konservendosen, Verbundverpackungen z.B.: Getränkekartons, Kaffeeverpackungen

 

Altpapier

Good to know: Tiefkühlverpackungen sind extra versiegelt und deswegen kein Papiermüll. Sie gehören in den Gelben Sack. Wenn möglich Plastiksichtfenster an Papierverpackungen im Gelben Sack entsorgen.

Das gehört ins Altpapier: Papier z.B.: Zeitungen, Prospekte Karton z.B.: Eierkartons, Mehltüten Pappe

 

Restmüll

Good to know: alte Glühbirnen können im Restmüll entsorgt werden. Energiesparlampen können bspw. im nächsten Baumarkt entsorgt werden. Das Gleiche gilt für Batterien. Bitte niemals im Restmüll entsorgen.

Das gehört in den Restmüll: Alle Stoffe, die nicht in die anderen Tonnen und nicht in den Sondermüll gehören z.B.: Asche, Gummi, Fotos, Brat- und Frittierfett, Porzellan, Stoffreste

Aber was gehört denn nun in welchen Mülleimer? Seit den 90er-Jahren gibt es in Deutschland das Duale System. Das bedeutet, dass Unternehmen eine Lizenzgebühr bezahlen müssen, wenn sie Verpackungen produzieren und verkaufen. Der Grüne Punkt ist zum Beispiel so ein System. Das zeigt sich für die Verbraucher:innen zum Beispiel darin, dass für die Müllsäcke und die Abholung des Gelben Sacks (und der Gelben Tonne) keine Gebühren bezahlt werden müssen. Diese wird uns aber leider nicht geschenkt, sondern normalerweise von den Unternehmen beim Produktpreis miteinberechnet. In den Gelben Sack gehören genau genommen nur Verpackungsabfälle wie Joghurtbecher, Aluminiumdosen und eben auch Verbundverpackungen wie Getränkekartons. Anderer Plastikmüll sollte eigentlich als Wertstoff entsorgt werden, denn dieser ist nicht Teil des Dualen Systems.

Beim Verpackungsmüll wird in den Sortieranlagen zuerst nach Kunststofftyp unterschieden, denn was auf den ersten Blick gleich aussieht, muss nicht unbedingt gleich sein. Ein Problem beim Recycling ist, dass manche Verpackungen aus Misch- oder Verbundstoffen bestehen oder dass andere Stoffe zugesetzt werden (z.B. Weichmacher oder Farbstoffe). Dadurch wird die Wiederverwendung nach dem Recyclingvorgang deutlich eingeschränkt. Wie gut sich eine Verpackung recyceln lässt, wird also bei der Herstellung bzw. der Konzeption schon entschieden. Wenn eine Verpackung aus zu vielen Stoffen besteht oder sich aus anderen Gründen nicht gut für die Wiederverwendung eignet, endet ihr Weg trotz allen Versprechungen in der Müllverbrennungsanlage. Falls die Verpackung recycelt werden kann, ist die Chance, dass eine neue Verpackung daraus entsteht, allerdings gering. Da kein „Primärmaterial“, sondern Mischstoffe verwendet werden, reicht es dann nur noch fürs „Downcycling“. Auch hier wird klar, dass schon bei der Produktion der Verpackungen andere Prioritäten gelten müssen.

Wieviel Kunststoffabfälle wirklich recycelt werden, lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit sagen. Wenn man nach den lizenzierten Verpackungen geht, lag die Quote 2018 laut NABU bei 42 Prozent. Die tatsächliche Zahl ist wohl sehr viel geringer. Eine Vielzahl an Herstellern lassen ihre Verpackungen nicht lizenzieren, um die Gebühren zu umgehen. Rund 20 Prozent Recyclingquote beim Abfall (nicht ausschließlich Duales System) kommen der Realität näher. Um diese Zahl signifikant zu heben, müssten einige Hebel in Bewegung gesetzt werden.

„Wo keine Verpackung hergestellt wird, muss sie auch nicht recycelt werden.“

Ein kleiner Schritt für den Menschen, ein großer Schritt für die Recyclingquote: Mülltrennung. Bild: Naarita Martin/unsplash

Der erste Schritt zu einer höheren Quote fängt bei uns an. Wenn zuhause besser und sorgfältiger sortiert wird, landet mehr potenziell recycelbarer Abfall bei den Entsorgungsunternehmen, denn Recycling ohne Mülltrennung kann nicht funktionieren. Wie bereits angesprochen, liegt die Verantwortung auch bei den Unternehmen selbst, die für die Zusammensetzung ihrer Verpackungen verantwortlich sind. Anstatt nur „grüne“ Labels auf die Verpackungen zu drucken, können sie die Verpackungen anders konzipieren und somit ihrer Teilverantwortung nachkommen. Außerdem müssen sich die Richtlinien ändern. Rezyklat ist in der Anschaffung meist teurer als neues Primärmaterial. Hier kann die Politik einschreiten, und beispielsweise eine Rezyklatquote einführen. So kann der ganzen Infrastruktur um das Recycling ein Anschub gegeben werden. Noch besser für die Umwelt und der eindeutig nachhaltigere Ansatz ist aber die Abfallvermeidung. Bei kürzeren Lieferketten werden viele Verpackungen unnötig. Meist dienen Verpackungen dazu, die Haltbarkeit eines Produkts zu verlängern, sodass dieses lange Strecken unversehrt überstehen kann. Produkte in größeren Mengen direkt an die Verbraucher:innen zu vertreiben oder das Konzept des Unverpacktladens könnten hier auch relevant sein. Denn, wo keine Verpackung hergestellt wird, braucht sie auch nicht recycelt werden.

Lidl testet in seinen Berliner Filialen 2021 den in Frankreich entwickelten Eco-Score. Hier werden verschiedene Faktoren wie zum Beispiel der „Energie- und Ressourcenverbrauch, CO2-Ausstoß und die Luft- und Wasserverschmutzung“ ermittelt. Von einem einheitlichen Basiswert ausgehend werden dann Plus- und Minuspunkte für klimafreundliche oder -schädliche Faktoren verliehen und daraus ergibt sich der Eco-Score der – ähnlich wie der Nutri-Score – von A (sehr gut) bis E (sehr schlecht) reicht. Solche Bewertungssysteme können Verbraucher:innen bei der Entscheidung behilflich sein und nehmen gleichzeitig die Methoden der Unternehmen unter die Lupe. Um Entscheidungshilfen und die Action-Value-Gap – also der Widerspruch zwischen unseren Wertvorstellungen und unseren tatsächlichen Handlungen – wird es im vierten und letzten Teil dieser Serie gehen. Hierzu habe ich mit Kathrin Reichmann, Doktorandin der Psychologie an der Uni Tübingen, gesprochen. Sie ist Teil der Arbeitsgruppe „Soziale Kognition und Entscheidungsforschung“ und erklärt, wie die Action-Value-Gap zustande kommt und was wir tun können, um diese Lücke zu verkleinern.

Verpackung ist nicht gleich Verpackung. Und die Behauptungen, die aufgestellt werden, sind leider auch nicht so transparent, wie man sich das wünschen würde. Das Problem scheint leider mehr oder weniger dasselbe zu bleiben: Es geht ums Image und um den Umsatz. Nachhaltigkeit ist Trend und wer nachhaltig wirbt, verkauft mehr. Greenwashing ist ein Problem, das sich aus dem wachsenden Interesse an Nachhaltigkeit entwickelt hat. Einerseits ist es ein großer Fortschritt, dass so viele Kund:innen bei ihrem Einkauf auf Nachhaltigkeit achten und versuchen, bessere Entscheidungen zu treffen, vor allem wenn man sich die aktuellen Geschehnisse im Zusammenhang mit dem Klimawandel ins Gedächtnis ruft. Dass die Konzerne ihre Verantwortung allerdings scheinbar nicht ernst nehmen und die Verbraucher:innen wissentlich hinters Licht führen wollen, hinterlässt einen bitteren Beigeschmack. Auch die Politik scheint den Ernst der Lage noch nicht verstanden zu haben, die Prioritäten liegen auf den falschen Dingen, so die Stimmen vieler Kritiker:innen.

Es fehlen Richtlinien, die die Produktion von Verpackungen reguliert und den Fokus auf Abfallvermeidung und Recycling legt. Auch werden die Unternehmen zu wenig in die Verantwortung gezogen, zum Beispiel mit Müllverbrennungsgebühren oder Rezyklatquoten bei der Herstellung von Verpackungen. Bürger:innen müssen ihre Möglichkeiten nutzen, die Politik in die Verantwortung zu ziehen und zum Handeln zu bringen. Jede:r kann seine eigenen Entscheidungen hinterfragen: Wie kann ich zuhause und beim Einkaufen Verpackung vermeiden? Trenne ich meinen Müll korrekt? Kann ich gewisse Produkte als Nachfüllpackung kaufen oder gegen eine unverpackte Alternative tauschen? Auch kleine Veränderungen wirken sich positiv aus und können inspirieren und informieren.

Mehr Informationen zum Thema Verpackung und hilfreiche Infos zur korrekten Mülltrennung und -entsorgung findet ihr unten in den Quellenlinks.

Quellen:

  • https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/abfall-und-recycling/recycling/21113.html
  • https://www.verbraucherzentrale.nrw/pressemeldungen/presse-nrw/gruene-verpackungen-oft-undurchsichtig-53630
  • https://www.swrfernsehen.de/marktcheck/greewashing-verpackung-nachhaltig-100.html
  • https://www.lebensmittelklarheit.de/kurzmeldungen/neues-umwelt-label-eco-score-ein-schritt-die-richtige-richtung
  • https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/alltagsprodukte/19838.htm