Bild: Richard Klug

Wie arbeitet ein Auslandskorrespondent?

Ein Interview mit Richard Klug

Von Malte Ritter

„Ich war 2003 im Irak Krieg Berichterstatter aus dem alliierten Hauptquartier in Katar. Da wurde zwar nicht gekämpft, aber wir hatten jeden zweiten Tage eine Bombendrohung am Auto. Zum Glück ist mir da nichts passiert.“ – Richard Klug

 

„Die Lage ist weiterhin sehr ernst“ sagt ein Mann mit locker geknöpften Hemd und Kopfhörern in den Ohren. Auf Grund von Corona war er im Falle einer Liveschalte meist aus der Dunkelheit seines Homeoffice zu sehen und beantwortete von dort die Fragen der Nachrichtensprecher*innen. Zu sehen ist Richard Klug, der bereits zwischen den Jahren 2006 und 2010 Auslandskorrespondent und Studioleiter des SWRs und der ARD in Johannesburg, Südafrika, war. Seit 2021 ist er wieder zurück.

Das Berufsbild von Auslandkorrespondent*innen

Auslandskorrespondent*innen berichten aus der ganzen Welt und sind dabei mitten im Geschehen. In ihrem jeweiligen Land und dem darunterfallenden Zuständigkeitsbereich müssen sie Ereignisse, Meldungen und Nachrichten ausarbeiten und diese Informationen für die jeweiligen Zielgruppen der Sender zubereiten. Voraussetzung für diesen Beruf sind nicht nur Kenntnisse über das Land, die Sprache und die Kultur. Gerade die historischen Hintergründe und ein Verständnis für die wirtschaftliche Lage und das soziale Leben sind von großer Wichtigkeit. Auslandskorrespondent*innen produzieren beispielsweise Features, Schalten (Livefragen aus dem Studio) oder Stücke (bebilderte Beiträge mit der thematischen Erklärung und Einschätzung der Auslandskorrespondent*innen).

Wie war der Start in deine berufliche Karriere – war Journalismus schon immer dein Plan?

Es war nicht immer der Plan. Ich bin 1980 einfach zur LMU nach München und habe mich dort für Sprachen – Anglistik und Romanistik eingetragen. Der Beamte hinter dem Schalter wies mich darauf hin, dass ich Magister angekreuzt hätte und deshalb noch ein drittes Fach bräuchte.

Aus der Schlange hinter mir kam der Tipp Zeitungswissenschaften. Gesagt – Getan. Sechs Wochen später habe ich Romanistik und Anglistik an den Nagel gehängt, denn Zeitungswissenschaft war, wie es sich herausstellte, nur ein Unterfach von meinem neuen Hauptfach: Kommunikationswissenschaften. Mit diesem neuen Hauptfach habe ich noch Afrikanistik und Amerikanische Kulturgeschichte studiert. So habe ich schließlich während einigen Praktika meine Liebe zum Journalismus entdeckt, was sich dann gefestigt hat.

 

Richard, ich will Auslandskorrespondent*in werden, was muss ich tun?

Heute muss man das sehr viel zielstrebiger angehen, als ich das getan habe. Man muss sich genau überlegen, in welcher Gegend der Welt man Auslandskorrespondent werden will. Wir haben zum Beispiel das Studio Kairo, bei dem sich für das Volontariat beispielsweise sehr viele Islamwissenschaftler bewerben. Für das Studio in Mexico oder in Rio De Janeiro bewerben sich die, die schon etwas mit Lateinamerika studiert haben. Das heißt nicht, dass man nur dort Korrespondent werden kann, aber es lässt die Menschen, die dich zum Vorstellungsgespräch einladen, aufhorchen.

Zudem sollte man davor auch schon einiges gemacht haben. Seien es ein paar Semester im Ausland, ein Auslandsblog oder ein pfiffiges, selbstproduziertes Format. So etwas ist  immer von Vorteil, da man zeigt: ich war schon eigeninitiativ. Das ist keine Garantie Auslandskorrespondent zu werden, aber es hilft dabei, dass sich die Leute mit einem beschäftigen.

Was gibt es Schöneres als ein Auslandskorrespondent*in zu sein – bist du stolz den Traumjob vieler Journalist*innen auszuführen?

Nichts! Ich bin da, wo ich hinwollte. Es gibt nichts Schöneres.

Ich habe gelesen, dass Auslandskorrespondent*innen in der Regel eine hohe Affinität zu ihrer Region mitbringen – gab es bei dir mehrere Optionen oder wieso ist es gerade Südafrika geworden?

Ich hatte viele Stationen in meiner beruflichen Laufbahn. Durch die Fusionierung des SWF und dem SDR zum SWR, war irgendwann das Studio Johannesburg in meiner Griffweite. Hier konnte ich dann vorweisen, dass ich bereits für die Friedrich Ebert Stiftung gearbeitet hatte, die ein Projekt finanziert hat, das Afrovision hieß. Also das analog zur Eurovision in Afrika. Ich habe mich also beworben und gezeigt, dass ich schon einige Monate in Afrika gelebt hatte und damit Afrikaerfahrung vorweisen kann.

Was man aber neben der Affinität mitbringen muss ist eine Nachrichtenkompetenz: man muss Nachrichten können und das auf jedwedem Kanal. Sei es Fernsehen oder Hörfunk, aber man muss es können.

Welche Aufgaben kommen speziell dir als Auslandskorrespondent bei der Produktion von Schalten und Stücken zu? Hast du ein großes Team?

Wir sind ein kleines Studio mit einem kleinen Team. Wir haben einen Kameramann, zwei Producer, einen Cutter, einen Tonmann und eine Redaktionsassistentin. Das ist das Studio Johannesburg.

Die Arbeitsbereiche gehen teilwiese ineinander über. Wir machen Nachrichten für die Tagesschau, Tagesschau 24, Morgen- und Mittags Magazin oder den Weltspiegel, die wohl klassischste Korrespondentensendung und wenn wir Glück haben, machen wir noch längere Filme zu einem bestimmten Thema.

Je nach Ereignis ist mal mehr, mal weniger zu tun. Wie stressig kann das werden und wie groß ist der Zeitdruck?

Viel Arbeit unter großem Zeitdruck ist nur dann, wenn es Breaking News gibt. Jetz kann aber seit Anfang März in Südafrika passieren was will, die Ukraine walzt alles nieder. Es stellt sich immer die Frage, was das Nachrichtengeschehen in Deutschland beherrscht. Erst war es Corona und dann die Ukraine. Unser Problem war jetzt, dass wir nicht genug gemacht haben, weil es keine Aufträge gab.

Deine Arbeit bedeutet viel Eigeninitiative, Verantwortung und du hast die volle Bandbreite an Themen. Kann das zu Überforderung führen?

Mittlerweile überfordert es mich nicht mehr. Mein intensivstes Arbeitsjahr war vor der WM 2010, als zum ersten Mal eine Fußball Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden stattfand. Da wollten dann alle Redaktion etwas haben. Ich hatte ab Januar 2010 monatelange Verstärkung im Studio, weil man es allein nicht mehr geschafft hätte.

Mich stresst tatsächlich nichts mehr, außer neue Technik, die nicht funktioniert, während man live in der Tagesschau sitzt. Da kennt man dann aber das Muster und weiß, wie was aufeinander folgt und kann zur Not auch improvisieren.

Selbstverständlich gibt es auch die Situation, dass eine Stunde vor der Tagesschau die Nachricht aus Deutschland kommt, dass es doch noch einen Beitrag braucht. Da haben wir dann zum Glück Agentur Material und arbeiten auf Hochtouren, um innerhalb von 45 Minuten einen Beitrag zu erstellen.

Gibt es so etwas wie einen klassischen Arbeitsalltag – bzw. eine klassische Arbeitswoche, in der du einen Rhythmus findest?

Ne – ab Breaking News hat man keine Zeit mehr, aber so ist es immer Thema abhängig.

Andere Kulturen, Städte, Menschen – man hat ein sehr romantisiertes Bild dieser Arbeit – wie viel Straße ist es tatsächlich?

Das kommt ganz auf das Studio an. Ist man beispielsweise in Washington oder Brüssel, kann es sein, dass man wochenlang nur im Studio sitzt und Material bearbeitet, was einem geliefert wurde.

Wenn wir zum Beispiel in Johannesburg den Weltspiegel drehen, gehen wir dahin, wo dieser stattfindet. Also da kann man tatsächlich sehr viel selbstbestimmen und die verschiedensten Geschichten einfließen lassen.

Arbeitet man nah mit der Bevölkerung zusammen? Ihr seid das SWR, ihr werdet Kontaktpersonen habe, aber wie kann man sich die Arbeit vorstellen?

Dafür gibt es die Producer. Die bekommen ein Thema, gerade wenn es in ihrer Sprache ist und die fungieren dann als Kontaktperson. Unsere Producer können neben Englisch noch Afrikaans, Sesotho und Setswana. Wenn wir dann eben in eine Region, wie den Norden von Mosambik gehen – alleine in Mosambik gibt es 40 Sprachen, die so unterschiedlich sind, dass sich die Menschen gegenseitig nicht verstehen – dann sprechen die mit der Bevölkerung.

Je weiter man aber auf das Land geht, desto schwieriger wird die Verständigung. Da müssen wir uns dann jemanden suchen, der für uns als Kontaktperson arbeitet.

Du bist für deine Aufträge viel unterwegs, mischt dich unter die Leute und bist mitten im Geschehen. Immer mal wieder ist in Deutschland zu hören, dass Journalist*innen körperlich angegangen werden – gab es in deiner Laufbahn auch solche Momente – vielleicht GERADE als Auslandskorrespondent?

Also in meiner Zeit im südlichen Afrika – NEIN. Hier bin ich nicht mit Leib und Leben bedroht. In der Ukraine wäre ich es jetzt, da sind ja schon viele Journalisten ums Leben gekommen.

Wenn ich so überlege: In Angola bin ich in der Tat einmal schräg angegangen worden und in Simbabwe sind wir einmal gejagt worden, weil die absolut nicht wollten, dass wir mit Oppositionsanhängern sprechen. Das sind Momente, auf die man im Nachhinein dann eher verzichtet hätte.

Gerade im Hinblick darauf – gab es Projekte, von denen dir abgeraten wurde?

Nein. Die Redaktionen sagen: „du bist der Mann vor Ort, du hast Ahnung von dem was da abgeht und du entscheidest, was du machst oder nicht“. Die Redaktionen sind natürlich an guten Geschichten interessiert und dann kommt es darauf an, was sonst noch in der Welt los ist. 

Wenn du mal Revue passieren lässt: Du warst von 2006 bis 2010 bereits Auslandskorrespondent – Gibt es da, du hast die WM bereits erwähnt, ein oder mehrere Karrierehighlights?

Nelson Mandela persönlich kennengelernt zu haben – und das wird mit Sicherheit nichts mehr toppen. Das war ein Tag, an dem bin ich auf Wolke Sieben geschwebt und ich kann mich bis heute nicht erinnern, wie ich den Beitrag fertigbekommen habe, weil ich so geflasht war. Das ist mein großes Highlight.

Wie siehst du die Zukunft des Journalismus – gibt es eine Angst, in Hinblicke auf die gesellschaftlichen Entwicklung?

Nein, eine Angst habe ich nicht. Es kommt selbstverständlich sehr auf die Region, das Land oder den Kontinent an. Wo gibt es Pressefreiheit und wo nicht? Wo darf man frei arbeiten und wo nicht? Gewisse Sorgen mache ich mir schon, wenn ich sehe, wer an der Regierung ist, denn es gibt schon Tendenzen den Journalismus zu lenken und die kommen nicht unbedingt nur von rechts.

Zudem bin ich ein ganz starker Verfechter einer selbstbewussten Redaktion, die den Text oder Bericht selber und eigenständig recherchiert und gestaltet und sich von niemandem reinreden lässt. Nicht von Politik, nicht von globalisierten Firmen, nicht von Interessensverbänden, sondern selbst und verantwortungsbewusst arbeitet. Das ist wichtig, aber in Deutschland sehr stabil. Wie es wäre, wenn es keine öffentlich rechtlichen Sender mehr gäbe, kann ich schwer sagen, dass fände ich fatal, denn Privatanstalten bringen nur das, was Geld bringt.