Vom Studium Oecologicum

Cradle to Cradle und einer grüneren Zukunft

Von Simona Langlouis

Mit diesem Artikel neigt sich die Reihe zum Thema nachhaltiges Marketing dem Ende zu. In den vergangenen Wochen wurden einige Aspekte dieser Form des Marketings genauer beleuchtet, darunter Formen von nachhaltigem Marketing, das Erreichen von Authentizität, aber auch Problematiken wie das Greenwashing.

Im Folgenden soll nun abschließend einerseits das Studium Oecologicum vorgestellt werden. Hierzu äußert sich im Interview Dr. Philipp Unterweger, ehemaliger Student der Universität Tübingen und heutiger Biodiversitätsberater. Andererseits wird das Konzept Cradle to Cradle als ein vielversprechender Ansatz für die Zukunft des nachhaltigen Marketings thematisiert. Darüber hinaus darf natürlich auch ein Fazit der Artikelreihe nicht fehlen.

Das Studium Oecologicum der Uni Tübingen

Das Studium Oecologicum ist ein Angebot der Universität Tübingen, bei dem Studierende aller Fachrichtungen im Rahmen ihrer Schlüsselqualifikationen ECTS-Punkte im Themenbereich Nachhaltigkeit sammeln können. Inzwischen gibt es das Studium Oecologicum schon seit über zehn Jahren, nachdem es 2009 durch die Studierenden Initiative Greening the University e.V. ins Leben gerufen wurde. Ziel der Kurse, die von universitären oder externen Referent*innen geleitet werden, ist es, dass Studierende neben ihren gewählten Fächern auch mal einen Blick über den Tellerrand hinaus wagen können. So soll das Wissen und die Möglichkeit für Engagement zum Thema Nachhaltigkeit vertieft werden können.

Im aktuellen Programmheft des Career Service findet man unter dem Stichpunkt „Nachhaltige Entwicklung“ mehr als 25 Kurse des Studium Oecologicums, zwischen denen Studierende dieses Sommersemester auswählen können. Dabei ist die thematische Auswahl vielfältig: Von dem Kurs „Essbare Wildpflanzen: Strategien für ein nachhaltiges Leben“ bis hin zu „Grenzen des Wachstums – das Bauen und die Zukunft“ ist hier alles vertreten.

Es gibt aber auch Kurse, in denen man das Debattieren über Klimaschutz üben oder Vorschläge für die Universität einbringen kann. Zusammengefasst geht es laut Homepage „um die Herausforderungen unserer Zeit wie soziale Ungerechtigkeit, Klimawandel, zunehmende Ressourcenknappheit und ein Wirtschaftssystem in der Krise.“

Dabei gibt es für Studierende auch die Möglichkeit, ein Zertifikat des Studium Oecologicums zu erwerben, wenn durch eine Kombination aus Grundlagen- und Themenkursen mindestens 12 ECTS-Punkte gesammelt werden.

Im Interview:

Dr. Philipp Unterweger über das Studium Oecologicum und die Arbeit studentischer Initiativen

 
Zur Person

Dr. Philipp Unterweger begann im Jahr 2007 sein Studium an der Universität Tübingen. Er entschied sich, Kunstgeschichte, Biologie und Germanistik auf Lehramt zu studieren. Heute arbeitet er als selbstständiger Biodiversitätsberater und berät Kommunen, Unternehmen, landwirtschaftliche Betriebe und auch Privatpersonen bei der Gestaltung von Grünflächen mit dem Ziel, die ökologische Artenvielfalt aufrechtzuerhalten oder neu zu schaffen.

„Bunte Wiese“

Schon während seiner Studienzeit beschäftigte ihn dieser Wunsch, weshalb er 2010, im internationalen Jahr der Biodiversität, gemeinsam mit weiteren Biologie-Studierenden die Initiative „Bunte Wiese“ ins Leben rief. Dr. Unterweger beschreibt diese als eigenständige „Parallelinitiative“ zu „Greening the University“. Damals wie heute fokussiert sich „Bunte Wiese“ auf die ökologische Vielfalt der Grünflächen in der Universitätsstadt: „Wenn Sie heute durch Tübingen laufen (…) und Sie sehen, dass da irgendwo der Rasen nicht gemäht wird (…), dann bin ich da Schuld, weil wir damals gesagt haben, wir dürfen in Tübingen auf dem Campus nicht immer den Rasen mähen, weil das schlecht fürs Klima und die biologische Vielfalt ist.“, so Dr. Unterweger im Interview.

„Greening the University“

Doch wie bewertet er die Arbeit anderer studentischer Initiativen und besonders „Greening the University“, das ins Studium Oecologicum mündete? Zunächst einmal betont Dr. Unterweger, dass es die Bemühungen junger Menschen um mehr Nachhaltigkeit nicht erst seit gestern gibt: „Jetzt haben wir 2021. Überall streiken Schüler und Studierende und man tut ja gerade so, als hätte es noch nie zuvor irgendwelche Bewegungen gegeben in Richtung Biodiversität, Artenschutz, Klimaschutz und sozial-ökologischem Umfeld. Und das ist leider falsch.“ Für die Universität Tübingen bedeutete die Gründung von „Greening the University“ im Jahr 2007 die Schaffung von kleineren und größeren Erfolgen auf dem Weg mehr Nachhaltigkeit in den universitären Alltag zu integrieren. „Dass man heute [an der Universität Tübingen] mit Umweltpapier kopiert, das war damals ein Erfolg von Greening the University, sowie das Studium Oecologicum.“

Das Studium Oecologicum

Dass die Initiative heute nicht mehr existiert, bedauert Dr. Unterweger. Er sieht beim Thema Nachhaltigkeit an der Uni noch immer Nachholbedarf, weshalb Projekte wie das Studium Oecologicum umso wichtiger seien. „Das ist das Problem von Tübingen, dass wir eine Stadt haben, die voller Inseln ist und diese vielfach nicht miteinander kommunizieren.“ Und um diese verschiedenen „Ökosysteme“ besser miteinander zu verbinden, sind interdisziplinäre Kursangebote, wie auch das Studium Oecologicum, sehr wichtig, so Dr. Unterweger. Kurz gesagt: „Von anderen hören, was die so tun.“, das sei zentral: „Interdisziplinäre Kommunikation, das kann man gar nicht groß genug schreiben und gar nicht genug fördern.“

Zukunftsvision für nachhaltiges Marketing: Cradle to Cradl

Im vergangenen Wintersemester umfasste der Katalog des Studium Oecologicums auch den Kurs „Cradle to Cradle – Umdenken für einen positiven Fußabdruck“, durchgeführt durch die Cradle to Cradle NGO Regionalgruppe Tübingen. Thematisch ist Cradle to Cradle auch für diese Artikelreihe interessant, da es Aspekte berücksichtigt, die in der Werbung von Produkten bislang noch keine tragende Rolle spielen.

Was ist Cradle to Cradle?

Der Begriff Cradle to Cradle bedeutet übersetzt „von der Wiege zur Wiege“. Kernpunkt des Konzeptes ist das Ziel, Produkte und Materialien kontinuierlich wiederzuverwerten. Es sollen Kreisläufe etabliert werden, durch die dauerhaft kein Müll mehr anfällt. Somit steht das Konzept im Gegensatz zum aktuell vorherrschenden Cradle to Grave, also „von der Wiege ins Grab“. Durch getrennte biologische und technische Stoffkreisläufe soll dabei gewährleistet werden, dass es bei den zugeführten Materialien zu keinem Qualitätsverlust kommt, was beim „klassische[n] Recycling“ noch der Fall sei.

Cradle to Cradle – „von der Wiege zur Wiege“ steht für die kontinuierliche Wiederverwendung von Materialien. Bild: Sigmund on Unsplash

Im Moment dreht sich in der Werbung als Teil des nachhaltigen Marketings vieles darum, wie ein Produkt hergestellt wurde, wie es verpackt ist und wie es unseren Alltag bereichern soll. Um den Aspekt, wie es entsorgt werden kann, ob es Reparaturmöglichkeiten gibt oder ob das Unternehmen das Produkt nach dem Gebrauch sogar zurücknimmt und sich selbst um die Entsorgung kümmert, darum geht es kaum. Immerhin werden auf Verpackungen inzwischen vermehrt Aufdrucke eingesetzt, die den Verbraucher oder die Verbraucherin darüber informieren, in welchen Müll die Verpackung oder das Produkt nach der Verwendung gehört.

Dem Cradle to Cradle-Prinzip geht das aber nicht weit genug: Die Verantwortung für ein Produkt sollte dem Konzept zufolge nicht dann enden, wenn es beim Verbraucher/der Verbraucherin angelangt ist. Wirklich nachhaltig ist ein Produkt in diesem Sinne erst dann, wenn jeder Bestandteil nach der Verwendung wieder in einen Stoffkreislauf aufgenommen und zu einem neuen Produkt wiederverwertet werden kann. Dieser Ansatz sollte zukünftig in den Werbekampagnen der Unternehmen stärker aufgegriffen werden, um langfristig das Anfallen von viel Müll zu vermeiden und Kund*innen zu beweisen, dass hinter der Werbung auch ein durchdachtes Unternehmenskonzept steht.

Fazit der Artikelreihe

Hier nun einmal die wichtigsten Erkenntnisse der Artikelreihe zusammengefasst und auf einen Blick:

  1. Nachhaltigkeit beschäftigt sich nicht nur mit ökologischen Aspekten. Es ist zwar ein wichtiger Punkt, damit zukünftig unsere Umwelt besser geschützt und Ressourcen eingespart werden, aber gleichzeitig spielen auch gesellschaftliche und ökonomische Ziele eine große Rolle.
  2. Nachhaltiges Marketing kann in verschieden ausgeprägte Formen differenziert werden, die medial kommuniziert und präsentiert werden können.
  3.  Für ein authentisches Marketing mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit ist es wichtig, dass das Unternehmen ein möglichst ganzheitliches Konzept vorweisen kann, das nicht nur Nachhaltigkeit am Produkt selbst umfasst. Das gesamte Sortiment sollte überdacht werden, sowie auf eine nachhaltige Distribution geachtet werden. Auch sollte ein langfristiges Ziel erkennbar sein und, was das Unternehmen zukünftig noch alles anstrebt.
  4. Leere Werbeversprechen oder das starke Hervorheben einzelner Vorzeige-Produkte kommen bei den Verbraucher*innen oft nicht gut an und können sogar rufschädigend sein. Das zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der Verbraucher*innen inzwischen die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten bestimmen und macht Hoffnung, dass Nachhaltigkeit zukünftig ein zentraler Baustein jedes Unternehmens sein könnte.
  5. Konzepte wie Cradle to Cradle deuten an, wohin sich nachhaltiges Marketing auch zukünftig noch weiterentwickeln könnte. Ein Trend weg von oberflächlichen Produktbewerbungen hin zu wirklichen Bemühungen um Nachhaltigkeit wäre wünschenswert.

    Der Weg in eine nachhaltigere Zukunft setzt verantwortungsbewusstes Handeln von Unternehmen voraus. Bild: Oliver Häußler

Quellen

  • https://uni-tuebingen.de/studium/studienangebot/schluesselqualifikationen-das-studium-professionale/kursinformationen/
  • https://uni-tuebingen.de/studium/studienangebot/schluesselqualifikationen-das-studium-professionale/zertifikate/zertifikat-studium-oecologicum/
  • https://c2c.ngo/
  • https://c2c.ngo/cradle-to-cradle-lexikon/
  • https://www.buntewiese-tuebingen.de/
  • https://philippunterweger.de/index/site/nr/11355
  • https://uni-tuebingen.de/it/universitaet/aktuelles-und-publikationen/newsletter-uni-tuebingen-aktuell/2010/2/schwerpunkt/4/