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Die Gewinner des „Internationalen Wettbewerbs“

von Andrea Kroner

Eine andere Seite der DDR, die man so normalerweise nicht sieht. Ein langweiliger Schultag. Rhythmusgefühl mit schrägen Formen. Die Angst, etwas vergessen zu haben. So lassen sich die Gewinnerfilme des ITFS in Kurzform beschreiben, doch was macht sie zum Besten, das die Animationsbranche zu bieten hat?

Grausame Realität – Kaputt

Es ist sehr schwierig, eine Dokumentation in einem Animationsfilm zu verarbeiten. Doch genau das ist hier gelungen. „Kaputt“ erzählt vom Alltag im berüchtigten Frauengefängnis „Burg Hoheneck“ der DDR. Die Zellen waren vollkommen überbelegt und es lastete ein enormer Leistungsdruck auf den Gefangenen. Sie mussten Bettwäsche für westliche Konzerne in Rekordzeit produzieren und wurden dabei gegeneinander aufgestachelt. Dadurch erzielten alle hohe Gewinne, außer den Gefangenen.

Das Besondere ist, dass zwei Gefangene über ihre Erlebnisse sprechen und ihre Schilderungen im Film illustriert werden. Die Bilder sind äußerst abstrakt und einfach gehalten und zeigen deutlich die Monotonie und Einfachheit des Alltags. Alles sieht sich ähnlich und es werden kaum Farben verwendet. Dadurch wird eine starke Atmosphäre erzeugt, die den Zuschauer direkt in den Film hineinzieht. Die Jury findet es wichtig, diesen Teil der Geschichte in Erinnerung zu behalten und hat den Film deshalb mit dem „Grand Prix“ und 15.000€ Preisgeld ausgezeichnet.

Schulalltag extrem – Afternoon Class

Das Dasein eines Schülers ist nicht immer leicht. Ständig muss man aufpassen und so viel lernen. Das fällt nicht immer leicht und vor allem nachmittags lässt die Konzentration erheblich nach. Da ist die Versuchung manchmal ziemlich groß, einfach einzuschlafen. Schnarchende Nachbarn machen es dem Protagonisten nicht gerade einfacher. Und als sein Kopf auch noch so schwer wie eine Bowlingkugel oder gar ein Amboss wird, kann er der Versuchung immer schwieriger widerstehen und gibt am Ende nach. Jetzt kann sich auch der Lehrer ein Nickerchen gönnen, da sowieso niemand mehr wach ist.

Dieser Film dauert nur knapp vier Minuten, doch diese Zeit wird optimal genutzt. Das Timing stimmt perfekt und auch die Pointen stehen an den passenden Stellen. Dafür verleiht ihm die Jury den „Lotte Reininger Förderpreis für Animation“, mit 10.000€ dotiert, und erhofft sich viel für die Zukunft des Regisseurs.

Bewegung wird zu Musik – Rhizome

Am Anfang stand ein Ton von vielen kleinen Kugeln, die aneinander stießen. Doch daraus entwickelte sich immer mehr. Die Töne und auch die Formen wurden immer differenzierter und ausgefallener, bis daraus am Ende ein regelrechter Strom wurde, der alles zusammenbrachte. Die Formen verschmolzen zu einem großen Ganzen und es entstand ein richtiges Lied. Dahinter steht eine wesentlich größere Aussage: Alles im gesamten Universum hängt irgendwie zusammen und bildet dadurch eine große Einheit. Dadurch kann selbst aus den kleinsten Dingen etwas Großartiges entstehen. Leider wird der Film durch mangelnde Variation in Bild und Ton auf Dauer etwas langweilig. Für die einfallsreiche Idee erhielt das französische Studio eine besondere Aufmerksamkeit durch die „Jury Special Mention“ beim ITFS.

Was wäre wenn – Paniek!

Bestimmt jeder hat sich auf dem Weg schon einmal gefragt, ob der Ofen wirklich ausgeschaltet oder das Bügeleisen ausgesteckt ist. Wenn diese Gedanken sich jedoch verbinden, kann daraus ein wahres Schreckensszenario werden – Kopfkino vom Feinsten auf der Leinwand.

Die Geschichte beginnt vollkommen harmlos und unspektakulär: Eine Frau packt ihr Auto für einen Urlaub und fährt los. Doch nach und nach fallen ihr immer mehr Dinge ein, die sie vergessen haben könnte. Und gemeinsam ergeben diese Vorkommnisse das absolute Chaos, das in der Explosion des ganzen Hauses endet – zumindest in der Vorstellung der Protagonistin. Denn, als sie in heller Panik wieder zuhause ankommt, ist alles beim Alten. Doch in ihrer Eile hat sie die Handbremse vergessen und ihr Auto löst eine Verkettung von Unfällen aus. Diese lustige Produktion, in die man sich unglaublich gut hineinversetzen kann, hat den Zuschauern so gut gefallen, dass er mit dem „SWR-Publikumspreis“ und 6.000€ Preisgeld ausgezeichnet wurde.

Etwas ganz besonderes

Jeder der Filme zeigt eine ganz besondere Seite des Animationsfilms und ist auf seine eigene Art großartig. Doch die Sieger sind nur ein paar von vielen, interessanten Ideen und Herangehensweisen. So war jeder ein Sieger, der die schöne Filmvielfalt des ITFS sehen und genießen durfte.

 

Foto: ITFS

Zwei Welten prallen aufeinander – Animation Oper

von Andrea Kroner

Der Trickfilm und diese Gesangskunst scheinen im ersten Moment keinerlei Gemeinsamkeiten zu besitzen – und zusammenpassen können sie erst recht nicht, oder? Doch das ITFS beweist das Gegenteil und hat dafür wahre Schätze ausgegraben.

Mozart mal anders

Wer kennt sie nicht, „Die Zauberflöte“, eine der bekanntesten Opern Mozarts – und die meistgespielte deutschsprachige Oper überhaupt. Doch die Wenigsten wissen, dass sich die Faszination an diesem Stoff auch im Animationsfilm widerspiegelt. Seit den Anfängen des Trickfilms wurde die Oper auf unterschiedlichste Arten adaptiert. Schon Lotte Reininger erweckte mit „Papageno“ einen Teil des Meisterwerks zum Leben. Alles in Form ihrer berühmten Scherenschnitte. Doch obwohl der Film dadurch komplett in Schwarz-Weiß gehalten ist, bekommt er durch die detailreiche Gestaltung von Figuren und Hintergründen eine wunderschöne Lebendigkeit, welche die Musik perfekt ergänzt.

Oft gestaltet es sich jedoch als äußerst schwierig, Opern einem jüngeren Publikum zu vermitteln. Deshalb hat die BBC 1994 eine Opernreihe im Zeichentrickformat veröffentlicht. Darunter befindet sich neben Werken von Wagner oder Verdi auch „Die Zauberflöte“. Dafür musste radikal gekürzt werden, da eine Vorstellung normalerweise etwa 2,5 Stunden dauert. Die Filme wurden jedoch auf  etwa eine halbe Stunde reduziert. Dadurch wurden natürlich viele Details der Handlung gestrichen, aber man bekommt einen guten Überblick über die wichtigsten Figuren. Außerdem bietet das Medium Film grundsätzlich bessere Möglichkeiten, in die Fantasiewelt einzutauchen. Zu dieser Atmosphäre tragen besonders die aufwändig gestalteten Schauplätze und Kostüme bei.

Eine ganz besondere und etwas andere Annäherung hat unlängst die Komische Oper Berlin gewagt: Gemeinsam mit der britischen Theatergruppe „1927“ entwickelte sie 2012 eine Aufführung, die Sänger auf der Bühne mit Filmanimationen verbindet. Dadurch entsteht eine außergewöhnliche Zauberwelt voller Überraschungen, die Film und Oper auf eine ganz neue Art verbinden kann.

Eine Oper ohne Sänger

Mit einer klassischen Oper hat „The End“ aus dem Jahr 2012 nicht mehr viel zu tun. Es gibt weder Sänger, noch ein Bühnenbild oder ein Orchester. Dafür kann der Zuschauer in ein vollkommen neues Erlebnis eintauchen: Die erste komplett computergenerierte Oper, die voller Überraschungen steckt. Die Geschichte handelt von der jungen Animefrau Miku Hatsune, einem Star der Szene mit langen, türkisfarbenen Haaren. Für sie hat sogar ein Designer von Louis Vuitton virtuelle Kleider gestaltet.

Die zentrale Frage des Stücks beschäftigt sich mit der Bedeutung des Todes und mit Sterblichkeit im Allgemeinen. Doch gestaltet es sich als äußerst schwierig, solche Fragen zu beantworten. Das muss auch Miku Hatsune am eigenen Leib erfahren. Sie wird mit der Tatsache konfrontiert, dass sie bald sterben muss und versucht deshalb auf ihre ganze eigene Art, damit umzugehen. Denn das Ende ist unausweichlich und wird mit ihrem Tod besiegelt. Doch die Handlung tritt mit der Zeit immer mehr in den Hintergrund und wird schwieriger nachvollziehbar, da die Handlungsorte und Themen immer skurriler und weltfremder werden. Dadurch bleibt sehr viel Interpretationsspielraum, aber auch vieles ungeklärt. Deshalb geht die Kernaussage in der Fülle an angeschnittenen Themen leider etwas unter.

Technisch gesehen kommt die Oper mit einem einzigen Musiker aus. Der Macher dahinter ist Keiichiro Shibuya. Er sitzt in einem viereckigen Kasten auf der Bühne und begleitet das Stück musikalisch. Ansonsten besteht das Bühnenbild lediglich aus Wänden für eine 3D-Projektion. Die Stimmen der Figuren werden mithilfe eines sogenannten „Vocaloid Synthesizers“ erzeugt und ähneln menschlichen Stimmen. Gerade Miku Hatsune ist damit sehr erfolgreich, nicht nur in der Oper. Diese Figur entstand bereits 2007 und ist seitdem vor allem in Japan immer populärer geworden – dort sind Musikalben und Konzerte einer 3D-Projektion nichts ungewöhnliches, sondern sehr beliebt.

Gegensätze ziehen sich an

Wie so oft kann man scheinbar Gegensätzliches meist besser verbinden, als es zunächst den Anschein hat und dadurch neue, einzigartige Kombinationen und Kompositionen schaffen. Wer weiß, wohin der Trend der animierten Oper in Zukunft noch führen kann. Denn eines ist sicher: Das Potenzial der Kombination lässt auf die Zukunft hoffen.

Foto: ITFS

Das Team hinter dem Film

von Andrea Kroner

Wie entsteht eigentlich ein Film aus einer Idee? Und welche Möglichkeiten gibt es, einen Animationsfilm zu produzieren? Verschiedene Studios haben sich im Rahmen des ITFS vorgestellt und einen kleinen Einblick in ihre Arbeit gegeben.

Studio Soi – Ludwigsburg

Im Jahr 2003 entschieden sich sieben Absolventen der Filmakademie, eine eigene Firma zu gründen – heute beschäftigen sie bis zu 100 Spezialisten aus aller Welt und produzieren erfolgreich Animationsfilme für Kinder. Eine ihrer bekanntesten Co-Produktionen ist „Der Grüffelo“, ein Kurzfilm über ein Ungeheuer, das von einer Maus das Fürchten lernt.

Derzeit verfolgt das Studio zwei verschiedene Projekte: Zum einen „Trudes Tier“ für „Die Sendung mit der Maus“. Die Idee dazu stammt aus dem eigenen Team und soll den Kindern helfen, mehr Vertrauen zu sich selbst zu entwickeln und fürs Leben zu lernen. Die andere Serie handelt vom Bären „Petzi“, der mit seinen Freunden zahlreiche Abenteuer bestehen muss. Hier dienen 35 Comics als Vorlage. Dadurch hat man einerseits eine Orientierungshilfe, muss sich aber auch überlegen, wie man die Inhalte am Besten in das Medium Film „übersetzen“ kann. Doch das Team hatte viele Freiheiten – oft entstand eine Episode aus einem einzigen Bild im Comic.

Il Luster – Utrecht

Dieses niederländische Studio hat sich auf unabhängige Kurzfilme spezialisiert und bisher schon mehr als 50 produziert. Gegründet wurde es 1996 von vier Produzenten, die sich seitdem ein weitläufiges Netzwerk aufgebaut haben. Im Laufe der Zeit kam auch die Produktion von Fernsehserien und zwei Langfilme hinzu. Das Publikum des ITFS konnten sie dieses Jahr so von sich überzeugen, dass der „SWR-Publikumspreis“ an einen ihrer Filme ging.

Saban Brands – Los Angeles

Die wohl bekannteste Serie dieses Studios sind die „Power Rangers“. Davon abgesehen hat es viel mit bekannten Marken gearbeitet und diese in Kinderserien verwandelt. So beispielsweise Paul Frank, dessen Tierfiguren in Vorschulalter versetzt und zu „Julius Jr.“ wurden. Auch das aktuelle Projekt „Luna Petunia“ arbeitet nach diesem Prinzip: Es nimmt die Akribatikshows des „Cirque du Soleil“ als Vorlage und macht daraus eine bunte Welt voller Überraschungen und magischer Wesen. Dabei hat sich nicht nur das Medium, sondern auch das Zielpublikum geändert. Es richtet sich an Mädchen im Vorschulalter und ist, wie alle Serien von „Saban Brands“, stark geschlechtsspezifisch.

LAIKA – Portland

Für seine Produktionen braucht dieses Studio nicht nur Computer zum Animieren, sondern auch Arbeitsraum in der Größe von 2,5 Fußballfeldern. Denn seine Filme entstehen durch Stop-Motion-Technik. Für jeden einzelnen Film werden deshalb mittels 3D-Druck Figuren und Hintergründe erschaffen – rund 60.000 verschiedene Gesichter, von denen über 5.000 an die Hauptfigur gehen, ebenso wie etwa 50 Perücken. Dadurch haben sie es beispielsweise bei „Coraline“ geschafft, über 90% der Szenen mittels Stop-Motion zu drehen.

Bei ihrer neuesten Produktion „Kubo – Der tapfere Samurai“ ist das anders: Viele Hintergründe wie beispielsweise Wasser sind nur sehr schwer nachbaubar. Deshalb werden sie mittels Computern animiert, die Figuren jedoch weiterhin in Kleinstarbeit bewegt. Denn an einem guten Tag können maximal drei bis vier Filmsekunden gedreht werden.

A Film Production – Kopenhagen

Nach seiner Gründung 1988 hat sich das Studio hauptsächlich mit Werbung, einer guten Einnahmequelle, beschäftigt. Mit Filmen beschäftigten sie sich erst nach dem Erfolg von „Arielle, die Meerjungfrau“. Die großen Studios konnte die Nachfrage nach klassischen Animationsfilmen nur stillen, indem sie kleinere Firmen engagierten. Mit „Jungle Jack“ entstand 1993 der erste eigene Film, der 400.000 Besucher in die Kinos lockte. Doch bei Eigenproduktionen muss das Studio enorm auf seine Kosten achten, mehr als zwei Millionen Euro Kosten kann es sich nicht leisten.  Um Risiko und Ausgaben noch weiter zu senken, stützen sie sich viel auf Co-Produktionen. Ihr Hauptpartner ist „Kiddinx“ mit Serien wie „Benjamin Blümchen“ und „Bibi Blocksberg“.

Ein breites Spektrum

Wie auch bei Spielfilmen kennt man meist nur die Filme der großen Studios. Doch blickt man einmal über den Tellerrand hinaus, kann man Erstaunliches entdecken. Denn auch kleinere Entwickler schaffen oft großartige Filme – das ITFS ist der beste Beweis dafür.

Foto: ITFS

Die fabelhafte Welt des Trickfilms – das ITFS in Stuttgart

von Andrea Kroner

Voll besetzte Kinos, Filme unter freiem Himmel, Computerspiele in einer virtuellen Realität. All das und noch viel mehr  konnten die 85.000 Besucher des Internationalen Trickfilmfestivals letzte Woche erleben. Schon zum 23. Mal lud das Festival Filmbegeisterte ein, die Welt des Animationsfilms zu entdecken – mit 1000 Beiträgen aus 55 Ländern.

Das Herz des Festivals

Tosende Vulkane und die Evolution der Menschheit in Kurzform können mithilfe neuester Techniken unglaublich realistisch dargestellt werden – man vergisst dadurch fast, dass man sich in einem Animationsfilm befindet. Danach werden die klassischen Superhelden aufs Korn genommen – mit einer Frau, die wie selbstverständlich ein Ufo zerstört. So wechseln sich skurrile, lustige, spannende und nachdenkliche Themen während des „Internationalen Wettbewerbs“ im Minutentakt ab.

Dieser bildet das Kernstück des gesamten Festivals und zeigt die besten Animationskurzfilme des vergangenen Jahres. Aber nicht nur die Themen, sondern auch die verwendeten Techniken sind vielfältig: Es gibt zum einen noch viele klassisch gezeichnete Filme, aber ebenso Stop-Motion und Computeranimation. Die Farbpalette reicht von Schwarz-Weiß über wenige Farbakzente bis hin zu schillernden Regenbogen – es ist für jeden etwas dabei. Mehr über die Gewinner…

Die Game Zone

Wie kann man noch mehr in das Spielerlebnis eintauchen? Wie kann man die Erfahrung noch realistischer gestalten? Damit beschäftigen sich Spielentwickler seit jeher – so entstanden „Virtual-Reality-Brillen“. Und auch in der Spielwelt des ITFS konnte man dieses Jahr die neueste Generation der Unterhaltungselektronik auf verschiedenste Arten erleben. Mit „Keep Talking and Nobody Explodes“ beispielsweise wird das Spiel mit der Realität verknüpft: Zwei Spieler müssen gemeinsam eine Bombe entschärfen. Das hört sich zunächst nicht allzu schwierig an, doch einer der beiden trägt eine VR-Brille und sieht nur die Bombe, der andere muss mithilfe eines Handbuchs Anweisungen zur Entschärfung geben. Natürlich könnte man das genauso gut an einem normalen Computer spielen, aber die virtuelle Realität macht es noch intensiver.

Kino mal anders

Wer sich keinen Festival-Pass kaufen wollte, konnte kostenlos an vielen Veranstaltungen des ITFS teilnehmen, unter anderem an den Spielen der Game Zone oder dem Open-Air-Kino auf dem Schlossplatz. Doch letzteres hatte dieses Jahr leider viel mit dem sprichwörtlichen Aprilwetter zu kämpfen. Und zusätzlich ein wenig mit der Technik – denn die 85m² große Leinwand fiel sogar komplett aus. Und das genau eine Stunde bevor der neue „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ gezeigt werden sollte. Das Problem konnte jedoch zeitnah behoben werden und dem Filmerlebnis stand nichts mehr im Wege – nicht einmal das Wetter. Insgesamt wurden an allen Festivaltagen viele spannende Filme gezeigt: Tagsüber Kurzfilme aus der ganzen Welt, die ähnlich vielfältig waren, wie das ITFS selbst. Nachmittags und abends folgten aktuelle Langfilme, darunter der diesjährige Oscar-Gewinner „Alles steht Kopf“. Die große Ausnahme bildete hierbei die Live-Übertragung der Oper „Rigoletto“ am Montag. Mehr zu Animation und Oper…

Der Animationsfilm ist schon längst kein Genre mehr, das sich nur an Kinder richtet. Dennoch bilden diese immer noch ein wichtiges Zielpublikum und wurden im Laufe der vergangenen Jahre immer mehr in das Festival mit eingebunden. In zahlreichen Workshops und Filmvorführungen bekommen sogar die Kleinsten die Möglichkeit, in die Welt der Animation einzutauchen.

Ein Highlight war es, zusammen mit richtigen Filmemachern einen eigenen, kleinen Film produzieren zu können. Es wurde fleißig gemalt, geknetet und gebastelt, um vor der Kamera das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Entstanden sind dabei verschiedenste Ideen – von einem Pinguin im Büro bis zu einer abenteuerlichen Weltraummission.

Um zu sehen, wie professionelle Filmemacher ihre Werke gestalten und sich vielleicht etwas für die eigenen Ideen abzuschauen, gab es in den täglichen Vorstellungen viel zu sehen – dabei waren häufig Regisseure anwesend, die sich den Fragen der neugierigen Kinder stellten. Am Sonntag wurde sogar der Preis für den besten Kinderfilm von einer Jury bestehend aus sechs Kindern zwischen neun und dreizehn Jahren vergeben. Er ging an die spanische Produktion „Alike“. Dieser spielt sehr stark mit verschiedenen Farben und Körpersprache, denn er funktioniert ohne Sprache. Darüber hinaus zeigt er die traurige, ernste Seite des Animationsfilms. Genau diese Andersartigkeit gefiel der Jury besonders.

Eine bunte Mischung

Insgesamt konnte das Festival wieder mit einem außergewöhnlichen und vielfältigen Programm überzeugen, das den Zuschauer abwechselnd zum Lachen, Weinen oder Nachdenken brachte.

Foto: ITFS

Michael Stone – die unglückliche Puppe

Von Maya Morlock

„Anomalisa“ erzählt die Geschichte eines erfolgreichen, aber einsamen Buchautors, der durch die Begegnung mit einer wundervollen Frau neuen Lebensmut schöpft. Der gefeierte Stop-Motion Film von Charlie Kaufmann und Duke Johnson(Regie) belegte bereits beim internationalen Filmfestival in Venedig den ersten Platz. Bei uns ist er ab dem 27. Januar 2016 zu sehen.

Von Einsamkeit und dem Lichtschimmer

17178312972_9f01c592a0_zMichael Stone wirkt nicht gerade glücklich: Seine missmutige Miene spricht Bände, die Augen sehen ins Leere und er hat die Tendenz seinen Kopf hängen zu lassen. Der Buchautor, der Ratgeber zur Kundenzufriedenheit in der Servicegesellschaft verfasst, ist geschäftlich zu Gast in Cincinnati in Ohio, um einen Vortag zu halten. Gerade von ihm sollte man meinen, er sei ein offener und kommunikativer Mensch, doch er lebt in der Isolation, in seiner eigenen Blase, durch die niemand einen Draht zu ihm findet. Die Menschen um ihn herum gehen auf ihn zu, unterhalten sich mit ihm, doch er versucht nur das Nötigste zu sprechen. Selbst seinen Sohn wimmelt er am Telefon ab. Doch dann lernt er die schüchterne Lisa im Hotel kennen und für einen kurzen Moment scheint er der Einsamkeit entkommen zu sein…

Viel Herz und eine brillante Technik

Dieser Stop-Motion Film macht seinem Ruf alle Ehre: Die Puppen sind vom Feinsten und die Animationen sind herrlich anzusehen. Auffällig bei den Puppen ist eine Art Naht, die zwischen den Augen und bis zum Ohr verläuft, als sei ein Kopfstück aufgesetzt worden. Es sieht immer ein bisschen so aus, als trage jede Figur eine Brille. Der ästhetische oder inhaltliche Grund wird nicht aufgelöst. Den guten Gesichtsausdrücken und der Wirkung der Figuren tut dies aber keinen Abbruch: Ohne viele Worte erkennt man die Leere in Michaels Mimik und die zurückgezogene Haltung von Lisa entlarvt sofort ihre Schüchternheit im Umgang mit fremden Menschen. Die Stop-Motion-Technik hat es so an sich, dass die Bewegungen etwas unnatürlich und abgehackt aussehen. Wo die neueren Stop-Motion-Techniken, beispielsweise bei Tim Burtons „Corpse Bride“, diese Brüche kaum mehr erkennen lassen, sind sie in diesem Meisterwerk unübersehbar. Die Szenen scheinen bis ins kleinste Detail geplant und auch das Licht wird gut in Szene gesetzt. Auffällig und verwirrend sind die Frauenstimmen: Sie werden alle von demselben Mann gesprochen, der tiefere Sinn entpuppt sich relativ weit am Ende und lässt die Brillanz dieses Films erkennen.

Der Puppenfilm für Erwachsene

Wer nun meint „Puppenfilm“ gleich Kinderfilm liegt bei „Anomalisa“ komplett daneben: Die Geschichte, die aus der Feder des Oscarpreisträgers („Vergiss mein nicht“) Regisseur Charlie Kaufmann, stammt, grübelt über den Sinn des Lebens und die Menschlichkeit. Was macht das Leben lebenswert und wie entkommt man einem tristen Dasein in der Isolation? Gibt es ab einem gewissen Grad überhaupt noch das Glück? Oder ist alles nur ein anfänglicher Schein, der dann wie eine Rauchwolke zu verpuffen droht?

Ein Film mit enorm viel Liebe zum Detail und Spielraum für eigene Interpretationen – Das ist „Anomalisa“.

Fotos: flickr.com/gilles chiroleu (CC BY-NC 2.0), flickr.com/Heinrich Plum (CC BY-ND 2.0)

Hundeliebe über den Tod hinaus: Tim Burtons „Frankenweenie“

von Jacqueline Göron

„Schlafende Hunde weckt man nicht“. Dass diese Redewendung nicht für tote Hunde gilt, beweist Tim Burton in seiner Neuauflage von Frankenweenie.

Bereits 1984 war Burtons Original als Kurzfilm erschienen. 2012 wagte sich der bekannte Produzent und Filmregisseur an ein Remake in Spielfilmlänge – mit altbewährter Stop-motion-Technik und liebevoller Gestaltung erfährt sein Werk einen Neuanstrich in Schwarz-Weiß und 3D.

Handlung

Der zehnjährige Victor Frankenstein lebt mit seinen Eltern und seinem Hund Sparky in einer kleinen Stadt mit dem Namen New Holland. Als eines Tages sein Hund Sparky stirbt, weil er einem Ball nachläuft und daraufhin von einem Auto angefahren wird, ist Victor untröstlich, denn mit dem geliebten Hund stirbt auch Victors einziger Freund. Als tags darauf der neue Naturkundelehrer, Mr. Ryzkrusky, erklärt, wie die Muskeln eines toten Frosches durch Elektrizität zum Zucken gebracht werden können, wird Victor aufmerksam und eine kuriose Idee entsteht. Warum nicht den eigenen Hund mittels Elektrizität wieder zum Leben erwecken? Victors Affinität zur Wissenschaft und sein inniger Wunsch, seinen besten Freund wieder zu bekommen, lassen das Experiment gelingen. Jedoch nicht ohne Konsequenzen: als sich Sparkys Auferstehung von den Toten herumgesprochen hat, überschlagen sich die Ereignisse und wenig später verwüsten Monster die Stadt. Mit viel Mut und Hund Sparky an seiner Seite, zieht Victor in den Kampf, den Monstern den Garaus zu machen.

Victor als Held im Kampf gegen unbändige Monster? Nach dieser Szene würde man im Kurzfilm von 1984 vergeblich suchen, handelt es sich hierbei doch lediglich um eine von vielen Ausschmückungen, die Tim Burton inszeniert hat, um die Länge eines Spielfilms zu erreichen. Was sich in erster Linie problematisch anhört, erweist sich schließlich jedoch als durchaus gelungen, denn Burton fügt nicht einfach bedeutungslos Handlungsstränge aneinander. Die knapp sechzig zusätzlichen Minuten die zu ergänzen sind, füllt der Kultregisseur mit witzigen Anekdoten, Filmzitaten und logischen Handlungsergänzungen. Der Angriff der Monster auf die Stadt vereint so gleich zwei selbstreferenzielle Elemente, wie sie auch in anderen Burton-Filmen immer wieder auftauchen. Zum einen schlägt er eine Brücke zur Eröffnungsszene, in welcher Victor seinen Eltern einen selbstgedrehten Horrorfilm mit verblüffend ähnlicher Thematik zeigt.

Godzilla trifft auf American Werewolf

Zum anderen verwendet Burton keine 08/15 Monster, sondern Monster aus bekannten Horrorklassikern. Die Tiere der Klassenkameraden verwandeln sich dementsprechend in eine „Godzilla-Schildkröte“, in Urzeitkrebs- Gremlins und in eine fliegende Ausgabe einer American-Werewolf-Katze. Burton der selbst ein großer Fan von Horrorklassikern wie Frankenstein ist, inszeniert viele der Charaktere als Hommage an eben diese Meilensteine des Genres. Beginnend mit Sparky, der genau wie Frankensteins Monster aus Einzelteilen zusammen geflickt ist, bis hin zu Victors Klassenkameraden die verblüffende Ähnlichkeit mit Figuren aus Mad Scientist Movies, wie Frankensteins Monster und Frankensteins buckligem Assistenten Igor, aufweisen. Und dann wäre da noch Mr. Ryzkrusky der Burtons großem Idol Vincent Price (bekannt aus etlichen Edgar-Allen-Poe- Verfilmungen) ähnelt.

Tim Burton als verrückter Wissenschaftler?

Kein Projekt lag Burton je mehr am Herzen als die Neuauflage von Frankenweenie. Laut eigener Aussage spiegele keiner seiner Filme so viel seiner eigenen Vergangenheit wieder. Die Parallelen zu Burtons Leben sind offensichtlich, so sah er sich früher ebenfalls als Außenseiter, der ein starkes Interesse für die Produktion von Filmen entwickelte. Schon früh begann er mit dem Zeichnen und Produzieren eigener Werke. Außerdem war Burtons Traumberuf früher der eines verrückten Wissenschaftlers, was sicher auch seine Liebe für den Horrorklassiker Frankenstein prägte (Vorlage für Frankenweenie). Wie Victor hatte auch Burton einen Hund als treuen Weggefährten, der früh starb. Burtons eigene Betroffenheit lässt den Film Frankenweenie ehrlich wirken und hebt die wahre Bedeutung der Freundschaft hervor. Wer verliert schon gerne einen Freund?

Burton bleibt seinem Stil treu

Natürlich bietet das Remake in Stop-Motion-Form auch die, für Burton-Produktionen, typischen Elemente wie: die musikalische Untermalung von Danny Elfman, die düstere Atmosphäre und natürlich die skurrilen Charaktere. Doch die wahre Bedeutung und Relevanz des Films Frankenweenie ist auf die persönliche Betroffenheit des Regisseurs zurückzuführen, welche den Film authentisch wirken lässt – und das, obwohl wir wissen, dass es Frankensteins Monster nicht gibt… Das einzige Manko der Neuverfilmung dürfte eine gewisse Langatmigkeit sein, die einem vor allem dann auffällt, wenn man den Kurzfilm aus dem Jahre 1984 kennt. Dies ist jedoch zu verzeihen, bedenkt man, dass der Film nun die dreifache Länge des „Originals“ besitzt.

Alles in allem ist Tim Burton mit Frankenweenie mal wieder ein toll inszeniertes Gruselmärchen mit wichtiger Botschaft gelungen: Das Wecken toter Hunde scheint weit weniger gefährlich, als es das Wecken schlafender Hunde sein kann…

FRANKENWEENIE, USA 2012 – Regie: Tim Burton Buch: John August. Kamera: Peter Sorg. Schnitt: Chris Lebenzon, Mark Solomon Musik: Danny Elfman. Mit: Charlie Tahan, Catherine O’Hara, Martin Shaw. FSK 12. 87 Minuten.

 

Fotos: flickr/insidethemagic; flickr/mooshuu