Bild: Robert Nieto/George Margelis

Ein Gespräch über Autogrammkarten, Entscheidungen und Traumjobs

Ein Portrait über Stephan Ebmeyer

Von Lena Gehring

Stephan Ebmeyer ist Reporter, Moderator und Schlussredakteur beim SWR. 

Ich treffe ihn aufgrund der anhaltenden Pandemie früh morgens via Zoom zu einem etwa halbstündigen Gespräch über das Leben, den Beruf und die Zukunft. 

 

Wer ist Stephan eigentlich und wie kam er nach Tübingen?

Lena Gehring: Von 2004 bis 2007 hast du Medienwissenschaft in Tübingen studiert. Und das, nachdem du dein Diplom als Wirtschaftsinformatiker abgeschlossen hast. Wie kam es dazu, da noch einen Master in der Medienwissenschaft draufzusetzen?

Stephan Ebmeyer: Das war eine glückliche Schicksalsfügung. Schon während meines Studiums in Paderborn habe ich gemerkt, dass mir zwar die technische Richtung liegt und ich dafür ein gewisses Faible habe, aber das reine Programmieren, wo man tatsächlich nur am Rechner sitzt und eigentlich so gut wie kaum soziale Kontakte hat, nicht meins ist. Daraufhin habe ich mich auf das besonnen, was mir darüber hinaus schon immer sehr wichtig war: das Generieren von Medien bzw. mit der Kamera zu arbeiten. Schon mit 14 lief ich eigentlich immer mit einer kleinen Videokamera in der Hand durch die Gegend und habe ständig Videos gemacht – von allem und jedem. Daher habe ich mich mal schlau gemacht, wie man das eigentlich beruflich angehen kann. So bin ich draufgekommen, dass man in Tübingen und auch in Stuttgart an der HDM so etwas studieren kann – und zwar als Aufbaustudium. Ich wollte nicht komplett wieder drei bis sechs Jahre studieren. Ich wollte eher an mein Gelerntes anknüpfen und Tübingen war dann tatsächlich die Adresse, die am schnellsten funktioniert, und die mich sofort eingeladen hat.

Lena Gehring: Was aus deinem Studium in Tübingen hat dir auch später für deinen Job etwas gebracht und was eher nicht?

Stephan Ebmeyer: Die Praxiserfahrungen haben mir am meisten geholfen. Natürlich zehre ich auch immer noch von der theoretischen Basis. Aber das war damals für mich, als ein ganz harter Quereinsteiger, der noch nie für eine Zeitung geschrieben oder für einen Radiosender gearbeitet hat und vom Fernsehen keinerlei Ahnung hatte, sehr graue Theorie. Es fühlte sich alles sehr, sehr weit entfernt von der tatsächlichen Praxis an. Und leider muss ich mittlerweile sagen, war es das auch ein Stück weit. In Tübingen war das Studium sehr theoretisch, sehr universitär, sehr intellektuell anspruchsvoll. Deswegen hat mir am meisten tatsächlich die Praxis geholfen, beispielsweise durch praxisnahe Uni-Projekte. Aber auch das Tübinger CampusTV oder die Französischen Filmtage waren klasse. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt:

„Hey, du kannst das und es macht dir so viel Spaß, dass du das auch perspektivisch machen möchtest“.

In den Vorlesungen und in den Seminaren war ich mir damals darüber noch nicht ganz klar, weil ich zum Beispiel mit dem Schreiben Probleme hatte. Das musste ich mir erst mühsam beibringen. Ich kam eben aus diesem „Informatiker Kram“, wo man einen Quellcode geschrieben hat, der entweder funktionierte oder eben nicht. Dass Leute sagen, dass ihnen dein geschriebener Text nicht gefällt, war völlig neu für mich. Ich hätte mir damals aber noch mehr Praxis, noch mehr Input von Leuten, die genau dort arbeiten, gewünscht. Zu dem damaligen Zeitpunkt – das ist ja auch kein Geheimnis – waren die meisten Dozent*innen oder Professor*innen Leute, die im Prinzip nie in ihrem Leben das gemacht haben, was ich aktuell jeden Tag mache.

Lena Gehring: Was würdest du den Tübinger Studierenden mitgeben, die sich aktuell auch für den Bereich Film und Fernsehen interessieren? Was sollen sie auf jeden Fall tun?

Stephan Ebmeyer: Ich würde möglichst viele Bereiche ausprobieren, und zwar auch solche, bei denen man vielleicht mit einem eher schlechten Bauchgefühl rangeht und noch gar nicht weiß, ob das so sein Ding ist. In meinen Augen ist nichts besser, als Dinge für sich ausschließen zu können. Ich war beispielsweise mal in einer Sportredaktion während meines Volontariats tätig, da ich einfach ausprobieren wollte, wie sich der Bereich für mich anfühlt. Im Nachhinein hat sich dann aber doch das bestätigt, was ich anfangs auch vermutet hatte – es war nichts für mich. Aber das Ausprobieren und Sammeln von Erfahrungen, das war toll. Ich empfehle daher jedem, einfach mal ein Praktikum zu machen. Und auch, wenn ich aus dem öffentlich-rechtlichen Kosmos bin, sind praktische Erfahrungen bei Privatsendern ebenso eine tolle Möglichkeit. Das habe ich damals auch gemacht. Bei ntv durfte ich sehr viel praktisch arbeiten und den richtigen Arbeitsalltag erleben. Man könnte es auch betiteln mit „als billige Arbeitskraft missbraucht“, aber in dem Stadium, in dem ich mich damals befunden habe, war es Gold wert.

Stephans Werdegang und darüber, wie schwer (oder auch nicht) es ist, beim ZDF einen Platz zu bekommen 

Lena Gehring: Bezüglich öffentlich-rechtlichem Praktikum: Wie schwierig ist es denn wirklich, beim ZDF reinzukommen? Es ist ja doch eine ganze Bandbreite an Wissen und Praxis, die man mitbringen muss…

Stephan Ebmeyer: Ja, das stimmt. Damals das Praktikum zu bekommen war gar nicht so schwierig. Ich habe mich wie viele andere auch zentral beworben. Ich hätte mir aber von meinem damaligen Professor, der offenbar recht gute Verbindungen zum ZDF hatte, gewünscht, dass er in dem Bereich mehr für die Studierenden tut. Beispielsweise, dass man eine echte Kooperation mit dem ZDF auf die Beine stellt und etwa drei bis fünf Praktikumsplätze für Tübinger Studierende freihält. Sowas gab es meines Wissens nicht mal mit dem Südwestrundfunk oder dem Standort in Tübingen. Das hätte ich mir professioneller und organisierter gewünscht.

Aber zur Frage: Mein Praktikum beim ZDF lief gut und war daher auch mein Einstiegsticket für meinen späteren Job dort. Just in dem Moment als ich nämlich mit meinem Studium fertig war – echt ein riesen Glücksfall – wurde genau in der Redaktion, in der ich mein Praktikum gemacht habe, eine Stelle als Redaktionsassistent frei. Ich weiß nicht, ob ich den Job ausüben würde, den ich aktuell mache, wenn das damals nicht so abgelaufen wäre und ich nicht sofort den Einstieg geschafft hätte. Früher oder später hätte ich sonst sicherlich die Flinte ins Korn geworfen. Dazu eine kleine Randnotiz: Schon als ich beim ZDF gearbeitet habe, habe ich mich dort auf ein Volontariat beworben – und wurde relativ schnell abgelehnt. So läuft das eben. Das Geschäft ist knüppelhart, was damals aber auch einfach der riesigen Bewerberzahl geschuldet war. Durch die Auswahl wurde dementsprechend ausgesiebt.

Lena Gehring: Und dann sehe ich heute auf deinem Instagram, dass bereits 2016 deine erste schriftliche Anfrage für eine Autogrammkarte hereingeflattert ist. Also hat doch alles funktioniert. Wie spannend war deine Reise bis dahin?

Stephan Ebmeyer: (lacht) Das war alles schon sehr spannend. Beim ZDF angefangen habe ich auf einer Basis von Drei-Monats-Verträgen, das heißt, dass ich alle drei Monate gezittert habe, ob mein Arbeitgeber meinen Vertrag verlängern wird oder ob es das war. Ich habe zu der Zeit auch nicht furchtbar viel Geld verdient. Das hat sich später alles besser entwickelt, aber es war auch ein harter Kampf bis dahin. Als ich zum SWR gewechselt bin, hat mich mein nicht vorhandenes Volontariat immer ein bisschen ausgebremst. Als ich noch beim ZDF gearbeitet habe, war das lange Zeit kein Thema, da es auch viele andere gab, die nicht volontiert hatten. Jedoch hatten diejenigen, die volontiert hatten, ganz andere Möglichkeiten, sich im Sender zu entwickeln. Das war zwar beim SWR ähnlich, aber dort gibt es eine sogenannte Sechs-Jahres-Grenze, an der dann meistens ausgesiebt wird. Als freie*r Mitarbeiter*in im journalistischen Bereich kann man problemlos sechs Jahre beim SWR arbeiten und hat danach einen sogenannten „Bestandsschutz“, das heißt, man kann nicht mehr so schnell und einfach gekündigt werden. Daher prüft der SWR da nochmal ganz genau, ob die Voraussetzungen stimmen, also ob ein Studium, ein Volontariat etc. vorhanden sind. Das war und ist immer noch für viele Kolleg*innen eine Hürde, da man sich entscheiden muss, ob man noch ein Volontariat dranhängt oder sich noch in eine zusätzliche Redakteursausbildung begibt. Das war auch mein Entscheidungsproblem, vor dem ich stand. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon über dreißig und hatte ehrlich gesagt wenig Lust noch weitere eineinhalb Jahre zu lernen. Schlussendlich habe ich mich aber für ein Volontariat entschieden – es war die beste Entscheidung. Im Volontariat waren Theorie und Praxis nochmal wichtig, aber vor allem das Netzwerk, welches ich hier gewonnen habe, war und ist Gold wert. Davon profitiere ich bis heute. Diese Kontakte bleiben auch danach oft noch bestehen. Ich habe da schon den Schritt in die ARD-Redaktion, genauer zu ARD-aktuell, gemacht. ARD-aktuell beliefert die Tagesschau, die Tagesthemen, das Morgenmagazin, das Mittagsmagazin, das Nachtmagazin, Brisant und so weiter mit Themen und Input. Das war für mich ein echter Traumjob, den ich unbedingt machen wollte. Dort war ich super happy und konnte mich voll ausleben – über kurze Nachrichtenbeiträge bis hin zu langen Magazinbeiträgen, Liveschalten und Reportagen.

Lena Gehring: Wie sieht denn heute ein typischer Arbeitsalltag für dich aus? Gibt es sowas wie einen Alltag bei dir überhaupt?

Stephan Ebmeyer: Selten, und das ist für mich persönlich auch gut so. Ich bin kein „nine to five“ Mensch, der morgens ins Büro kommt und bis 17 Uhr am Schreibtisch sitzt. Ich brauche die Abwechslung, das Erleben von Überraschungen und nicht das am Schreibtisch „festgetackert sein“. Klar gibt es auch für mich Schichten und Dienste, bei denen diese Arbeitsweise angesagt ist, aber das sind zum Glück Moderationsschichten, bei denen ich zwischendurch auch moderiere. So macht mir auch das auf jeden Fall Spaß. Ich mag die Abwechslung, dass man immer neue Leute trifft, immer an neuen Orten ist und immer auch hinter die Kulissen von diversen Sachen schauen kann. Das finde ich das aller Beste an meinem Job. Ich habe schon Dinge gesehen, die bekommt man als „Normalo“ so niemals zu Gesicht.

Lena Gehring: Du warst Mitentwickler und Moderator des Kurzformats #kurzerklärt für die Tagesschau. Kannst du mir das Format auch mal #kurzerklären?

Stephan Ebmeyer: (lacht) Na klar. Die Idee war ein Videoformat – ein Erklärformat – zu schaffen, das hauptsächlich für die Nutzung auf Social Media konzipiert ist, sodass man die Inhalte dort dann teilen, liken und kommentieren kann. Der oder die Moderator*in ist dabei für das Publikum ansprechbar. Das heißt, dass der oder diejenige, der/die das Video gemacht hat, online mitdiskutiert und mitkommentiert. Das war die Kernidee. Es gab damals in den USA schon ein ähnliches Format, das zwar etwas länger war, aber bei dem ein sichtbarer Mensch das Format moderierte. Ich wollte das Format damals ohne Gesicht im Vordergrund aufsetzen, sodass die Menschen nur die Grafiken und Bilder sehen konnten. Schnell wurde diese Idee aber von der Hierarchie überstimmt, die eine*n Moderator*in wollten und zu mir sagten:

„Wir machen das mit einem sichtbaren Moderator und Sie sind einer davon. Sehen Sie zu, dass es funktioniert“.

Wir haben das Ganze innerhalb von zwei Monaten in einem ganz kleinen Team schlussendlich entwickelt. Eines habe ich damals im Bereich der Formatentwicklung gelernt: Es ist wichtig, dass ein Format immer von den Leuten entwickelt und konzipiert wird, die es später auch machen und nutzen müssen. Es gibt oft Tendenzen, dass Redaktionen sowas den Hierarchen überlassen, aber das ist meist keine gute Idee. Bei Audi und Mercedes werden die Autos ja auch nicht von der Chefetage aus entwickelt, sondern von den Leuten, die das jeden Tag machen und daher wissen, wie das geht. In unserem kleinen Team hat uns keiner reingeredet. Das war super. Wir hatten unglaublich viele Freiheiten, es gab kaum Erfolgshürden, die wir nehmen mussten und so wurde das Projekt ein echter Erfolg. Wir haben eine unglaubliche Reichweite damit generiert und auch Zielgruppen erschlossen, die wir mit unseren linearen Kanälen so bis heute nicht erreichen.

Lena Gehring: War das einer deiner persönlichen Erfolgsmomente?

Stephan Ebmeyer: Absolut. Das war wirklich ein riesengroßer Erfolgsmoment, weil wir gemerkt und gesehen haben, dass es funktioniert, und stetig besser wurde. Wir haben das Format immer weiterentwickelt, weil wir gerade am Anfang auch viele Sachen falsch gemacht oder nicht optimal gestaltet haben. Beispielsweise haben wir bei Facebook-Videos realisiert, dass die Leute unser Video nicht unbedingt mit Ton anschauen, sondern es tonlos in ihrer Timeline sehen und daher gar nicht genau wissen, um was es da eigentlich geht. Also brauchten wir Untertitel. Damals gab es noch keine automatisierten Untertitel oder eine Funktion, mit der man sie hätte hochladen können. Wir mussten die Untertitel also ins Video direkt einbauen. Das ist heutzutage alles Standard, 08/15. Da denkt heute keiner mehr drüber nach. Damals haben wir aber feststellen können, dass unsere Abo Zahl durch die Untertitel plötzlich explodierte, weil die Leute das Format nun auch ohne Kopfhörer auf dem Handy oder an ihrem Rechner im Büro (länger) konsumieren konnten.
Erkenntnisse wie diese oder auch das Anschauen von Nutzungszahlen mittels Fragen wie „Wann steigen die Leute aus?“, „Wo hat das Video nicht funktioniert?“, „Wer guckt das Format überhaupt?“, „Wie alt sind die Leute?“, „Was haben sie für Interessen?“ oder „Wie viele Kommentare gibt es dazu?“ haben uns weitergebracht und unser Format stets optimiert.

Lena Gehring: Kurzer Bogen zum Anfang und zu deiner Aussage, dass du seit nunmehr zwei Jahren bei SWR Aktuell Rheinland-Pfalz arbeitest. Hast du hier deinen Traumjob gefunden, Stephan?

Stephan Ebmeyer: Das ist eine schwierige Frage. Meinen Traumjob hatte ich eigentlich vorher, muss ich ehrlich sagen. Mein damaliger Job war etwas, was ich mir erträumt hatte und was ich unbedingt machen wollte. Dass ich es dann so schnell erreiche, war nicht geplant, war aber super. Irgendwann war es dann aber auch gut. Ich habe gemerkt – etwa nach sechs Jahren – dass sich alles in gewisser Weise wiederholt. Ich hatte den Drang, wieder etwas Neues zu sehen. Es gibt Leute beim SWR, die machen den gleichen Job dreißig, vierzig Jahre lang und sind damit happy, aber ich bin dafür nicht gemacht. Ich brauche neue Herausforderungen. Eine solche neue Aufgabe hat mir mein jetziger Job geboten. Hier mache ich andere Sachen und habe viele Freiheiten. Beispielsweise konnte ich in dieser Position auch mal einen Dokumentarfilm drehen und mir so Freiräume schaffen, die ich in meinem alten Job nicht gehabt hätte.

Lena Gehring: Dokumentarfilm ist ein gutes Stichwort. Auf deinem Instagram-Account kommt deine Vorliebe für Cybersicherheit und auch den Cyberbunker sehr stark zum Vorschein. Wie kamst du zu diesem Thema für deine Dokumentation und was ist daran für dich so spannend?

Stephan Ebmeyer: Das war eines der letzten großen Themen, die ich damals noch für ARD Aktuell also in der Tagesschau Redaktion gemacht habe. Das Thema Cyberbunker hat mich damals einfach so fasziniert, als ich in der Pressekonferenz saß, dass ich mir gedacht habe, eine solch unglaubliche Geschichte braucht mehr Aufmerksamkeit als „nur“ einen Eine-Minute-Dreißig-Beitrag, der um 20 Uhr in der Tagesschau läuft und dann nur noch einmal, wenn der Prozess beginnt und abschließend, wenn das Urteil gesprochen wurde, mediale Aufmerksamkeit erhält. Ich habe einfach gemerkt, dass es irre ist, was da passiert und wie viele ungeklärte Dinge es gibt. Ich wusste, dass ich da dranbleiben muss und es stärker, tiefer und breiter erzählen sollte. Klar, dafür muss man ein gewisses Faible und Know-how haben, allein um das technisch zu verstehen. Cyber ist generell kein einfaches, triviales Thema. Ich habe mir damals jemanden gesucht, der in diesem Bereich schon Erfahrungen hatte. Mit ihm habe ich das Projekt dann zusammen verwirklicht. Man kommt ohne Erfahrungen oder jemanden an seiner Seite, der diese hat, nur sehr schwer in die Dokumentarfilmwelt rein. Da heißt es dann oft: „Hast du das schon mal gemacht?“, und dann musst du „Nein“ sagen. Oft folgt dann eine Absage, da dem Sender das Projekt zu riskant ist oder andere Kolleg*innen zuerst berücksichtigt werden. Durch den „Trick“, jemanden zu suchen, der schon Erfahrung mit Dokumentarfilmen hat und mich mit reinziehen konnte, hat es in meinem Fall funktioniert.

Wie es für Stephan weitergeht: Über Zukunftspläne und -ängste

Lena Gehring: Hast du bereits Zukunftspläne oder auch -ängste vor dem was kommt? Eine Anstellung als freier Journalist ist ja doch etwas anderes als ein unbefristeter Job in der Industrie…

Stephan Ebmeyer: Schwierige Frage. Zukunftsängste? Ja und Nein. Nicht in Bezug auf meinen Job, da ich schon so lange beim SWR dabei bin, dass meine Position hier recht sicher ist und ich Bestandsschutz genieße. Auch wenn ich auf dem Papier freier Mitarbeiter bin, mache ich mir eher weniger Sorgen, dass ich von heute auf morgen rausgeschmissen werde. So tickt der Laden nicht. Natürlich wird die Finanzsituation zukünftig bei den Öffentlich-Rechtlichen nie mehr so gut sein, wie sie es einmal war, aber dass Leute wie ich einfach „entsorgt“ werden, das halte ich doch für recht unwahrscheinlich. Da müsste die Not schon sehr groß sein, aber es ist natürlich nicht ausgeschlossen. Deswegen habe ich schon zumindest ein bisschen Sorge, ja. Aber meine größte Angst in Bezug auf die Zukunft ist, dass wir die Transformation hin zu digitalen Inhalten, diese Distribution hin zum Digitalen nicht schnell genug und nicht gut genug hinbekommen. Da tut sich gerade sehr viel. Davon ist vieles auch sehr sinnvoll. Was mich hingegen beängstigt ist, dass viele Produktionen mittlerweile zu Produktionsfirmen ausgelagert werden, bei denen neue, ganz freie Mitarbeiter, die gar nichts mehr mit dem Sender zu tun haben, für die Inhalte verantwortlich sind. Ich beispielsweise habe zum digitalen Bereich beruflich kaum Berührpunkte, würde das aber gerne machen. Allerdings wird in unserer Redaktion das Lineare hochgehalten. Das Prinzip lautet:

„Das ist dein Job, dafür wirst du bezahlt. Alles andere ist erstmal nicht angesagt“.

Das finde ich schade. Ich sehe auch noch nicht, wie da ein Wandel stattfinden kann. Eine Veränderung kann nur geschehen, wenn von oben entschieden wird, dass im linearen Programm deutlich weniger Aufwand betrieben wird und diese freien Ressourcen ins Digitale umgeschichtet werden. Da das im Moment noch nicht der Fall ist, sehe ich hier die größte Baustelle der nächsten fünf bis zehn Jahre. Das Thema digitale Inhalte muss in den nächsten Jahren auf jeden Fall mehr angegangen werden. Aktuell traut sich da noch keiner so wirklich ran, was mir Sorgen bereitet.

Was meine Berufsentscheidung angeht ist das natürlich eine individuelle Antwort auf deine Frage. Für mich persönlich war meine Berufsentscheidung gut, ich habe unglaublich tolle Dinge erfahren, gesehen und erlebt. In keinem anderen Job hätte ich solche Chancen bekommen. Aber ich habe auch echt viel Glück gehabt und habe oft einfach zur richtigen Zeit an den richtigen Stellen gesessen. Zudem habe ich viel und hart für meinen Erfolg und dafür gearbeitet, Dinge machen zu können, die mir wichtig sind. Es ist eben kein Selbstläufer. Nicht bloß, weil man den Sprung über die Zugbrücke rein ins Schloss schafft, darf man für alle Zeiten glückselig dortbleiben und alles machen was man will. Das ist immer noch ein harter Kampf. Man muss immer auch Dinge machen, die einem vielleicht keinen Spaß bereiten. Das ist eine Entscheidung, die muss jede und jeder für sich selbst treffen. Wer zum Beispiel die Unsicherheit als freie*r Mitarbeiter*in nicht mag und lieber eine Festanstellung mit Urlaubs- und Weihnachtsgeld anstrebt, für die oder den ist dieser Job nichts. Aber selbst bei Sicherheitsinteressen ist man im Journalismus nicht völlig verkehrt: Viele private Sender handhaben das beispielsweise anders und stellen Mitarbeiter*innen häufiger fest an. Ich weiß das von Kolleg*innen, bei denen das so ist. Beispielsweise beim regionalen Sat1 Format in Rheinland-Pfalz. Im Gegenzug sind die Mitarbeiter*innen dort aber nicht so gut und chic finanziell ausgestattet, wie wir das beim Öffentlich-Rechtlichen sind. Ich verdiene als freier Mitarbeiter hier deutlich mehr. Ich habe durch meinen Job eben mehr Unsicherheiten, aber auch mehr Freiheiten – und das schätze ich sehr.

Lena Gehring: Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.