Die schwarzen Schafe der katholischen Kirche

von Maya Morlock

Nach einer wahren Begebenheit ermittelt das Journalisten-Team „Spotlight“ im gleichnamigen Film von Tom McCarthy, der am 25. Februar 2016 in die deutschen Kinos kommt, im Falle einiger weniger Missbrauchsfälle. Katholische Geistliche, die sich an Kindern vergreifen – das scheint zunächst unvorstellbar. Der akribische Enthüllungsjournalismus deckt jedoch ein unvorstellbares Ausmaß und die übermächtige Maschinerie dahinter auf.

Ein Opfer

Photo by Kerry Hayes - © 2015 - Open Road Films

Photo by Kerry Hayes – © 2015 – Open Road Films

Sascha Pfeiffer (Rachel McAdams) sitzt einem großen und kräftigen Mann gegenüber. Das Diner ist nicht all zu voll. Der übergewichtige Mann verliert durch seinen unruhigen Blick und seine zusammengekauerte Haltung jegliche Souveränität. Nur sehr leise spricht er, sodass er nur schwer zu verstehen ist. Seine traumatischen Erlebnisse versucht er mit einem gekünstelten Lächeln zu überspielen – Fehlanzeige. Der gebrochene Mann erzählt von seinem ersten Mal. Seine ersten sexuellen Erfahrungen hatte der Homosexuelle mit einem mehr als doppelt so alten Pfarrer. Auch wenn er nicht vergewaltigt wurde, so nagen diese Erinnerungen an der jungen Psyche. Der Pfarrer nutzte seine Autorität und seinen spirituellen Einfluss schamlos aus – der Mann: ein Wrack seiner selbst. Moralisch erpresst wurde er – dem Diener Gottes darf man nicht widersprechen. Der große Mann bricht in Tränen aus, starke Hülle – zerbrochener Kern!

Realität – kein Wunder

Dieser Film zeigt, wie das Boston Globe Team „Spotlight“ zu ihren Erkenntnissen gekommen ist, um im Januar 2002 den ersten großen Stein in der Affaire der katholischen Kirche und der pädophilen/sexuell frustrierten Geistlichen ins Rollen zu bringen. Authentisch wird die Arbeit des investigativen Journalismus` dargestellt. Die Journalisten werden nicht zu übermenschlichen Helden degradiert, die durch unglaubliche Fähigkeiten und unglaubwürdige Zufallsfunde an die Wahrheit gelangen. Nein, es sind aufwendige Recherchen, Interviews mit den Opfern, Geduld in den Verhandlungen mit Ämtern und der Biss nach monatelanger Ergebnislosigkeit, die den Enthüllungsjournalismus ausmachen. Für diese Story, die einen weltweiten Skandal auslöste, wurde über ein Jahr lang hart gearbeitet. Man begleitet die Journalisten auf Schritt und Tritt, denn hinter ein paar Zeilen in der Zeitung steckt weitaus mehr, als man sich als normaler Leser vorzustellen vermag.

Der kleine aber feine Unterschied: die Starbesetzung

Photo by Kerry Hayes - © 2015 - Open Road Films

Photo by Kerry Hayes – © 2015 – Open Road Films

Auch wenn das Ende relativ offensichtlich ist, hat dieser Film einiges zu bieten: Zum einen erlebt man die Arbeit der Journalisten hautnah mit. Die Starbesetzung aus den Reihen Hollywoods (Liev Schreiber, Michael Keaton, Brian D´Arcy James, Mark Ruffalo, Rachel McAdams) erzeugt die nötige Emotionalität, um dem eher trockenen Fokus der Recherche Leben einzuhauchen. Die Rückschläge und das Ringen um Fassung bei jeder neuen erschreckenden Entdeckung werden lebensecht verkörpert. Das Spotlight-Mitglied Michael Rezendes (Mark Ruffalo) kann sich zwischenzeitlich nicht mehr beherrschen – zu schockierend sind seinen Enthüllungen für ihn und noch viel schlimmer ist es, die Schuldigen nicht sofort in der morgendlichen Tagesausgabe an den Pranger zu stellen.

Ausblick

Es ist faszinierend, dass der Journalismus bei dieser Angelegenheit die Courage und die Geduld hatte, um sie der Öffentlichkeit zu präsentieren und erste Schritte hin zu einer Veränderung zu wagen. Die Thematik wird mittlerweile oft in den Medien aufbereitet, immer wieder neue Missbrauchsfälle kommen ans Licht. Schön, dass ein solch authentisches Werk die Hintergründe aufzeigt und im Zeitalter von Facebook, Twitter und Co. beweist, dass es auch noch zuverlässige Quellen und ernstzunehmende Journalisten gibt, die als Kontrollinstanz immer noch gebraucht werden.

Fotos: Kerry Hayes – © 2015 – Open Road Films