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Pro-Ana ist zurück!

Diesmal nur noch heftiger und unter anderem Namen

Ein Kommentar von Defne Erge

Immer und immer dünner – das wurde zu Anfang in den Pro-Ana-Blogs versucht zu erzielen. Eine Gruppe junger Frauen, die sich in den Tod hungerten. Jetzt lebt die Bewegung unter anderem Namen wieder neu auf.

Die ursprüngliche Pro-Ana-Bewegung verstärkte sich in den 00er Jahren und schwächte in den letzten Jahren zum Glück deutlich ab. Jedoch hat sich auf Instagram, seitdem es so populär wurde, eine neue Bewegungentwickelt- die sogenannten Recovery-Accounts. Diese sind noch unerforscht und haben außerdem einen anderen Ursprung, nehmen aber einen ganz ähnlichen Verlauf wie die damalige Pro-Ana-Welle. Scheint so, als ob der Hungerwettstreit wieder von vorne losgeht?

Was ist pro-Ana?

Was ist Pro-Ana überhaupt? Pro-Ana bedeutet nichts anderes als „pro Anorexie“, was wiederum pro Magersucht bedeutet. Magersucht- die Essstörung mit der höchsten Sterblichkeitsrate. Junge Frauen hungern sich hier zu Tode und haben eine gestörte Sicht auf ihren eigenen Körper- sie empfinden sich immer als zu dick. Dabei haben sie einen BMI von höchstens 17,5. Jemand der „Pro-Ana“ ist, glorifiziert die Magersucht durch Diättipps und fehlender Krankheitseinsicht. Es gibt ganze Blogs im Internet, auf denen sich die Mädchen gegenseitig dazu anstacheln, zu hungern, sich gegenseitig vergleichen, Bilder hochladen, die Essstörung als sozusagen Trend oder Lifestyle sehen, anstatt sich psychologische Hilfe zu suchen.

Was sind Recovery-Accounts?

Auf Instagram können sich Nutzer*innen rund um die Uhr präsentieren. Bild: Unsplash

Recovery-Accounts auf Instagram sind in erster Linie Accounts von jungen Frauen, die über ihre Krankheitsgenesung berichten und sie mit anderen teilen. Das klingt auf den ersten Blick nicht verkehrt. Aber auch auf diesen Accounts geht es leider nicht immer nur ums Genesen. Gerade unter den essgestörten Anorexie-Betroffenen, bahnt sich wieder ein Wettstreit an. Und der scheint noch heftiger, als die letzte Bewegung zu sein. Denn durch Instagram können sie sich 24/7 präsentieren, rund um die Uhr alles filmen und hochladen. So ist es unter den Recovery-Accounts oft gängig, sogenannte „fdoes“ oder vorher/nachher-Bilder zu posten. Fdoe, kurz für „full day of eating“, bedeutet dass an einem Tag alles was gegessen wird, hochgeladen wird und bei den vorher-nachher-Bildern wird gezeigt, wie gut recovert die Betroffene ist. Auf solchen Bildern sehen die Follower*innen meistens dasselbe: ein abgehungertes Mädchen an ihrem Tiefpunkt und dasselbe, nun glückliche Mädchen mit deutlich mehr Gewicht- vor und nach ihrem Kampf gegen die Magersucht.

Was ist das kritische daran?

Dass auch hier nur Vergleiche gemacht werden und sich die Mädchen wieder einmal unterbieten wollen. Bei wem stechen die meisten Rippen raus? Wer hatte schonmal eine Magensonde? Wer war am tiefsten in der Krankheit und wer fast am Sterben? Die Mädchen tun nach außen hin, als würden sie genesen. Doch im Grunde streben sie einer weiteren Pro-Ana-Welle entgegen. Das stelle ich so barsch fest, denn die Krankheit wird dennoch wieder glorifiziert und beneidet. So ist es den Mädchen schwer möglich, wirklich aus ihr herauszukommen und sie hinter sich zu lassen. Wer jeden Tag Beiträge von seinen Followern auf Instagram bekommt, in denen über Essen, Gewichtszahlen, Sonden, Klinikaufenthalte usw. geredet und verglichen wird, der kann gar nicht aus einer Krankheit aussteigen. Stattdessen wird sich begibt man sich in einen Strudel und pendelt irgendwo zwischen krank- gesund werden- und wieder krank werden. Rückfälle sind also schon vorprogrammiert. Denn wer genesen ist, kann nicht mehr unter deinesgleichen mitreden, fliegt also aus der Gruppe. Oder aber wird wieder daran erinnert, was die Magersucht gegeben hat, von Follower*innen, die noch nicht so weit sind wie man selbst, und rutschst wieder tief rein, weil die positiven Aspekte vom Kranksein nahezu vermisst werden.

Was kann dagegen getan werden?

Zuerst einmal: sich von solchen Accounts zu distanzieren. Auch wenn sie verlockend klingen und im ersten Moment sogar hilfreich erscheinen durch ihre Bezeichnung als „Genesungs-Accounts“. Sie predigen, eine Hilfe zu sein, aber das sind sie häufig nicht. Sie sind meist nichts weiter, als die damalige Pro-Ana-Bewegung. Das wollen vielleicht einige nicht hören, gerade weil sie schon so tief in der Krankheit stecken und sich durch diesen Decknamen auch im Internet ausleben können. Aber zu einer wirklichen Genesung tragen diese Accounts wenig bei. Das muss natürlich nicht auf jeden Recovery-Account zutreffen und wenn ihr es schafft, den Spreu vom Weizen zu entfernen, ist es super. Persönlich würde ich jedoch lieber vorsichtig sein und mich generell von solchen Accounts distanzieren.

Geht der Hungerstreik der Pro-Ana-Bewegung mit Recovery-Accounts von vorn los? Bild: Unsplash

Wenn ihr auf Recovery-Accounts stößt, dann könnt ihr sie entweder blockieren, um nicht in Versuchung zu geraten euch mit ihnen auseinanderzusetzen. Eine andere Möglichkeit wäre auch besonders kritische Beiträge und Fotos, auf denen z.B. stark unterernährte Körperstellen zu sehen sind, oder Texte die dazu animieren zu hungern, zu melden. Dann wird Instagram im besten Fall diesen Beitrag sperren oder die Bilder zensieren. Das wäre dann auch für andere eine Hilfe, die ihr leisten könnt.

Aber das Wichtigste ist vor allem, euch selbst zu fragen, wieso ihr nach Recovery-Accounts sucht. Ist es Neugierde? Oder seid ihr auch von einer Essstörung betroffen und sucht auf Instagram Gleichgesinnte? Etwa weil ihr doch noch nicht von der Krankheit loslassen könnt? Diese Fragen sollte sich jede*r selbst stellen. Die eigenen Beweggründe zu hinterfragen ist immer eine gute Methode, um das eigene Verhalten zu verändern.

Und das rate ich nicht nur für Recovery-Accounts, sondern im Grunde für jeden Instagram-Account: Sich zu fragen, weshalb man ihm folgt und ob er einem wirklich guttut. Nur so könnt ihr euch im Netz selbst vor sensiblen Inhalten schützen und nicht in eine Community rutschen, die für etwas mehr Reichweite mit gefährlichen Themen spielt.

Und wenn ihr selbst betroffen seid…

Professionelle Hilfe und Unterstützung aus dem Umfeld ist für Betroffene einer Essstörung unablässlich. Bild: Unsplash

Holt euch professionelle Hilfe! Denn eine Essstörung ist eben nicht zu verharmlosen und sie im Internet kurieren zu können, halte ich für äußerst fraglich.  Nur eine Therapeut*in oder Ärzt*in kann euch entsprechend weiterhelfen.

Das Internet und gerade Instagram ist kein Ort, an dem man sich vor sensiblen Themen schützen kann. Immer wieder rutschen junge Menschen in Communities, mit tragischem Ende… Nehmt euch selbst und eure Gesundheit ernst und hinterfragt jeden einzelnen Account im Netz, ob euch dieser Kontakt gut tut.
Die Pro-Ana-Bewegung hat damals viele Mädchen in eine tödliche Krankheit geführt. Und nun scheint sich dasselbe auf Instagram zu wiederholen. Das schwierige an Recovery-Accounts ist, dass sie unter einem wirklich guten Namen gedeckt sind, sonst könnte man sie wie die Pro-Ana-Blogs leichter ausfindig machen und sperren. Trotzdem ist es ein Versuch wert, auch dagegen anzugehen, um euch und eure Follower*innen zu schützen.