Vernetzt in Berlin: Selbstständiger Kameramann und Fotograf
Ein Portrait über Manuel Kaupp-Merkle
Von Eva Buss
Es ist Juni 2020 und mitten im ersten Sommer der Corona-Pandemie. Manuel Kaupp-Merkle entscheidet sich für den bisher größten Schritt in seinem Leben: Er verlässt als gebürtiger Tübinger sein Nest und zieht in Deutschlands größte und diverseste Stadt – Berlin. Ich kenne Manu schon ein paar Jahre und will von ihm erfahren, was sich für ihn seitdem alles verändert hat und wie sich sein Leben als selbstständiger Kameramann und Fotograf in unserer Hauptstadt gestaltet.
Warum hast du dich dafür entschieden, deinen Bachelor in Medienwissenschaft zu machen?
Ich wusste schon während meiner Schulzeit, dass ich eher ein visueller Mensch bin. Ich konnte mich durch Bilder viel besser ausdrücken als über Geschriebenes. Mein Medienwissenschafts-Studium habe ich dann im Winter 2015 zuerst mit einer gewissen Ahnungslosigkeit begonnen. Währenddessen wurde mir aber schnell klar, dass die journalistischen Tätigkeiten für mich nicht in Frage kommen. Stattdessen habe ich mir meine Kurse nach interessanten, praktischen Projekten herausgesucht und nebenher als Werkstudent bei Campus TV gearbeitet. Dabei habe ich gemerkt: Die Kamera ist es!
Wie bist du dann das erste Mal mit der Musikvideo-Branche in Kontakt gekommen?
Das war schon während meines Bachelors. Ein Rapper aus Reutlingen hat mir ein abgedrehtes Musikvideo zum Schnitt geschickt. Das hat Spaß gemacht, aber das Filmmaterial hat mir nicht gefallen. Deswegen habe ich mich dafür angeboten, weitere Musikvideos für ihn selbst zu drehen.
Kurze Zeit später bist du schon mit einer bekannten deutschen Musikgruppe – den Orsons – auf Festivaltour gegangen. Glück oder Können?
Wahrscheinlich beides. Besagter Rapper aus Reutlingen war mit den Orsons aus Stuttgart vernetzt und hat mich weiterempfohlen. Ich saß dann eines Tages in einer Vorlesung und habe eine Nachricht auf gut Glück an die Orsons verfasst, in der ich mich für die anstehende Festivaltour als Kameramann vorgestellt habe. Eine halbe Stunde später hatte ich eine Zusage. Das war wahrscheinlich auch gutes Timing. Sommer 2019 habe ich die Gruppe dann deutschlandweit bei ihren Festivalauftritten als Video- und Fotograf begleitet. Es war toll, das Reisen mit Musik und mit der eigenen Arbeit verbinden zu können.
Seither bist du aus der Musik-Branche nicht mehr raus. Was fesselt dich?
Während der Festivaltour mit den Orsons habe ich für sie auch mein erstes, richtiges Musikvideo gedreht – das war ein One-Take, der in drei Stunden abgedreht war. Nachdem das Video auf YouTube hochgeladen wurde, ging es mit Aufrufen und Likes richtig rund. Das hat mich in der Musikvideo-Produktion bestärkt. Es ist anders als bei Dokumentationen oder Reportagen für ein Fernsehformat, bei denen eine bestimmte Länge mit Material gefüllt werden muss. Man ist sehr frei in der kreativen Gestaltung und Mitbestimmung.
Warum hast du dich im Juni 2020 dann dafür entschieden, Tübingen zu verlassen und nach Berlin zu ziehen?
Berlin ist einfach die Stadt mit den meisten Möglichkeiten in der kreativen Branche. Der genaue Anlass war ein Praktikum bei der Videoproduktionsfirma EASYdoesit. Diese Zeit war sehr wegweisend für mich.
Anfangs dachtest du, dass du das Handtuch wirfst und wieder zurück nach Tübingen kommst. Was war so schwer?
Meine Aufgaben waren am Anfang viel im Assistenzbereich angelegt – das war ich von den Festival- und Albumtouren nicht gewöhnt. Ich wollte selbst produzieren. Also habe ich angefangen, meine eigenen Sachen anzubieten. Das hat funktioniert. Irgendwann kam dann die Anfrage für einen Musikvideodreh in Rumänien für Robin Schulz. Dort habe ich auch fotografiert und eines dieser Bilder ist glücklicherweise das Cover für die Single geworden. So nahmen die Dinge dann ihren Lauf.
Dein Praktikum bei EASYdoesit ging ein halbes Jahr. Seit dem 01. Januar 2021 bist du selbstständig als Kameramann und Fotograf in Berlin tätig. Wie lebt sich die Selbstständigkeit?
Bis jetzt sehr gut. Für mich war das Konzept der Selbstständigkeit aber nichts Neues. Meine Mama war auch schon immer selbstständig, dadurch habe ich das in meiner Kindheit kennengelernt. Ich finde es cool, sein eigener Boss zu sein. Anfang letztens Jahres habe ich alles angenommen, was mir angeboten wurde. Wenn man sich etabliert hat, kann man es sich natürlich erlauben, selektiver zu sein. Aber ich bleibe realistisch: Ich stelle mich darauf ein, dass auch mal einen Monat lang keine Aufträge reinkommen können. Deswegen verspüre ich keinen Druck.
Wen hattest du 2021 alles vor der Linse?
Ich hatte 2021 ganz verschiedene Aufträge: Zum Beispiel ein Musikvideo für KIZ, ein Fotoshooting mit Casper und ein anderes mit Juju, eine Fashionkampagne für Timberland, ein Making-of-Dreh für Red Bull und für About You war ich auf der Fashionweek in Berlin.
Fordert die Selbstständigkeit bei diesen Jobs viel Spontanität?
Teilweise ja. Von dem Musikvideo „Danke Merkel“ für KIZ habe ich erst am Tag des Drehs erfahren. Sowas kann in der Branche schon mal vorkommen. Es ist ein cooler Auftrag und deswegen hat man da Bock drauf. Für die Zukunft wäre natürlich ein bisschen mehr Regelmäßigkeit schön. Deswegen möchte ich langfristig auch die reine Kamera-Schiene anstreben und keine Editing-Aufträge mehr annehmen.
Wie ist es, mit bekannten Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten?
Einerseits ist es cool, weil die Fotos und Videos von vielen Leuten gesehen werden. Andererseits wird es aber auch auf eine Art nicht gesehen: Es wird nur noch die berühmte Person wahrgenommen, aber nicht die Qualität der Aufnahme. Es sind coole Leute und man bekommt auch mehr Budget, aber der Preis dafür ist, dass das Werk dahinter verschwindet.
Du wohnst jetzt bald zwei Jahre in Berlin. Wie kommst du mit der Stadt zurecht?
Die Corona-Pandemie hat mir – entgegen der Erwartung – den Einstieg in Berlin leichter gemacht. Man konnte nicht so viel verpassen und hatte nicht permanent das Gefühl, bei allem dabei sein zu müssen. Berlin bietet einem so viele Möglichkeiten: Du kannst jeden Tag ein neues, leckeres Restaurant ausprobieren, jeden Tag zu einer neuen Ausstellung, oder zu einer aufregenden Party gehen. Ich war zum Glück nicht von Anfang an so überlastet von diesem Angebot, sondern hatte Zeit mich einzuleben.
Willst du irgendwann wieder nach Tübingen zurückkehren?
Ich habe immer gesagt, dass ich nach einem halben Jahr wieder zurückkommen werde. In Tübingen würde man aber nie nach einem spontanen Dreh gefragt werden – dafür wohnen nicht die richtigen Leute in der Stadt. Das geht nur in Berlin. Aber ich glaube, dass ich irgendwann wieder in die Heimat zurückkehren werde.
Manu, dies oder das?
Deutscher oder Amerikanischer Hip-Hop?
Vor der Kamera oder hinter der Kamera?
Instagram oder Facebook?
Standort Deutschland oder USA?
Musikvideo oder Werbespot?
Manu, hast du Tipps für alle, die eine Selbstständigkeit anstreben?
- Alles annehmen, auch wenn man denkt, dass es einem keinen Spaß macht. Es geht darum Erfahrungen mitzunehmen. Danach kann man spezifischer werden.
- Realistisch bleiben. Keinen Druck machen. Alles braucht seine Zeit.
- So blöd es sich anhört, aber denkt an Rücklagen!
Drei Drehs, die dir besonders im Gedächtnis geblieben sind?
- Februar 2021 Musikvideo „Into the light“
- KIZ Musikvideo „Danke Merkel“
- Juju Musikvideo „2012“