Machinima – spielerisches Kino
von Marius Lang
Machinima macht aus Gamern Regisseure. Denn Machinima ist ein kreativer Ausdruck von Videospiel-Fans, die auf Grundlage von Spiel-Szenen Filme drehen. Dazu muss man aber nicht nur einen guten Film schreiben, sondern auch über technisches Wissen verfügen.
Philosophieren auf dem Schlachtfeld
Der Name Machinima ist ein Kofferwort, das sich aus „machine“ und „cinema“ zusammensetzt. Es bezeichnet Kino auf Basis von Videospielen. Ein Beispiel: Red vs. Blue, eine der weltweit erfolgreichsten Internetserien. In der ersten Folge unterhalten sich die Spartans, Soldaten innerhalb des Halo-Universums, in der Welt des Games über den Sinn des Lebens, Gott und ihren Auftrag. Die Verschmelzung von Spiel und Film entsteht durch die visuelle Basis von Halo selbst, in der die Charaktere von Rooster Teeth-Mitgliedern synchronisiert werden.
Auffällig ist, dass die Machinima-Szene sich stark von anderen Fan-Szenen unterscheidet, vor allem in der Hinsicht, dass Machinima-Schaffende zum Großteil männlich sind, während andere Fankulturen eher Frauen vorbehalten sind. Der Grund hierfür ist allerdings nicht, dass nur Männer Videospiele spielen. Machinima muss von Videospielen getrennt betrachtet werden, da der Anteil an weiblichen Gamern mittlerweile sehr groß ist und weiter wächst. Machinima dagegen bleibt Großteils Männersache. Hierfür gibt es vor allem zwei Gründe: Zum einen der Ursprung im First-Person-Shooter-Genre, einer Richtung, die bis heute stark von Männern dominiert wird. Zum anderen die Hacker- und Informatikerszene, auf die Machinima zurückzuführen und die ebenfalls durch einen hohen Männeranteil geprägt ist. So überrascht es nicht, dass auch Red vs. Blue von Männern entwickelt wurde.
Kreative Hacker
Die Red vs. Blue-Erfinder waren nicht die Ersten, die das Potential von Videospielen als Grundlage für kurze Clips, Filme und ganze Serien erkannten. Ursprünge der Machinima sind bereits in der Hacker-Szene der 80er Jahre zu erkennen. Begeisterte Fans modifizierten damals die Codierungen von Spielen, um sich und ihre Hacker-Gruppen in denselben zu verewigen, indem sie etwa ihre Namen in das Spiel schrieben.
Die Grundlage einer neuen Szene war geschaffen: Engagierte junge Hacker, denen es nicht genügte, Games nur zu spielen. Sie wollten auf Grundlage der gegebenen Materialien neue Dinge schaffen.
Demos von DOOM
1993 veröffentlichte die amerikanische Firma id Software den First Person Shooter DOOM. Die Entwickler der Software unterstützten den kreativen Eifer ihrer Spieler: „id Software didn’t stop there, the team of innovators also made DOOM’s source code available to their fan base, encouraging would-be game designers to modify the game and create their own levels, or „mods“.“ (id Software, 2005) Den sogenannten „Moddern“ war es von Seiten der Hersteller nicht nur gestattet, den Quellcode von DOOM nach ihrem Können und Willen zu verändern. Sie unterstützten die Veröffentlichung der fangemachten Endprodukte, solange die Mods nicht kommerziell orientiert waren.
Für den Erfolg von Machinima trugen mehr als Mods jedoch die so genannten „Demos“ bei. Spieler von DOOM nahmen ihre Durchläufe auf, um sie mit der Community zu teilen.
Quake und das erste Machinima
1996 veröffentlichte id Software den First-Person-Shooter Quake. The Rangers, eine Gruppe von Gamern, Moddern und Hackern, veröffentlichten auf der Basis von Quake die den ersten Film, den man als Machinima bezeichnen konnte. Zu diesem Zweck veränderten sie den Quellcode des Spieles so, dass die Ego-Perspektive eines Spielers zu der Perspektive einer Kamera, wie im klassischen Film wurde und nicht mehr an einen Charakter gebunden war. Das Ergebnis war das Video Diary of a Camper. Hier gab es noch keine gesprochene Sprache, nur Untertitel stellten das dar, was die Figuren des Videos sagten. Es folgten unzählige Machinima, die sich auf unterschiedlichste Spiele berufen, wie etwa Portal, Mass Effect oder The Sims. Machinima greifen entweder in den Quellcode eines Games ein und verändern diesen oder bedienen sich direkt am gezeigten Bild des Spieles.
Die Szene wuchs unaufhörlich und 2002 wurde erstmals das jährliche Machinima Festival abgehalten.
Red vs. Blue: Eine Erfolgsgeschichte
Als im April 2003 die erste Folge von Red vs. Blue: The Blood Gulch Chronicles online ging, hatten die Macher nicht mit dem extremen Erfolg gerechnet. Die Serie Red vs. Blue, rund um einige Soldaten zweier verfeindeter Armeen in einem Bürgerkrieg, befindet sich mittlerweile in der zehnten Staffel. Die Folgen im Schnitt etwa fünf bis zehn Minuten lang. In den Jahren, die die Serie bereits hinter sich hat, hat sie sich auch gewandelt. Wie die meisten Machinima begann Red vs. Blue als bisweilen schwarze Comedy-Serie, die mit Gamer-Klischees und typischen amerikanischen Stereotypen spielte. Mittlerweile ist die Serie dazu übergegangen, ihren Schwerpunkt auch auf packende Action und Thriller-Elemente zu legen. Gerade der Erfolg von Red vs. Blue ist Ansporn für viele neue Machinima-Produzenten, ihr Hobby auf ein neues Level zu hieven und selbst Filme zu produzieren. Das passiert oft innerhalb der Fan-Community und dementsprechend unkommerziell, aber die Erfinder von Red vs. Blue werden inzwischen von den Machern von Halo unterstützt. All das nur, weil ein paar begeisterte Gamer ihr spielerisches und technisches Können mit der Community teilen wollten.
Quellen: Jones, Robert (2006) From Shooting Monsters to Shooting Movies. Machinima and the Transformative Play of Video Game Fan Culture. In Karen Hellekson und Kristina Busse (Hrsg.).Fan Fiction and Fan Communities in the Age of the Internet.
Dokumentation über Rooster Teeth Productions von machinima.com (Teil 1 von 2)
Fotos: flickr.com/State Farm (CC BY 2.0); Screenshot von Rooster Teeth ( © 2004-2013 Rooster Teeth Productions, LLC.)
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