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Kontroverse Werbung – Spaltet sie die Gesellschaft?

Von Sara Cevik

Werbung übertreibt, inspiriert, manipuliert und provoziert. Werbung existiert, um unser Konsumverhalten zu lenken und, falls nötig, zu verändern. Über die Jahre hinweg haben sich einige Werbestrategien effektiver als andere herausgestellt. Besonders populär: Kontroversen.

Kontroversen erregen Aufmerksamkeit und genau das ist das Ziel einer solchen Werbung. Dadurch sollen Konsument*innen aufmerksam auf ein bestimmtes Unternehmen oder ein Produkt werden. Kontroverse Werbung spielt beispielsweise mit dem stereotypen Frauen- und Männerbild in der Gesellschaft, beinhaltet politische Äußerungen und regt Diskussionen über umstrittene Themen an.

„WE BELIEVE: THE BEST MEN CAN BE“ (Gilette, 2019)

Mit diesem, im Jahr 2019 veröffentlichten Werbespot setzt sich Gillette gegen Sexismus und Frauenfeindlichkeit ein. Darin gezeigt werden Männer, die sich für andere Menschen einsetzen und ein gutes Vorbild für ihre Kinder darstellen. Das Video erreichte mehr als 4 Millionen YouTube-Aufrufe innerhalb 48 Stunden und wird heute immer noch viel diskutiert, denn nicht alle sind von dem Werbespot begeistert. Viele erkennen die Problematik der gegenwärtigen toxischen, gesellschaftsschädlichen Männlichkeit nicht und äußern online, auf Grund des Videos, die Gillette-Produkte nicht mehr nutzen zu wollen. Dieser Werbespot zeigt, wie Kontroversen in der Werbebranche eingesetzt werden können. Gillette appelliert an seine Zuschauer*innen und Konsument*innen, bei Diskriminierung einzuschreiten und sich für die Opfer einzusetzen. Mit dieser Werbung zeigt Gillette eine klare Haltung gegenüber dem stereotypischen Männerbild und glaubt daran, dass Männer das Beste aus sich herausholen können. Einige Zuschauer*innen wollen nicht durch Werbung von Unternehmen belehrt werden und halten wenig von diesem Appell. Gelungen ist dieser Werbespot trotzdem, denn er erhält viel Zustimmung und greift ein aktuell wichtiges Thema auf.

„Lasst uns froh und bunter sein!“ (Edeka, 2020)

Der 2020 Weihnachtsspot von Edeka erntete eine Menge Hasskommentare. Einerseits wird das Unternehmen als rassistisch und ausländerfeindlich bezeichnet, weil die darin gezeigten Menschen auf ihre Herkunft reduziert werden. Andererseits wird die Kulturvielfalt, die Edeka versucht hat darzustellen, nicht von allen begrüßt. Das zeigt, dass Interpretation und persönliche Erfahrungen letztendlich den Erfolg einer Werbung bestimmen. Mit der Schwierigkeit, ein diverses Menschenbild darzustellen, sind immer mehr Unternehmen konfrontiert. Natürlich stellt sich hier die Frage: Ist das überhaupt möglich? Kann man die Vielfalt, die in der gesellschaftlichen Realität herrscht, in einem zwei-minütigen Werbespot wiedergeben? Edeka ist dies scheinbar nicht gelungen. Problematisch wird kontroverse Werbung dann, wenn der Inhalt sexistisch, rassistisch oder anderweitig menschenverachtend ist oder so aufgefasst werden kann. Aber Werbung, die sich für etwas Gutes, wie Akzeptanz von anderen Kulturen einsetzt, kann auch für Gegenwind sorgen. Kontroverses Marketing wird von immer mehr Unternehmen genutzt, um Aufmerksamkeit zu erregen und gut angestellt, bleibt der Ruf dabei unbeschadet.

Dass das aber auch weniger gut gelingen kann, haben in der Vergangenheit mehrere Werbespots bewiesen:  Sei es die Pommes- Werbung von McDonald’s mit „Tall, blonde and gorgeous“, die Chia-Saft Werbung von true fruits mit dem Slogan: „Oralverzehr-schneller kommst Du nicht zum Samenguss.“ oder die Donuts-Werbung von Lidl „Loch ist Loch“. Sexistische Werbung erregt sehr viel Aufmerksamkeit, aber zeugt gleichzeitig von unmoralischen Werten.

#pinkstinks

Noch mehr als sexistisch gekennzeichnete Werbung ist auf der Website von Pinkstinks zu finden.
Pinkstinks beschreibt sich als eine „Protest- und Bildungsorganisation gegen Sexismus und Homofeindlichkeit“. Sie kritisieren die Geschlechterrollen in Medien und Werbung und sensibilisieren Agenturen und Unternehmen durch verschiedene Vorträge und Kampagnen.

Vorsicht mit Kontroversen

Folglich ist beim bewussten Einsatz von Kontroversen als Werbemaßnahme Vorsicht geboten. Polarisierende Themen, wie Religion, Rassismus, Gewalt, Politik und Sexismus bergen ein immenses Diskussionspotential und sorgen (in Werbespots) für Aufsehen. Folglich kann eine kontroverse Werbung gewissermaßen Salz in offene Wunden streuen und nicht nur die Gefühle von Menschen verletzen, sondern auch die Denkweise von Menschen beeinflussen.

Wie viele Kontroversen sich ein Unternehmen erlauben kann, ohne große Rufschäden oder finanzielle Schäden davon zu tragen, ist individuell zu bestimmen. Entscheidende Faktoren sind die Größe des Unternehmens, die Zielgruppe und die ausgewählte Kontroverse. Große Unternehmen, wie true fruits zeigen, dass sie sich vermeintlich vieles an Kontroversen und möglichen Fehlschlägen erlauben können. Sie gehen nämlich nicht sofort bankrott – aber einen Rufschaden tragen sie trotzdem unter Umständen davon. Im Falle des „The best men can be“- Slogans setzte Gillette auf seine Kund*innen, die ebenfalls gegen „toxische Männlichkeit“ und Sexismus sind. Somit gelang es dem Unternehmen, den Großteil der Zuschauer*innen von ihren ehrlichen Absichten zu überzeugen und mit diesem Werbespot wirkliche Erfolge zu erzielen.

Spaltet kontroverse Werbung die Gesellschaft?

Kontroverser Werbung gelingt es, Diskussionen über politisch, wirtschaftlich oder historisch relevante Themen anzuregen. Bekanntlich gibt es immer mehr als eine Meinung zu solchen Themen und somit können sich durchaus unterschiedliche Fronten auftun. Diskussionen, die in Streit ausarten, können bereits vorhandene Spaltungen verstärken und so möglichst viel Aufmerksamkeit erzeugen.
Letztendlich lassen uns solche Werbespot aber vor allen Dingen über gesellschaftsrelevante Themen nachdenken und unsere Moral und die der Werbemacher*innen hinterfragen. Uns sollte aber bewusst sein: Es liegt in unserer Hand, wie viel Macht wir kontroversen Werbe-Spots geben.

Quellen: