Wenig Zeit, viel Effekt – Faszination Podcast
Von Kim Bayer
Der Weg vom Audioblogging zur Faszination Podcast. Unsere Gesellschaft wird schnelllebiger, die Menschen haben immer weniger Zeit, aber immer mehr Bedarf an Input. Durch Podcasts wird beides auf einmal möglich.
Mittlerweile hört jede*r Dritte Podcasts und optimiert damit seine Mangelware Zeit, egal ob mit wissenschaftlichem, witzigem, regionalem oder internationalem Content. Podcasts werden für uns immer mehr zu täglichen Begleitern.
Vom Audioblogging zum professionellen Podcast
Seine erste Hochphase hatte der Podcast vor gut 20 Jahren – am Anfang trug das Konzept den kompliziert-umständlichen Begriff des „Audiobloggings“. Allerdings hat der Hype durch die umständliche Art, die Audioblogs bei Apple herunterladen zu müssen, nicht lange angehalten. Man hatte sie fast vergessen, als sie plötzlich wieder cool wurden. In einer Zeit, wo Musik überall und immer für uns verfügbar ist, fühlten sich viele Menschen übersättigt und waren auf der Suche nach einer neuen Art der auditiven Unterhaltung.
In den USA hat der Boom bereits 2014 eingesetzt: Der Podcast wurde immer professioneller und qualitativ hochwertiger produziert. Spezialisierte Firmen und Medienunternehmen sprangen auf, die Vermarktung lief richtig an. Den jüngsten Zahlen zufolge lagen die mit Werbung generierten Einnahmen durch Podcasts in den USA 2017 noch bei 323 Millionen US-Dollar, 2021 soll schon die Milliardenschwelle übersprungen werden.
Mit kleiner Verzögerung schwappte dieser Trend dann nach Europa, auch nach Deutschland: Gut bezahlte Sponsorenhinweise und vom Podcast-Host gesprochene Werbespots nehmen zu. Nicht nur Radiosender, sondern auch Zeitungs- und Zeitschriftenverlage gehen mit qualitativ hochwertigen Produktionen an den Start. Unter den meistgehörten Podcasts befinden sich mittlerweile mehrheitlich Audioserien des Deutschlandfunks und von überregionalen Zeitungen wie FAZ, Süddeutsche oder Zeit.
2018 kam der weltweit beliebteste Podcast auf Spotify sogar aus Deutschland: „Fest & Flauschig“, ein Talkformat, das einmal die Woche erscheint und von Satiriker Jan Böhmermann, sowie von Musiker Olli Schulz moderiert wird. 2019 waren mit „The Joe Budden Podcast with Rory & Mal“ und „My Favorite Murder“ zwei US-Titel an der Spitze, auf Platz drei aber folgte dann ein deutscher Titel: „Gemischtes Hack“ von dem Comedian Felix Lobrecht und dem Autor und Kolumnist Tommi Schmitt.
Ständiges Wachstum – Jede*r Dritte hört Podcasts
In den letzten Jahren ist die Masse an Audio-Content in Form von Podcasts ständig gestiegen. Laut einer Umfrage zur Nutzung von Podcasts in Deutschland ist die Anzahl der regelmäßigen Hörer*innen von 2016 mit 14 Prozent der Befragten bis 2020 um 19 Prozent auf 33 Prozent angestiegen.
In Deutschland ist der Podcast vor allem zu später Stunde ein beliebtes Medium. Rund 63 Prozent aller Podcasthörer*innen konsumieren die Audiostreams bevorzugt am Abend oder in der Nacht, wie eine Studie von Deloitte und Bitkom aus dem Jahr 2018 herausfand. Nur knapp ein Drittel der Befragten gab an, Podcasts schon früh morgens oder am Mittag zu hören.
Auch viele Unternehmen haben das Podcast-Marketing für sich entdeckt. Für sie sind die Podcasts finanziell gesehen äußerst lukrativ. Leute, die häufig Podcast hören, hören im Schnitt meistens auch mehr Musik. Das bedeutet, sie sind generell aktiver, was sich auf die Nutzungsdauer in der App auswirkt. Die Hörer*innen konsumieren dadurch auch mehr Werbung.
Mangelware Zeit am besten ausgeschöpft
Obwohl unsere Gesellschafft gefühlt immer unpersönlicher wird, haben wir Menschen trotzdem das Bedürfnis, uns einander mitzuteilen und anderen zuzuhören. In unserer sehr schnelllebigen Gesellschaft findet sich oft keine Zeit für Gespräche, weshalb viele auf die Online-Alternative zurückgreifen, für die man sich das Thema und den passenden Zeitpunkt selbst aussuchen kann. Die Mangelware Zeit wird dadurch bestmöglich optimiert.
Podcasts sind so attraktiv, da man sie hören kann während man gleichzeitig anderen Beschäftigungen nachgeht: auf dem Weg zur Arbeit, beim Sport, beim Aufräumen oder unterwegs auf Reisen. Die Podcasts erreichen hauptsächlich eine sehr junge Zielgruppe, die ständig neuen Input bekommen, aber gleichzeitig in Bewegung bleiben will.
Comedy, Politik, Wissenschaft (wie zum Beispiel „Jung und Freudlos“) oder Kochen: Es gibt wahrscheinlich kein Thema, welches nicht in irgendeinem Podcast diskutiert wird. Aktuell boomen die Hörmedien, Tendenz steigend. Die Menschen haben durch die Ausgangsbeschränkung schließlich auch mehr Zeit, welche genutzt werden kann, um zuhause Podcasts zu hören.
Gerade auch Unternehmen nutzen die neu gewonnen Zeit der Podcasthörer*innen und bringen eigene Podcasts auf den Markt, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Podcasts werden zusätzlich als viel persönlicher als eine einfache Website aufgefasst, da Stimmen Emotionen viel authentischer übermitteln als reiner Text. Statt am Laptop hektisch zwischen zehn Tabs hin- und herzuwechseln oder auf dem Handy nonstop E-mails, Nachrichten und Instagram zu checken, muss man bei den Audioprogrammen nur eines tun: Zuhören. Genau das beruhigt und entschleunigt unheimlich.
International oder doch lieber regional?
Obwohl Podcasts die Möglichkeit bieten, überall auf der Welt einzuschalten, konsumieren viele Podcasthörer*innen oft regionale Podcasts. Warum, wenn heutzutage doch alles international ausgelegt ist?
Der regionale Podcast ist eine echte Alternative für diejenigen, die Interesse am Bezirk und an politischen Vorgängen haben. Denn im Podcast wird erzählt, was gerade so los ist und auch Hintergründe können einfach erklärt werden. Durch wiederkehrende Rubriken, Kultur und Tradition fühlen sich die Hörer*innen geborgen.
Gerade im Bereich der regionalen Podcasts, welche für die älteren Generationen durch ortsnahe und aktuelle Themen eher greifbar sind, weitet sich die Zielgruppe immer weiter aus. Die Anzahl älterer Hörer*innen nimmt zu.
In unserer so schnelllebigen und offenen Gesellschaft stärken regionale Podcasts das Heimat- und Zugehörigkeitsgefühl und lassen vor allem auch junge Leute ihre Kultur erfahren und sie wieder aufleben. Es erscheinen momentan immer mehr regionale Podcasts auf dem Markt. Zum Beispiel regional aus Stuttgart („Er, Sie & Ich“ mit Liya Rediet und Yaw Kyeremeh) und der Wetterau („Afterhour Eierbagge“ mit Dennis Schulz und Marcel Heller).
Auch das Tübinger Campusmagazin „Kupferblau“ hat einen eigenen Podcast: „Gesprächsstoff – Ein Kupferblau-Podcast“ erscheint jeden zweiten Freitag im Monat und behandelt alles, was Tübingen bewegt (mehr dazu hier: FILTERBLASEN & ECHOKAMMERN – GEFAHR FÜR DEMOKRATIE? – Media Bubble (media-bubble.de)).
Der neue ständige Begleiter
Ob beim Sport, auf dem Weg zur Arbeit oder als Einschlafhilfe: Immer mehr Smartphone-Nutzer*innen hören Podcasts, statt sich von Musik berieseln zu lassen. Die einen mögen es einfach, ein paar „Freaks“ beim Witzeln zuzuhören, die nächsten nutzen „leere“ Zeit, um sich politisch zu bilden, wieder andere lauschen spannenden Stories in den vielen True-Crime-Podcasts. Und die echten Podcast-Enthusiast*innen mischen sich ihr individuelles Tageshörprogramm aus all diesen Zutaten zusammen – Genügend Auswahl gibt es auf jeden Fall.
Quellen & Weiterführendes:
- Regionale Podcasts, Trend oder sinnvoll – PODCAST MONKEY (podcast-monkey.com)
- Reingehört: Diese Podcasts aus Stuttgart solltet ihr kennen (stadtkind-stuttgart.de)
- Das steckt hinter der Faszination Podcast – WELT
- Die neue Lust auf Podcasts | c’t Magazin (heise.de)
- Podcast – Kupferblau – Campusmagazin Tübingen
- Podcasts – Ein neuer Trend | URBAN & UNCUT Studios