KI und Social Media
Wo Grenzen setzen bei grenzenlosen Möglichkeiten?
Von Deria Stumpp
Künstliche Intelligenz – kurz KI – ist in den letzten Jahren zu einem extrem wichtigen Thema für unsere Gesellschaft geworden und obwohl das Ganze stark umstritten ist, ist klar: KI ist nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Auch in den sozialen Medien wird KI immer präsenter. Einsatzgebiete können zum Beispiel die Optimierung bestehender Algorithmen oder sogar das vollständige Kreieren von Beiträgen sein. Bei den unzähligen neuen Möglichkeiten und Veränderungen, die durch KI entstehen, sollte man sich aber gerade als User (Nutzer:in) von Social Media mit der Frage auseinandersetzen, bis wohin man dabei von Fortschritt sprechen möchte und ab wann diese Schritte vielleicht doch in die falsche Richtung gehen.
Egal ob TikTok, Instagram oder Snapchat, auf eigentlich allen Social-Media-Plattformen findet KI schon Verwendung. Der Einsatz dieser Technologie ist sehr attraktiv, für die Plattformen selbst, aber auch für die User, Influencer und Unternehmen, die sich auf Social Media befinden. In diesem Kommentar werde ich aus der User-Perspektive heraus hinterfragen, inwieweit man bei der Ausbreitung von KI in den sozialen Medien tatsächlich von einer Verbesserung sprechen kann.
Kurz erklärt:
• KI (künstliche Intelligenz) : Fähigkeit von Maschinen, Menschliche Fähigkeiten nachzuahmen oder sogar zu übertreffen, z.B. logisches oder kreatives Denken
Für Social Media relevante KI Typen , nach Funktion eingeteilt:
• Analytische/prädikative KI: trifft basierend auf Datenanalyse mit hoher Genauigkeit Vorhersagen und erkennt Muster, wird z.B. für Marketing oder Inhaltsempfehlungen verwendet
• Interaktive/Konversations-KI: Kommunikation mit Menschen, ahmt dabei natürliche, menschenähnliche Sprache nach, wird z.B. für virtuelle Assistenten oder Chatbots verwendet
• Generative KI: kann Neues Generieren, ahmt menschliche Kreativität und Innovation nach, kann z.B. für die Erstellung von Texten/Bildern/Videos verwendet werden
Werkzeug für Effizienz
Ein großer Vorteil, den KI auf Social Media bietet, ist die gesteigerte Effizienz, mit der Inhalte erstellt und geteilt werden können. Das zeigt sich für User vor allem in ihrem Feed, denn durch analytische KI wird genau beurteilt, welche Themen und Posts am besten ankommen und was dem individuellen User selbst gefällt.

Hinter vielen großen Unternehmen oder Influencern auf Social Media steht ein professionelles Team für Aufgaben wie Marketing oder Content-Entwicklung. Inzwischen kann KI viele dieser Aufgaben übernehmen und Prozesse optimieren. Bild: Unsplash
Es scheint ideal: Influencer wissen jederzeit, was im Trend ist, und können Beiträge dementsprechend anpassen, User haben perfekt auf sie abgestimmte Feeds und sehen nur noch das, was sie wirklich interessiert.
Aber was folgt, wenn unsere sozialen Medien nahezu perfekt auf uns abgestimmt werden? Ein schlagartig erhöhtes Suchtpotential. Die Gefahr einer Social-Media-Sucht ist bei weitem nichts Neues, doch durch KI ist der Bann, in den die Plattformen ihre User ziehen können, kaum noch zu brechen. Es wird niemals langweilig, KI ist die Garantie.
Freund und Helfer?
Die durch KI mögliche Effizienz zeigt sich auch außerhalb des Feeds, zum Beispiel in direkter Interaktion mit Usern. Das geschieht durch sogenannte Chatbots; Programme, die mit Hilfe von Konversations-KI in der Lage sind, Gespräche zu führen, wie es ein Mensch tun würde. Ein Beispiel dafür ist der Chatbot „My AI“ von Snapchat. „My AI“ kann nicht nur wie ein 24/7-Kundenservice jederzeit bei Fragen rund um Snapchat helfen, sondern auch Rat zu alltäglichen Problemen bieten. Was tun nach einem heftigen Streit? Was schenken bei einem anstehenden Geburtstag? „My AI“ hat Antworten. Ob diese immer vertrauenswürdig sind, ist fraglich. Und überhaupt: Sollten wir für die Lösung von persönlichen Problemen wirklich die Hilfe von Bots benötigen?
Als Kundenservice kann interaktive KI für User von Social Media wirklich hilfreich sein, die Unterstützung durch Chatbots ist schnell und was Informationen über die jeweilige Plattform betrifft, auch sehr zuverlässig. Aber braucht es dabei auch das, was darüber hinausgeht, was eigentlich eine Freundschaft bieten sollte? Klar, kaum jemand wird die Chatbots auf Social Media als Ersatz für eine reale Freundschaft sehen, dennoch stehen sie eindeutig für einen Ersatz tatsächlicher zwischenmenschlicher Kommunikation.
Sicherheitsmanagement und -risiko
Ein weiteres Einsatzgebiet von KI ist das Sicherheitsmanagement auf Social Media. Schon immer war der Begriff „Content-Moderation“ ein wichtiges Thema für die Plattformen: ständige Überprüfung, Bewertung und, wenn nötig, Entfernung von Inhalten, um ein sicheres und angemessenes Social-Media-Erlebnis zu gewährleisten. Auch hier ist analytische KI wesentlich effizienter als bisherige Vorgehensweisen. Ob sie schädliche Inhalte aber immer zuverlässig erkennt, ist für viele noch zweifelhaft.
Außerdem darf keinesfalls vergessen werden: Während KI als Gewährleistung von Sicherheit eingesetzt wird, entstehen gleichzeitig durch eben diese Technologie ganz neue Sicherheitsrisiken. Eins der größten Risiken sind dabei sogenannte Deepfakes: mithilfe von KI gefälschte oder abgeänderte Inhalte. Sie sind oft täuschend echt und überhaupt nicht mehr als „Fake“ erkennbar.
So musste zum Beispiel Billie Eilish zu ihrem Outfit der diesjährigen Met Gala Stellung beziehen, nachdem gefälschte, KI-generierte Fotos von ihr im Internet kursierten. Nach unzähligen Kommentaren über das anscheinend furchtbare Outfit stellte sie klar: Sie war nicht einmal auf der Met Gala 2025.
Ein gefälschtes Outfit scheint erstmal harmlos, doch mit generativer KI werden auch Deepfakes produziert, die ernsthafte Folgen haben können. Ob gefälschte Politikerreden, obszön bearbeitete Bilder von Menschen oder erfundene Naturkatastrophen – alles ist möglich. Wahr und falsch kann von Usern kaum mehr unterschieden werden, eine generelle Haltung von Misstrauen entsteht auf Social Media und es ist völlig unklar, wie die hier nötige Transparenz gewährleistet werden soll.
Künstliche Kunst und Kreativität
Generative KI bedeutet für Social Media weit mehr als nur Deepfakes. Sie wird von vielen Plattformen als quasi revolutionäres Werkzeug fürs Erstellen von Beiträgen beworben, so zum Beispiel die „KI Snaps“ von Snapchat, durch die Bilder erstellt oder bearbeitet werden können. Auch andere Plattformen bieten ihren Usern KI-Tools, vor allem auf TikTok werden sie immer präsenter.

Die Qualität von Bildern, die vollständig von KI generiert wurden, ist inzwischen sehr hoch. Mit dem bloßem Auge ist es oft unmöglich, sie von menschlicher Kunst zu unterscheiden. Bild: Pixabay.
Doch die Meinungen zu KI-generierten Inhalten sind stark gespalten, gerade im Bereich der Kunst. User streiten online, ob sich Leute, die beim Erschaffen ihrer Werke KI verwenden, überhaupt als Künstler:innen bezeichnen dürfen. Viele argumentieren, dass der Prozess des Schaffens genauso wichtig für den Begriff von Kunst ist, wie das Werk am Ende selbst. Im Gegensatz dazu behaupten KI-Künstler:innen, dass KI Kunst für die Allgemeinheit zugänglich machen würde.
Aber ist Kunst das nicht? Reicht nicht ein alter Stift und ein Stück Papier für eine Zeichnung, eine Stimme für ein Lied oder eine Handykamera für einen Kurzfilm? Es ist nicht immer so einfach, doch eigentlich sind Mittel der Kunst für alle zugänglich. Woran es fehlt? Da sind sich viele der Künstler:innen, die sich gegen KI-generierte Kunst aussprechen, einig: Kreativität, Leidenschaft und Geduld, zu üben, zu scheitern und weiterzumachen.
Ein Beispiel für Kritik an KI generierter Kunst auf TikTok, mit einer Million Likes.
KI-Künstler:innen wollen eine Abkürzung und es ist verständlich, dass diejenigen, die nur aufgrund eigener Anstrengung ihre künstlerischen Fähigkeiten erlangen, das nicht gutheißen.
Und was jetzt?
Am Ende müssen User selbst entscheiden, wo sie für KI auf Social Media die Grenze ziehen wollen. Doch man sollte sich bewusst machen, dass Einsatz und Bedeutung von KI oft sehr viel komplexer sind, als es zunächst scheinen mag. Auch in diesem Kommentar konnte ich nur einen Bruchteil dieser Entwicklung thematisieren.
Es ist klar: KI hat viele Vorteile. Sie bietet enorme Effizienz, schnelle Lösungen und allgemein ein optimiertes Nutzungserlebnis auf Social Media. Aber all diese Fortschritte bringen auch gravierende Probleme mit sich, wie die Erhöhung von Suchtpotential oder fehlende Transparenz. Und der meiner Meinung nach wichtigste Punkt: die Frage nach Menschlichkeit. Was bedeutet es für uns als Menschen, wenn Technologie nicht mehr nur Arbeitsprozesse erleichtert und verbessert, sondern auch übernimmt, was uns interessiert und erfüllt? Denn nichts anderes stellen KI-generierte Social-Media-Beiträge dar. Wir sollten gut überlegen: Wollen wir das, was uns informiert, unterhält und bewegt, wirklich in künstliche Hände legen?
Anmerkung: In diesem Artikel wird der englischsprachige Begriff „User“ als genderneutraler Begriff für „Nutzer:innen“ verwendet.
Quellen:
Europäisches Parlament (2020): Was ist künstliche Intelligenz und wie wird sie genutzt?. https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20200827STO85804/was-ist-kunstliche-intelligenz-und-wie-wird-sie-genutzt. (letzter Zugriff: 29.06.2025)
Microsoft: Generative KI im Vergleich zu anderen KI-Typen. https://www.microsoft.com/de-ch/ai/ai-101/generative-ai-vs-other-types-of-ai. (Letzter Zugriff: 29.06.2025)
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De, Debasmita et al. (2025): Social Media Algorithms and Teen Addiction: Neurophysiological Impact and Ethical Considerations. Cureus vol. 17 (1), online einsehbar unter: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11804976/. (Letzter Zugriff: 03.08.2025)
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TikTok Post von krudekids (2025), https://vm.tiktok.com/ZNdywrFVX/. (Letzter Zugriff: 29.06.2025)
weitere:
Bhavya, M. (2024): AI in Social Media: The Benefits and Risks. Online einsehbar unter: https://www.inspiritai.com/blogs/ai-student-blog/ai-in-social-media. (letzter Zugriff: 30.05.2025)
Kapersky (2025): Social Media and AI: Is it Safe?. Online einsehbar unter: https://www.kaspersky.com/resource-center/preemptive-safety/social-media-ai. (letzter Zugriff: 30.05.2025)
Tofan, Romana (2024): Deepfakes. Online einsehbar unter: https://www.bmi.gv.at/magazin/2024_03_04/04_Deepfakes.aspx. (letzter Zugriff: 29.06.2025)