Bildzeitung

Ich verkaufe meine Seele… nicht! – Als Praktikant bei der BILD

von Alexander Karl

Gleich vorne weg: Ich habe meine Seele noch, kann noch in den Spiegel schauen und mein Gewissen ist rein. Wieso denn auch nicht? Vier Wochen habe ich ein Praktikum bei BILD Berlin, also der Berliner Außenredaktion der Bundesausgabe. Drei Wochen sind vorbei und somit ist genügend Zeit vergangen, um ein kleines Fazit zu ziehen. Und das Fazit ist… positiv. Sehr positiv, um genau zu sein. Warum? Da gibt es genügend Gründe.

Klatsch, Tratsch, Sex

Natürlich ist BILD die BILD und (fast) jeder Promi freut sich, hier abgedruckt zu werden. Da ich zudem noch in der Show- und Kultur-Redaktion arbeite, heißt das für mich: Promi-Alarm! Egal ob der kommende ZDF-Kommissar oder Elyas M’Barek, Star aus „Türkisch für Anfänger“: Für BILD darf ich mit ihnen reden. Dass sich mein Interview mit Elyas nicht um Kapitalismuskritik, Gauck oder Hunger in der Dritten Welt drehte, leuchtet wohl ein. Ja, es ging um sein Sixpack. Und ja, ich habe auch den Sänger von „All American Rejects“ nach seinem Sexualleben befragt. Aber genau diese Fragen werden zu Geschichten, die wir als Konsumenten aufsaugen wie ein Schwamm. Wir Menschen sind zu einem gewissen Grad nun einmal Voyeure und dieser Voyeurismus soll befriedigt werden. Und dafür ist der Klatsch und Tratsch in der BILD ideal.

Politik und Co. in 20 Zeilen

flickr/ Gertrud K. (CC BY-NC-SA 2.0)

Hier in Berlin hat Alexander sein Praktikum absolviert. Foto: flickr/ Gertrud K. (CC BY-NC-SA 2.0)

20 Zeilen in der BILD sind etwa 70 Wörter. Es ist eine Kunst, innerhalb von so wenigen Worten die wichtigen Infos zu vermitteln UND noch Emotionen zu transportieren. Das gilt auch für politische Geschichten. Ja, logischerweise muss dann teilweise gekürzt werden, vielleicht können auch einmal nicht alle Aspekte beleuchtet werden. Aber das ist in meinen Augen auch nicht der Auftrag der BILD. BILD will Geschichten erzählen, die so bunt wie das Leben sind. Und die Welt der BILD-Geschichten ist groß: Vom tauben Abgeordneten, der nur Gebärdensprache spricht, bis zu Mord, Totschlag und Skandalen. Immer wieder müssen sich die BILD-Redakteure aber auch fragen, wie man eine Geschichte erzählt. Wie berichtet man „richtig“ über einen Kinderschänder, der neben einem Kindergarten einzieht? Darf man sein Gesicht zeigen oder nicht? Das ist zum einen eine ethische und medienrechtliche Fragestellung. Aber man muss sich auch immer in die Position des Lesers hineinversetzen und dann lautet die Frage: Will ich das Gesicht des Mannes kennen, wenn mein Kind in diesen Kindergarten geht?

Es ist kein Gerücht, dass die BILD natürlich versucht, menschliche Schicksale zu thematisieren genau das viel Fingerspitzengefühl verlangt. Oftmals ist es auch in meinen Augen der BILD nicht gelungen, Themen so sensibel anzupacken, wie sie es verdient hätten. Aber die Zeiten, in den Wallraff große Skandale aufzudecken hätte, sind vorbei. Würde Wallraff heute hier vorbeikommen und seinen Hans Esser mimen – er würde wohl ziemlich enttäuscht sein. Skandale gibt es zwar im Blatt, aber nicht in der Redaktion oder ihrer Arbeitsweise. Als Medienwissenschaftler habe ich an mich und meine Arbeit den Anspruch, fundiert zu recherchieren und zu berichten.

Und ja, genauso erlebe ich es auch bei BILD. Es wird ordentlich recherchiert – ich habe etwa noch nie erlebt, dass man jemandem ungefragt Zitate in den Mund legt oder entstellend die Wortwahl verändert. Natürlich muss man manchmal ein wenig zäher recherchieren, mit Menschen vielleicht zwei oder drei Mal reden, bevor man die Story hat. Aber das gehört zum journalistischen Brot immer dazu. Und wer ein exklusives Brot möchte, der muss eben noch mal ein wenig mehr bohren oder seine Informanten bei Laune halten.

Kritik in BILD an BILD

Vor meinem Praktikum habe ich mich ja immer gefragt, wie sehr ich in der BILD-Redaktion Kritik an der BILD üben darf. Etwa in der Blattkritik, wenn ich für meinen Geschmack zu plumpe oder altbackene Themen kritisiere. Ich stelle fest, dass ich meine Meinung immer sagen darf und durfte. Vielleicht stört sich manch einer daran, wenn man als Praktikant etwas gegen die Themen der altgedienten Redakteure sagt. Aber bisher wurde ich dafür nicht gelyncht und grundsätzlich wird eine frische Sichtweise auf die BILD auch geschätzt. Übrigens: Meine Kollegen kritisieren auch. Sie freuen oder ärgern sich genauso über die Geschichten im Blatt wie ich oder der Leser dieses Erfahrungsberichts. Aber genau das ist der Charme der BILD.

Weltfrauentag und kuriose Jobs

Um jetzt im BILD-Stil eine Frage an mich selbst: „Was war der krasseste Tag in der Redaktion?“ Ganz klar der Weltfrauentag. Zur Erinnerung: BILD war komplett frauenlos, die Männer machten die Zeitung alleine. Natürlich fehlte damit die halbe Redaktion und es war ziemlich hektisch, weil es trotzdem keine weißen Stellen im Blatt geben sollte und auch nicht der komplette Stehsatz (also bereits geschriebene Storys) verbraten werden sollten. Andererseits: Wenn man so einen Tag in der Redaktion erlebt, schockt einen nichts mehr. Auch nicht, wenn man mit Elyas M’Barek für ein Foto auf einen drei Meter hohen Container klettern muss. Irgendwie ist genau das auch der Reiz, für die BILD zu arbeiten: Es wird nie langweilig. Und seine Seele behält man auch.