How to avoid the Z-Word in 4 Seasons
von Selina Juliana Sauskojus
Erfolg wird ja bekanntlich an Zahlen gemessen. Die Zuschauerzahlen von The Walking Dead sprechen für sich. 15,68 Millionen Amerikaner sahen im März das Finale der vierten Staffel (zum Vergleich: die erfolgreichste Game of Thrones-Episode hatte „nur“ 7,16 Millionen Zuschauer). Man könnte die Serie des Senders AMC (Geburtsstätte von anderen Knallern wie Breaking Bad) durchaus als Kassenschlager bezeichnen. Da stellt sich doch direkt die Frage: was zieht fast 16 Millionen Menschen vor die Bildschirme? Um es vorab zu sagen: die Walkers/Biters/Lame Brains sind es nicht unbedingt.
„Don’t Open Dead Inside“
2011 startete die erste Staffel von The Walking Dead im amerikanischen Fernsehen. Zombiefans jauchzten, Fans der Comicserie frohlockten, Fernsehzuschauer, die weder mit Zombies noch mit Comics viel am Hut hatten waren gespannt. Der Beginn der Serie kann als klassischer Start für die Untoten-Thematik bezeichnet werden. Der Sheriff Rick Grimes erwacht aus dem Koma, allein in einem Krankenhaus. Die Korridore sind menschenleer und verwüstet. Erst als er auf einer Tür die Aufschrift „Don’t open, dead inside“ sieht, schwant ihm, dass irgendetwas ganz und gar nicht so ist wie es sein sollte. Rick macht sich auf die Suche nach seiner Frau Lori und seinem Sohn Carl, die das amerikanische Vorstädtchen aber längst verlassen haben. Zu Pferd macht sich Rick auf nach Atlanta, nur um sich dem ganzen Ausmaß der Zombieapokalypse ausgeliefert zu sehen. Dort wird er von einer Gruppe Überlebender aufgegriffen, die ihn mit in ihr Camp am Rande Atlantas nehmen, wo, wie es der Zufall will, auch seine Familie inklusive seinem besten Freund und Ex-Kollegen Shane residiert. Nun muss sich die zwanzigköpfige Gruppe, bestehend aus Familien, Rednecks und Einzelkämpfern, gemeinsam gegen die rätselhafte Pandemie behaupten.
Auge um Auge
So stellt es sich zumindest in der ersten Staffel dar. Bald stellt der geneigte Zuschauer jedoch fest, dass es weniger die Untoten sind, um die sich die Überlebenden Sorgen machen müssen, sondern eher andere Menschen mit Puls, die ihnen aus unterschiedlichsten Gründen an den Kragen wollen. So wandelt sich The Walking Dead von der Horrorserie zum Sozialdrama. Das postapokalyptische Georgia wird so zum Setting für eine Welt, in der sich Menschen in Extremsituationen begegnen und in der die Walker eher zum weißen Rauschen werden. Genau da liegt wahrscheinlich der Reiz der Serie. Statt Splatter bekommt der Zuschauer das Psychogramm einer Gesellschaft, die alles verloren hat – nicht nur Besitz oder Familie, sondern auch sämtliche altruistische Normen. Auge um Auge, Zahn um Zahn, diesem biblischen Sprichwort kommt in dieser Welt, die jeglichen Glauben verloren hat, eine besondere Bedeutung zu. Das menschliche Böse findet seine Charakterisierung in der dritten Staffel in der Figur des Governors. Nach außen hin der charismatische Führer einer Siedlung, entpuppt sich dieser zum Psychopathen, der seine Rolle als Leader missbraucht und sich auf einen persönlichen Rachefeldzug gegen Rick Grimes und dessen Gruppe begibt. Der Konflikt zwischen beiden Parteien dauert über zwei Staffeln an und entfaltet ein größeres Grauen, als es die Walker je konnten.
Ein Redneck für’s TV
Das Grauen, die menschliche Gewalt und die wahre Natur des Menschen sind jedoch nicht die einzigen Elemente, die den Zuschauer wieder und wieder an den Bildschirm ketten. Es sind die Charaktere selbst, die fesseln und deren Entwicklung man weiterverfolgen muss. Einige Charaktere wurden speziell für die Serie konzipiert, so zum Beispiel der Redneck Daryl Dixon, der einsame Wolf mit Armbrust, der wahrscheinlich einer der most badass characters ever ist. Als Nichtkenner der Comics fragt man sich: wie kann das Comic ohne diesen Charakter überhaupt bestehen?
Abgesehen davon, dass Frank Darabont (Produzent der Serie) und Robert Kirkman (einer der Autoren der Comics und wichtiger Berater für die Serie) neue Charaktere geschaffen haben, die die Menschen faszinieren, so ist doch die Entwicklung, die ein jeder Charakter im Verlauf der Staffeln durchmacht, tragendes Element der Serie.
„Damn…the actors of Game of Thrones have better job security.“
Die Serie deckt in vier Staffeln einen Zeitraum über knapp eineinhalb Jahre ab. In dieser Zeit machen die Hauptcharaktere große Entwicklungen durch. Sichtbar wird dies vor allem an der Figur Carl Grimes, der sich vom unschuldigen Kind zum kämpfenden Jugendlichen entwickelt. Der Grund dafür, dass sich der Zuschauer so sehr auf die Charaktere einlassen kann ist der, dass sich die Serie Zeit nimmt. Die zweite Staffel spielt beinahe ausschließlich auf einer Farm. Dort gewinnt die Gruppe neue Mitglieder. Es wird oft kritisiert, dass die Serie langatmig ist, dass sie (abgesehen von den midseason finales und den season finales) eher langweilig ist und vor sich hindümpelt. Vor allem in der zweiten Staffel mag sich einem dieser Eindruck aufzwängen. Doch sind es gerade die Folgen, in denen scheinbar wenig passiert, die eine Bindung zwischen Zuschauer und Charakteren zulässt. Innere Konflikte, Gruppenkonflikte und allzu Menschliches bieten so viel Potential zur Identifikation, dass es beinahe unmöglich wird das Schauen abzubrechen. Der Zuschauer bekommt das Gefühl seinen Lieblingscharakter begleiten zu müssen. Denn für eines ist die Serie bekannt: trotz teilweise langatmiger Episoden bietet sie Showdowns wie kaum eine andere Serie.
Bei jenen Showdowns ist es leider auch gang und gäbe, dass sich massenhaft Hauptcharaktere gewaltsam verabschieden. Das Figurensterben hat in dieser Serie Hochkonjunktur. Gewöhnt man sich gerade an eine Figur, beginnt man sich mit ihr zu identifizieren und sie lieb zu gewinnen, wird sie aus der Serie gerissen. Diese ständige Unsicherheit, die der Zuschauer hat – überlebt meine Lieblingsfigur? Gewinnt am Ende doch der Antagonist? – ist sicherlich ein Faktor, der den Erfolg der Serie erklärt.
Fazit
Anders als Comics und Computerspiele erreichen TV-Serien ein ungleich größeres Publikum. Dieses Publikum reicht von jung bis alt, Frauen und Männer gleichermaßen sind der Serie verfallen. Doch sind es nicht die Horrorelemente, die den Erfolg der Serie ausmachen. Das Zombieszenario bietet lediglich den Hintergrund für Entwicklungen und menschliche Konflikte, mit denen sich der Zuschauer identifizieren kann. Am Ende wird sich jeder Zuschauer fragen: was würde ich tun? Schlussendlich ist das wahre Horrorszenario, das die Serie bietet, die Tiefe der menschlichen Abgründe. Denn egal welche Katastrophe über die Menschheit hereinbricht: der Mensch ist und bleibt des Menschen größter Feind.
Foto: flickr.com/Even Roberts (CC BY-NC 2.0)