Haustiere als Instagram-Models – zwischen liebevoller Inszenierung und Tierwohlgefährdung

Von Nico Janic

Das Internet liebt Tiere. Aber dass diese Liebesbeziehung oftmals sehr einseitig ist, wird uns bei den lustig-schreckhaften Katzen und den kostümierten Hunden meistens nicht bewusst. Immer öfter lachen wir, ohne es zu wissen, über leidende Tiere – und wird das Leid sichtbar, scrollen wir schnell weiter.

Cat-Content – wie es Tiere ins Internet geschafft haben

Zusammen mit ihren vierbeinigen Freunden, den Hunden, sind Fotos und Videos von Katzen mit Abstand der am meisten gefragte Content auf den sozialen Medien. Dass Katzen aber nicht erst mit dem Internet, sondern bereits viel früher Medienpräsenz zeigten, ist den meisten Menschen sicher nicht bekannt. Bereits in den 1870er Jahren fotografierte der Brite Harry Pointer die ersten Fotos von bekleideten Katzen, welche er mit Kommentaren versah und so praktisch die ersten Memes entwickelte. Mit Frank the Cat betrat 1994 dann eine Katze erstmals die große Bühne des Internets. Seitdem sind Katzen aus dem Internet kaum noch wegzudenken.

Das Petfluencing und die Profiteure

Der Aufstieg der Tiere im Internet kulminiert heute in der tierischen Rolle der Petfluencer, also Haustiere mit der Medienpräsenz eine*r Influencer*in. So stieg im vergangenen Jahrzehnt die Katze Grumpy Cat zu einer wahrhaften Ikone auf, die in der Hundewelt noch ihresgleichen sucht. Idealerweise ist das Petfluencing durch Haustiere wie Grumpy Cat von Natur aus komisch, witzig oder einfach nett anzusehen.

Tadar Sauce, besser bekannt als Grumpy Cat, war von 2012 bis 2019 die wohl berühmteste Internetkatze der Welt. Ihr stets mürrischer Gesichtsausdruck wurde durch einen Unterbiss und den sogenannten Katzen-Zwergwuchs bedingt. Foto: Pixabay.

Problematisch wird es, wenn die Besitzer*innen ihren tierischen Petfluencern den Weg zum Ruhm durch Verkleidungen und andere Accessoires ebnen wollen. Ein Hund mit Hut ist zwar lustig und lässt den „Gefällt mir“-Button explodieren. Doch ob das dem vierbeinigen Freund auch so sehr gefällt, ist oftmals zu bezweifeln. Doch woher weiß ich, was einem Tier gefällt, was es erduldet, und woran erkenne ich, wenn ein Tier leidet?

Was sind wir unseren Tieren schuldig?

Der Bereich der Tierethik hat in den letzten Jahrzehnten einen enormen Aufschwung erfahren. Doch bis heute ist der Deutsche Tierschutzbund, der bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts besteht, der Meinung, dass viele Rechte von Tieren nur ansatzweise, wenn überhaupt formalisiert sind. Mit Blick auf die weiterhin global boomende Massentierhaltung fällt es zugegebenermaßen oftmals schwer, überhaupt einzelne Tierrechte zu identifizieren. Paradoxerweise scheint die Differenzierung zwischen Haus- und Nutztieren tatsächlich so etwas wie Tierrechte, zumindest für Haustiere, zu implizieren. Zweifellos ist kein anderes Verhältnis zwischen Menschen und Tieren derart durch Liebe und Fürsorge charakterisiert, wie das menschliche Verhältnis zu Haustieren. Doch sind sich Tierschützer einig, dass auch dieses Verhältnis unter Tierrechtsverletzungen leidet, sobald Hunde in enge Kleidchen gezwängt oder Katzen mithilfe von Gurken an ihren Futterstellen erschreckt werden. Wenn deshalb darüber diskutiert wird, was wir unseren Tieren schuldig sind, so fällt in diesem Zusammenhang oftmals der Ausdruck des artgerechten Umgangs.

Tierschutz und Tierrechte in Deutschland – das sagt das Gesetz

Was ist also dieser artgerechte Umgang, von dem in Tierwohldebatten so häufig die Rede ist? Im Tierschutzgesetz lautet es bezüglich eines artgerechten Umgangs mit einem Tier folgendermaßen:

„Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen“ (Tierschutzgesetz §2)

Völlig offen und damit frei für Interpretationen der Tierbesitzer bleiben die Begriffe „[den] Bedürfnissen entsprechend“ und „verhaltensgerecht“. Damit also ein artgerechter Umgang garantiert werden kann, sollten Tierbesitzer sich vor dem Kauf eines Haustiers bestenfalls gut über die Bedürfnisse des jeweiligen Tieres informieren. Dass dies jedoch nicht gesetzlich bindend ist, erschwert die Garantie für den artgerechten Umgang mit Tieren nicht nur in Deutschland erheblich.

Tierwohlgefährdung auf Social Media

Wie lässt sich also erkennen, dass Tiere im Internet leiden? Und ab wann ist das strafbar?

Da wir bereits wissen, dass kaum formalisierte Tierrechte bestehen, ist die Strafbarkeit für Tierwohlverletzungen zunächst einmal eine ziemlich große Grauzone. Keinen grundlegenden Fehler macht man allerdings, wenn man davon ausgeht, dass Tiere (genau wie wir) schmerzempfindende Wesen sind. Somit ist jedes leidende Tier prinzipiell eine Form der Straftat. Keinem Tier gefällt es beispielsweise fallengelassen zu werden, mit Essen beworfen zu werden, erschreckt zu werden oder in enge Kleider gezwängt zu werden. Dies lässt sich vor allem deshalb mit großer Sicherheit sagen, weil wir diesen Umgang auch niemals mit einem Kleinkind pflegen würden, ganz einfach, weil wir es als respektlos, entwürdigend oder schlichtweg als gemein empfinden würden.

Als Besitzer*in eines Hautieres sollten wir unsere Bedürfnisse und Vorlieben stets hinter den Bedürfnissen und Vorlieben des Tiers anstellen. Die Ausschüttung von Endorphinen, die ein Perserkätzchen im pinken Minirock bei uns bewirken kann, beruht meist nicht auf Gegenseitigkeit. Natürlich bedeutet nicht jedes kostümierte Haustier eine Tierwohlgefährdung, aber jedes zu eng anliegende Kostüm ist ein unnötiger Schritt in ebendiese falsche Richtung, in der wir eine Form von Tierleid in Kauf nehmen. Der wohl beste Leitfaden, um überschrittene Grenzen zu erkennen, ist vereinfacht ausgedrückt das Wahrnehmen einer jeden tierischen Lebensform, die nicht so oder so ähnlich auch in der freien Natur wiederzufinden wäre. Hierzu zählen auch die so oft mit verniedlichender Absicht gemeinten Vermenschlichungen von Haustieren – beispielsweise in Form eines vegetarischen Lebensstils oder übertriebener Körperhygiene.

Professor Achim Gruber ist Tierpathologe an der Freien Universität Berlin und beschäftigt sich beruflich mit praktisch zu Tode geliebten Tieren. Er meint, dass gerade ein hoher Grad der Vermenschlichung den Haustieren oftmals schadet. Was nett und niedlich gemeint ist, wird dann tödlich.

Der weltweite Markt für Heimtierbekleidung betrug im Jahr 2020 5,01 Milliarden US-Dollar. Ein Ende dieses Trends ist bislang nicht in Sicht. Foto: Unsplash

„Wir glauben, dass diese Tiere dann in die Familie aufgenommen werden. Wir denken, dass wir sie dann auch wie Menschen füttern können, wie Menschen unterbringen können, dass sie auch sauber sind und hygienisch wie Menschen. Und im Rahmen dieser Vermenschlichung haben wir viele unserer Tiere um wesentliche Aspekte ihrer eigenen Natur und ihrer eigenen Bedürfnisse beraubt.“ – Prof. Dr. Achim Gruber, Freie Universität Berlin

Welche Verantwortung kommt uns als Social-Media-User*innen zu?

Nicht alles, was gut gemeint ist, ist also auch tatsächlich gut – so weit so klar. Doch wie gehe ich nun mit solchen, wenn auch nicht böse gemeinten Tierwohlgefährdungen auf Instagram und Co. um, wenn ich sie sehe?

Plattformen wie Instagram oder TikTok haben sowohl für Missbräuche jeglicher Art als auch für Fälle von Tiermissbrauch im Speziellen eine Meldefunktion, die es User*innen erlaubt, gegebene Videos und Fotos sowie auch die dafür verantwortlichen Accounts direkt zu melden. Problematisch hieran ist jedoch, dass die meisten Inhalte nicht nur einfach, sondern hundert- oder gar tausendfach gepostet werden, sodass einzelne Meldungen meist zwecklos und die Verfolgung des tatsächlichen Urhebers meist erfolglos bleibt.

In jedem Fall ist dringend davon abzuraten, diese Inhalte zu liken oder zu kommentieren, da dies bekanntermaßen die Algorithmen dazu bewegt, vermehrt Inhalte desselben Typs anzuzeigen und so zu pushen.

Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Cat_Content (2011.02.2024)

https://omr.com/de/daily/petfluencer-agenturen-werbewert (11.02.2024)

https://en.wikipedia.org/wiki/Grumpy_Cat (11.02.2024)

https://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/BJNR012770972.html (11.02.2024)

https://www.mdr.de/wissen/kuscheltierdrama-tierpathologie-menschen-lieben-haustiere-zu-tode-102.html (11.02.2024)

https://www.fortunebusinessinsights.com/de/haustierbekleidungsmarkt-104419 (11.02.2024)