Es ist ein Job für Idealisten

Ein Portrait über Elisa Schwarz

Von Annalena Pommerenke

Wenn sie von ihrem Job erzählt, strahlt sie übers ganze Gesicht. Für Elisa Schwarz ist es der absolute Traumberuf: Sie ist Redakteurin bei der Seite Drei der Süddeutschen Zeitung. Wie es dazu kam, hat sie mir erzählt …

Für unser Gespräch treffe ich mich mit Elisa online – klar, denn in Pandemiezeiten gehört das ja quasi zum guten Ton. Dass wir uns nur virtuell unterhalten können, tut unserem Treffen aber keinen Abbruch. Wie wichtig für Elisa ihr Job ist und wie glücklich sie darin ist, merke ich ihr auch so an. Doch jetzt erst einmal von vorn: Elisa ist Redakteurin und Reporterin bei der Süddeutschen Zeitung im Ressort „Seite Drei“. Der Weg dorthin war geradlinig und doch voller Spannung und so manch unerwarteter Wendung. Dass sie beruflich eines Tages in den Journalismus gehen will, weiß sie schon als Jugendliche, denn mit Sprache zu arbeiten, macht ihr damals schon großen Spaß. Nach einem Praktikum bei einer Lokalzeitung beginnt sie deshalb in Tübingen das Studium der Medienwissenschaft mit Nebenfach Allgemeine Rhetorik. Während dieser Zeit nimmt sie nicht nur begeistert am Debattierclub teil, sondern absolviert weitere Praktika im journalistischen Bereich. Auf den Bachelor folgt ein Masterstudium der Politikwissenschaft in Konstanz mit dem anschließenden Angebot zu promovieren. Die wissenschaftliche Arbeit macht Elisa Freude und da sie inzwischen tatsächlich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni zu arbeiten begonnen hat, überlegt sie sich ernsthaft, den lang gehegten Traum von der Journalistin aufzugeben und an der Uni zu bleiben – eine handfeste Sinnkrise zeichnet sich ab mit Argumenten für und gegen Promotion oder Journalismus. Um mit gutem Gewissen den Weg an der Uni weiter verfolgen zu können, bewirbt sie sich bei der Deutschen Journalistenschule in München mit der Annahme, ohnehin eine Absage zu kassieren. Doch wider Erwarten bekommt sie dort eine Zusage. Die Freude darüber zeigt ihr, wie sehr sie sich eigentlich gewünscht hatte, dass es klappt und so nimmt sie diese Chance dankbar an, gibt ihre Sicherheiten in Konstanz auf und zieht nach München. Nach 16 Monaten in der Ausbildung und weiteren Praktika bekommt sie tatsächlich ein Angebot zur Festanstellung bei der Seite Drei der Süddeutschen Zeitung! Ein großer Wunsch geht in Erfüllung.

Wie ein ganz gewöhnlicher Tag in Elisas Traumjob aussieht, wollte ich gerne wissen, doch den gibt es nicht wirklich. Ihr Berufsalltag ist nämlich sehr vielseitig und abwechslungsreich. Neben Konferenzen mit dem Kollegium zur Programmplanung und den ganzen E-Mails ist Elisa viel unterwegs, um Menschen zu treffen, über die eine Reportage entstehen soll. Die Mischung aus ihren Rollen als Reporterin und Redakteurin findet sie dabei besonders schön. Sie liebt es, Geschichten von Menschen zu hören und ihnen dabei persönlich näher zu kommen. Das erfordert eine Neugierde und auch eine Liebe zum Menschen, aber vor allem eine Offenheit für ihre Antworten. Im besten Fall arbeitet man mit dem Grundsatz „Ich will dich verstehen und höre dir zu“. Gut zuzuhören, ohne die Antwort zu beurteilen sei sehr wichtig. Reportagen leben von dieser gewissen Tiefe, von dieser Nähe zu den Protagonist:innen. Das ist auch das, was Elisa so schön, aber auch herausfordernd findet, weil es viel von einem selbst abverlangt, sich immer wieder auf diese Geschichten einzulassen und sie zu durchleben. Die Arbeitsbedingungen in dieser Branche seien nicht immer so toll, gibt sie zu: Man arbeitet oft mehr als vertraglich vereinbart und es gibt keine klassischen Arbeitszeiten, stattdessen werde Flexibilität verlangt. Auf die Frage hin, wie zufrieden Sie mit ihrem Job auf einer Skala von 1 bis 10 ist, vergibt sie aber trotzdem eine 9. Das liege aber neben ihrer Freude am Reportagenschreiben nicht zuletzt auch an ihrem wunderbaren Team, in dem sie nicht das Gefühl hat, perfekt sein zu müssen, sondern auch mal scheitern oder Hilfe in Anspruch nehmen zu dürfen. „Es ist ein Job für Idealisten, immer noch. Man muss für die Sache brennen. Für mich sind es aber die Momente, in denen ich mich so richtig am Leben fühle, weil ich merke, wie ich brenne und eine Leidenschaft habe und wie mir alles andere egal ist. Diese Bereitschaft muss man mitbringen.“ Das journalistische Handwerk sei lernbar, nicht aber die Leidenschaft dafür.

Menschen, die genau wie Elisa Journalist:in werden möchten, gibt sie den Tipp, möglichst früh Praktika zu machen und sich einfach auszuprobieren, ruhig auch bei den kleineren Zeitungen, nicht immer nur bei den großen Medienhäusern. Auch Kontakt mit Journalist:innen aufzunehmen kann hilfreich sein, beispielsweise über Twitter, und Fragen zu stellen, mutig zu sein und zu zeigen, dass man Interesse an dem Beruf hat. Davon abgesehen ist der klassische Weg aber immer noch vielversprechend: Nach dem Studium ein Volontariat oder der Besuch einer Journalistenschule.

„Für mich sind es die Momente, in denen ich mich so richtig am Leben fühle, weil ich merke, wie ich brenne und eine Leidenschaft habe und wie mir alles andere egal ist.“

Wenn sie an ihre Zeit in Tübingen zurückdenkt, erinnert Elisa sich besonders gerne an ihr WGLeben, ans Clubhaus, den Debattierclub und den Unisport. „Ich hatte eine wunderbare Zeit in Tübingen.“ Medienwissenschaftsstudierenden würde sie empfehlen, die Diskussionen im Studium über aktuelle Themen wirklich ernst zu nehmen, weil man die Möglichkeit und Zeit später nicht mehr in dem Maße hat, um darüber nachzudenken und sich auszutauschen. „Ich glaube, das kann unglaublich wertvoll sein, an der Uni im Plenum über solche Fragen zu diskutieren. Auch, weil man dabei Toleranz erlernt: Wie redet man mit Andersdenkenden? Ich würde mir wünschen, dass das noch mehr in einem universitären Kontext geübt wird, weil das auch für die gesamte Gesellschaft ein wichtiger Lernprozess ist“, sagt sie dazu. Außerdem hätte sie sich rückblickend etwas mehr Gelassenheit für ihr Studium gewünscht. „Ich hab auch von vielen gehört, dass man gar nicht zwingend einen Masterabschluss braucht, um im Journalismus Fuß zu fassen. Vielmehr sollte man das Studium auch ein bisschen abgekoppelt von seinem konkreten Berufswunsch sehen, nämlich als eine Art Lebensschule zur Persönlichkeitsbildung.“ Sie findet, man sollte das Studium mit weniger Kalkül betrachten, und sich stattdessen eher fragen: „Was interessiert mich und was kann ich hier lernen?“ Das scheint für Elisa auch im Privatleben eine Frage zu sein, die sie immer wieder an sich heranlässt: Sie hat das Klettern neu für sich entdeckt, weil sie eigentlich Höhenangst hat. Wenn sie gerade nicht dabei ist, ihre Grenzen zu testen und auszuweiten, macht sie außerdem gerne Ballett, denn sie mag klassische Musik und die eleganten Bewegungen haben für sie etwas Meditatives.

Im Sommer 2021 wurde Elisa Schwarz mit dem Theodor-Wolff-Preis in Berlin ausgezeichnet, dem Journalistenpreis der deutschen Zeitungen, für eine Reportage über zwei Frauen, deren Freundschaft an der Coronakrise zerbrach. Auf meine Frage hin, was ihr diese Auszeichnung bedeutet, sagt sie: „Ich habe mich wirklich sehr darüber gefreut. Gleichzeitig sehe ich es auch ein wenig kritisch, wie viele Preise es in unserer Branche gibt. Ich weiß nicht, ob es das Ziel sein sollte, Preise zu gewinnen. Ich freue mich zum Beispiel genauso über eine Rückmeldung von Leser:innen, die meinen Artikel gelesen haben und positiv bewerten. Das berührt mich total und ist für mich letztendlich vielleicht wertvoller als ein Preis. Aber ich bin da auch ein bisschen zwiegespalten, denn dieser Preis hat mir wirklich etwas bedeutet und ich bin stolz, ihn zu haben. Generell denke ich aber, man braucht keinen Preis, um als erfolgreich betrachtet werden zu können. Da wird einfach auch viel Politik betrieben.“

Für ihre Zukunft wünscht sich Elisa, mehr auf ihre Work-Life-Balance zu achten. Sie ist dankbar für das, was sie geschafft hat und kann sich gut vorstellen, anderen Menschen etwas von dem zurückzugeben, was sie selbst bekommen hat, eventuell in Form von Seminaren oder ähnlichem. Ihr Glück möchte sie nicht in einem nächsten KarriereStep oder einem anderen Job finden, sondern das Glück, das sie jetzt schon hat, schätzen und lernen sich zuzugestehen, anzukommen. „Sonst rennt man nur durchs Leben“, findet sie. Nach Studium, Journalistenschule und etlichen Praktika möchte sie sich nicht mehr ständig beweisen müssen, sondern einfach mal genießen können, was sie bisher schon erreicht hat – und dazu hat sie allen Grund.