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Ein Blick in die Wissenschaft

Formen des „Sustainability Marketing“

Von Simona Langlouis

Der zuletzt erschienene Artikel dieser Reihe handelte als Einstieg von den Grundlagen der Idee einer nachhaltigeren Lebensweise. Es ging aber auch darum, wie das aktuelle Interesse in der Gesellschaft an nachhaltigen Produkten vom Marketing genutzt wird. Um diese Erkenntnisse zu vertiefen, wird uns im Folgenden ein Blick in die Wissenschaft weiterhelfen. Dabei sollen folgende Fragen beantwortet werden: Inwiefern wurde nachhaltiges Marketing schon erforscht? Und welche Veränderungen kann es tatsächlich hervorrufen?

Um möglichst einen umfassenden Überblick zu erlangen, untersuchen wir in diesem Artikel nicht einen spezifischen wissenschaftlichen Text, sondern eine Diskursanalyse. Diese berücksichtigt viele verschiedene Meinungen in der Forschung. Das Praktische daran ist, dass sich daraus vereinfachte theoretische Konzepte ableiten lassen, so, wie es Dr. Joya A. Kemper von der University of Auckland und Paul W. Ballantine von der University of Canterbury in Neuseeland getan haben. In ihrer Diskursanalyse von 2019 untersuchen die beiden die Auffassung von nachhaltigem Marketing (im Englischen: Sustainability Marketing) von etwa 200 verschiedenen Autor*innen in den wissenschaftlichen Artikeln einer Datenbank. Daraus wurden von Kemper & Ballantine drei Formen des Sustainability Marketing herausgearbeitet, die jeweils aufeinander aufbauen. Die wichtigsten Erkenntnisse und Definitionen ihrer Analyse sind nun im Folgenden aufgeführt. Für die Medienwissenschaft ist besonders interessant, wie die Werbung dabei in verschiedenen Medienkanälen kommuniziert wird.

„Auxiliary Sustainability Marketing”

Nachhaltigkeit in kleinen Schritten. Beispielsweise durch die Reduzierung von Verpackungsmüll. Bild: Unsplash.

In diesem ersten Konzept von Kemper & Ballantine geht es nicht um großartige Veränderungen, sondern um kleine Schritte in Richtung Nachhaltigkeit. Es wird berücksichtigt, was sich an der jetzigen Situation eines Unternehmens oder eines Marktes ändern lässt, ohne bestehende Strukturen gleich komplett aus den Angeln zu heben. Vieles dreht sich hierbei um das Produkt selbst, so soll beispielsweise darauf geachtet werden, dass bei der Produktion weniger Schadstoffe entstehen und Ressourcen eingespart werden. Das heißt vor allem weniger Verpackungsmaterial, da Produkte oft in unnötig großen Paketen versandt und transportiert werden, die noch dazu jede Menge Füllmaterial zur Polsterung enthalten. Solche Müllberge sind jedoch ganz einfach zu vermeiden, wenn man statt Plastik und Styropor auf alternative, biologisch abbaubare Rohstoffe für die Verpackung und Dämmung setzen würde. Ideen gibt es hierfür schon, so kann beispielsweise Popcorn ebenso gut zerbrechliche Waren auf dem Transportweg schützen. Wie das gehen soll? Hier findet ihr ein Video dazu.

Auch sind die Hersteller laut Kemper & Ballantine in diesem ersten Schritt in Richtung Nachhaltigkeit dazu angehalten, ihre Produkte so zu verbessern, dass diese nicht schon direkt nach Ablauf der Garantie ihren Geist aufgeben. Das zwingt nämlich viele Kund*innen zum Neukauf statt zu einer Reparatur, die durch fest verbaute Teile häufig sowieso nicht möglich ist. Oft kritisch gesehen wird, den beiden Autoren zufolge, auch, dass solche kleinen Veränderungen von den Unternehmen in der Werbung als große Innovationen gefeiert werden, was deren Image aufpolieren soll und Profit vor Umweltschutz priorisiert. Dabei wird auch das hohe Konsumverhalten vieler Menschen in den Industrieländern in den Werbekampagnen für die Produkte nicht weiter kritisch hinterfragt.

„Reformative Sustainability Marketing”

Nur Dinge zu kaufen, die man wirklich braucht, darum geht es beim „Reformative Sustainability Marketing“. Bild: Unsplash.

Anders ist das laut Kemper & Ballantine im „Reformative Sustainability Marketing”: Hier steht statt dem Produkt mehr die Verbraucherin oder der Verbraucher im Fokus. Die Rolle der Unternehmen besteht hierbei darin, für einen nachhaltigeren Lebensstil zu werben, in den sich ein bestimmtes Produkt optimal integrieren lässt. Durch Kampagnen in der Öffentlichkeit sollen die Kund*innen zudem allgemein über nachhaltige Schritte informiert und ihnen so eine umweltfreundliche Kaufentscheidung einfacher gemacht werden. Kemper & Ballantine zufolge ist für dieses Nachhaltigkeitskonzept auch eine Verringerung des oft maßlosen Konsumverhaltens wichtig, weshalb in der Werbung eine Orientierung weg von Eigentum und Besitz erfolgen soll und stattdessen Produkte zum Leasing, Leihen und Teilen vorgestellt werden.

Dieses Phänomen lässt sich auch unter dem Begriff der „Sharing Economy“ zusammenfassen, der beispielsweise Angebote, wie Carsharing, AirBnB oder Online-Plattformen zum Tausch und Verkauf von Second-Hand Kleidung umfasst.

„Transformative Sustainability Marketing”

Das dritte von Kemper & Ballantine vorgestellte Konzept geht noch einmal einen Schritt weiter und strebt die größten Veränderungen an. Die Verantwortung für nachhaltiges und überlegtes Handeln wird in diesem Konzept sowohl beim Unternehmen, als auch beim Verbraucher gesucht. Dabei werden bestehende Gegebenheiten in der Marktwirtschaft hinterfragt, da diese als Grund für aktuelle Probleme angesehen werden. Die Umsetzung sollte laut den beiden Autoren auch von der Politik mitgestaltet werden, indem diese zum Beispiel durch Gesetze Industriestandards für eine nachhaltige Produktion definiert oder Unternehmen fördert, die innovative Ideen vorlegen. Das Konzept umfasst somit die Makroebene, da es um einen Wandel in der gesamten Gesellschaft und nicht nur in einem einzelnen Unternehmen geht.

Und wie sieht es in der Praxis aus?

In den Werbeclips vieler Firmen können wir gerade einige Ansätze sehen, die unter das „Auxiliary Sustainability Marketing“ fallen würden. Ein Beispiel sind Kosmetikprodukte, deren Verpackung recycelbar sein soll oder eine Reduzierung in der Verpackungsgröße, was Plastikmüll einspart. Es gibt aber auch Werbeclips, die scheinbar ihren Fokus auf das Werben für einen ganzheitlichen nachhaltigeren Lebensstil setzen und in denen sich nicht alles nur um das Produkt selbst dreht. Das wäre eine Form von „Reformative Sustainability Marketing“. Aber Achtung: Beim genaueren Hinsehen fällt oft auf, dass sich am Produkt oder der Firma selbst gar nicht so viel verändert hat.

Die wissenschaftlichen Kategorien helfen, zu erkennen, was in einem Werbespot wirklich an konkreten Maßnahmen zum Umweltschutz genannt wird. Wie innovativ ist die gezeigte Veränderung? Und wofür steht das Unternehmen eigentlich? So lasst ihr euch beim Thema Nachhaltigkeit nicht so einfach in die Irre führen.

Jede Bemühung um eine nachhaltigere Zukunft ist erst einmal lobenswert. Die drei aufgezeigten Konzepte lassen aber auch erahnen, dass sowohl die Industrie, als auch wir als Verbraucher*innen in der Pflicht sind, unser Verhalten zu wandeln, wenn sich wirklich etwas ändern soll. Werbung dient im Idealfall als Sprachrohr, um auch ein nachhaltiges Produkt zu bewerben und gleichzeitig Umweltschutz als etwas Erstrebenswertes darzustellen. Häufig steht jedoch immer noch der Profit im Vordergrund, was auch in den kommenden Artikeln dieser Reihe thematisiert werden soll.

Quellen

  • Ballantine, Paul W. & Kemper, Joya A. (2019). What do we mean by sustainability marketing?. JOURNAL OF MARKETING MANAGEMENT, 35(NOS. 3-4): 277-309.
  • https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/sharing-economy-53876
  • https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/trend-sharing-economy-teilst-du-schon-1.1989642