Die Droge News-Feed. Ein Selbstversuch
von Melanie Rudolf
Halb ernst gemeinte Empfehlungen für News-Feeder.
News-Feeds setzen sich mittlerweile langsam aber stetig auch außerhalb von eingefleischten Internetusern und Bloggern durch – wohl wegen der schnellen, einfachen und vor allem personalisierten Informationsvermittlung. Jedoch gibt es bei aller Liebe zum schnell gesetzten Informationsschuss auch einige Nebenwirkungen, die zumindest im Eigenexperiment deutlich aufgefallen sind.
Was sind News-Feeds?
Doch vorher eine kurze Definition, für alle die nicht am Informationstropf hängen: Ein Feed ist eine Datei mit aktuellen Inhalten, die von einer speziellen Software gelesen werden kann und über das Internet automatisch an das jeweilige Ausgabegerät geliefert wird. Meist werden diese Inhalte über das unabhängige Ausgabeformat RSS vermittelt. Über einen Reader können dann auf diese Inhalte verschiedener Webseiten zugegriffen werden ohne extra die entsprechende Webseite aufrufen zu müssen.
Ein Selbstversuch mit fatalen Folgen:
Als ich vor kurzem zum ersten Mal in das Mysterium News-Feed eingetaucht bin, fühlte ich eine Art der Bewusstseinserweiterung. Ich sah wie im Rausch die Informationen förmlich in Lichtgeschwindigkeit an mir vorbei rasen und war danach völlig benommen von der Fülle an Informationen, die mich durchströmten. Mir war klar, darauf will ich nicht mehr verzichten.
Von da an, war der erste Gang am Morgen nicht zur Toilette sondern zu meinem News-Dealer, nennen wir ihn der Einfachheit halber Feedly, der mir gleich einen schönen Informationsmix verpasste. So konnte ich beruhigt in den Tag starten, denn ich war ja mit Informationen versorgt.
Dies wurde schnell zum Ritual und ging eine Weile gut, bis ich eines Tages nicht mehr an den Stoff kam. Durch fatale Umstände konnte ich einen Tag nicht ins Internet! Bereits am Mittag setzte ein Kribbeln ein. Der ständige Gedanke etwas zu verpassen nagte immer mehr an mir und verursachte nervöse Zuckungen. Als ich dann am Abend einen Zugang auftreiben konnte, stellte ich mit Entsetzen fest, dass die Informationen nicht auf mich gewartet hatten. Ich versuchte im Schnell-Scanning-Verfahren die schon veralteten Informationen von morgens einzusaugen, doch ich kam kaum hinterher. Und so kam es, dass ich zu viel konsumierte und eine Überdosis bekam – ich musste schweißgebadet offline gehen und stellte fest, dass das euphorische Gefühl ausblieb und mein Kopf leerer war als zuvor. Anstelle des Glücksgefühls trat nun der fahle Geschmack der Ernüchterung auf, verursachte mir Kopfschmerzen und starke Konzentrationsschwächen. Der Konzentrationsschwund wurde im Laufe der Tage stärker, die Ernüchterung aber ging und an dessen Stelle trat wieder der Drang an eine möglichst hohe Informationsdosis zu kommen.
Unterschätzte Verführer
Die Angst vor Suchtgefahr ist nicht ganz unbegründet, da ein Konto mit Feeds auch einige Verführungen enthält. Mein Einstieg in die Abhängigkeit war beispielsweise die Schnelligkeit, mit der immense Informationen überblickt werden konnten. Gerade, wenn es darum geht in einem bestimmten Thema immer auf dem Laufenden zu sein, ist dies die effizienteste und zeitsparendste Methode. Doch das Thema Zeitsparen ist einer der nebenwirkenden Halluzinationen, die das „sich anfeeden“ mit sich bringt. Man verfällt der Illusion, mehr Informationen in kürzerer Zeit erfahren zu haben, doch sind alle Informationen nur dampfende Rauchschwaden, die sich schnell verflüchtigen. Weiterhin ist die ständige Gefahr präsent , nur qualitativ minderwertige Ware zu konsumieren und geblendet vom eigenen Geschmack keinen anderen Themen mehr Beachtung zu schenken. Diese Nebenwirkung ist allgemeinen auch unter dem Namen „Filter Bubble“ bekannt und tritt in Zusammenhang mit anderen, ähnlichen Drogen auf.
Auf dem Weg zur Sucht
Bisher sind News-Feeds zwar immer bekannter, doch noch nicht in allen gesellschaftlichen Bereichen etabliert. Daher versuchen die „ Drogenbosse“ immer neue Tricks und schrecken dabei nicht mal vor Minderjährigen zurück. Erst im Frühjahr dieses Jahres hat Facebook einen neuen News-Feed, der auch für IPhone und IPad verfügbar ist, vorgestellt. Mit hauptsächlich visuellen Flashs soll so ganz gezielt schon in jungen Jahren die Angewöhnung und Abhängigkeit erzielt werden. Zudem ist diese Ware auch noch mit Werbung gepanscht.
Das Angebot ist verlockend und lauert an jeder Ecke des Internets, doch sollte man nicht vergessen, dass der Konsum, wie mein Fallbeispiel zeigt, gefährliche Auswirkungen haben kann. Da die Zahl der Süchtigen und auch das Angebot in den nächsten Jahren vermutlich rasant ansteigen wird, sollen alle potentielle Konsumenten und Neugierige vorgewarnt sein- die Informationsdroge News-Feed ist aufregend aber man sollte sich den Nebenwirkungen bewusst sein. Also immer daran denken- und auch mal auf einen Informationsschuss verzichten.
Foto: flickr.com/Dylen Roscover (CC By-SA 2.0)
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