Der Weg ist das Ziel

 von Sanja Döttling

Der November ist vorbei, und damit auch NaNoWriMo mit der Herausforderung, 50,000 Wörter in 30 Tagen zu schreiben. Und das, während der Alltag ganz normal weiterläuft. Ich habe den Selbstversuch gewagt und mich an einem literarischen Meisterwerk versucht. Und bin glorreich gescheitert. Über lange Beschreibungen, langweilige Charaktere und einen lahmen Plot. Der Bericht einer Verliererin.

Rosarote Brillen und Bauchkribbeln

Auf der Startseite von NaNoWriMo zählt die Uhr die letzten Stunden bis zum Beginn des Novembers. Ich kann es gar nicht erwarten, endlich in die Tasten zu hauen. Auch eine Idee habe ich schon. Diese eine Fantasy-Geschichte, die ich vor Jahren mal schreiben wollte. Über das mittelalte Ehepaar mit Tochter, die auf dem ersten Bildungsweg Helden waren und erst beim zweiten Versuch Bauern. Schon vor Anfang des Wettbewerbs begehe ich also die erste „revolutionäre Tat“ (bei NaNoWriMo kann man nicht schummeln): Ich nehme eine Geschichte, für die ich schon einen Anfang geschrieben habe.

Darian beendete die Ackerreihe und blickte auf. Die Sonne hing zwar schon knapp über den Bergspitzen, aber sie brannte noch immer heiß auf das Hochland herunter. Darian wischte sich den Schweiß von der Stirn und klopfte seiner Stute Bukara beruhigend auf die Kuppe; Sie schüttelte als Erwiderung nur träge den Kopf und verscheuchte ein paar Fliegen, die sich um ihre Augen und Nüstern gesammelt hatten. Sie hatten gut die Hälfte des Ackers gepflügt; ein ebenso großes Stück wartete noch auf sie. Darian seufzte.

Ich bin aufgeregt, als ich endlich mit meiner Schreibfreundin und Mitkämpferin anfange, in die Tasten zu hauen. 1.667 Worte sind es, die pro Tag zu Papier gebracht werden müssen, um die Vorgaben einzuhalten. Das sind drei Wordseiten. Drei Wordseiten sind viel, danke ich mir. Und schon jetzt fällt mir auf, dass ohne Handlung keine Geschichte erzählt werden kann. Die ersten Tage rette ich mich mit Charakterisierungen und Beschreibungen von Seite zu Seite. Ich mache sogar einige hilflose Anstalten, einen Plot zu entwickeln.

 Im Zweifel für das Klischee

Nach drei Tagen ist die Plotentwicklung immer noch vorsichtig als „übersichtlich“ zu bezeichnen. Da sind die zwei Hauptfiguren plus Tochter, die ausziehen, um das Königreich zu retten. Irgendwas mit Magie vielleicht. Und dann muss natürlich noch erzählt werden, wie die beiden Nasen sich damals kennengelernt haben. Vielleicht ist sie eine Urwald-Amazone mit Pferd. Und er ein schnöseliger Adliger. Oder doch ein verstaubter Bücherwälzer.

Ich schreibe also so vor mich hin, und die Geschichte plätschtert eher, als dass sie läuft. Die ersten Tage halte ich mich noch an die geforderte Wortangabe. Aber nicht mehr lange. Die Plotlosigkeit holt mich ein, immer wieder greife ich auf die schlimmsten Fantasy-Klischees zurück. Da ist der alte Walddrache, dessen Blut Darian unsterblich macht. Eine Wendung, die keinen Sinn für diesen vermalledeiten Plot macht und der Achillesferse noch mal eine andere Bedeutung schenkt. Dann dieser furchtbar-klischeehafte Mittelalterlook und diese ganze Reise-Geschichte. Kann die Welt nicht mal zuhause untergehen? Ich habe Hexen verbrannt, kleine Bergdörfer beschrieben wo Helden üblicherweise leben) und Zwerge gedisst.

Da sind Logiklücken, durch die selbst Hagrid aufrecht laufen könnte, ohne dass oben sein Kopf herausschauen würde (nur, weil Darian seinen Mantel verloren hat, wird er nicht mehr ins Schnöselviertel gelassen?), da sind sinnlose, hausarbeitsähnliche Abhandlungen über ökonomische Handelswege (Perlen aus dem Süden) und geografische Feinheiten (feindliche Flüsse), da sind motivlose Figuren, die strukturlos rumreden und rumhandeln.

Bei 27.000 Wörtern war Schluss, ich hatte den Plot gegen die Wand gefahren: Darian landet im Gefängnis. Ich wusste mal, wie er da wieder rauskommt, hab’s aber vergessen. Nun war mein Held auf der diegetischen Ebene genau da, wo auch ich als Autor war: In einer selbstgemauerten Sackgasse. Aber wen störts: Er war ja sowieso unsterblich.

 Täglich grüßt der Alltag

Natürlich hatte ich im November noch andere Aufgaben zu erfüllen: Die Universität wollte besucht, zwei Referate gehalten und die Artikel auf media-bubble.de Korrektur gelesen werden. Der Kühlschrank blieb tagelang leer, die Spüle mit dreckigem Geschir voll.

Sich zwischen 50 Seiten Unilektüre und vier Seiten Vorlesungsnotizen, zwischen drei Artikeln für die andere Zeitung und den 12 Mails, die noch verschickt werden sollen, die Zeit zu nehmen, mal kurz was zu schreiben, ist schwer. Es ist eine Disziplinfrage, keine Zweifel. Aber mein Leben besteht nur aus Texten und Schrift, und bei aller Liebe bin ich die Buchstaben manchmal in diesem Monat leid.

Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht: Aber ich kann einfach nicht den ganzen Tag schreibend und lesend verbringen. Irgendwann ist auch mal gut. Und während NaNoWriMo sind meine persönlichen Grenzen, was das Schreiben angeht, erreicht. Ja, ich habe NaNoWriMo nicht erfolgreich beendet, deshalb ist es an dieser Stelle angebracht, asiatische Weisheiten zu zitieren: Der Weg ist das Ziel. Immerhin habe ich im November 27.000 Worte mehr geschrieben als ich es sonst getan hätte. Und so habe ich auch beim Schreiben meiner Wörter etwas gelernt. Nämlich: wie ich es beim nächsten Mal besser machen kann. Um dann vielleicht, mit verstärkter „alles oder nichts“-Einstellung, doch mein Ziel zu erreichen.

 

Vorsätze für nächsten November

Auch wenn ich glorreich gescheitert bin, haben mir die 30 Tage „literary abandon“ (so die Startseite von NaNoWriMo) einiges beigebracht. Hier die wichtigsten Tipps einer Versagerin:

  • Schreibt nicht alleine, sondern in der Gruppe. Ohne meine Schreibgefährtin, die Aufmunterungs- und In-den-Arsch-tret-SMS verschickte, die Kaffee, Essen und Ratschläge bereitstellte und immer ein offenes Ohr für lustige Plotlücken hatte, hätte ich wahrscheinlich keine zwei Zeilen geschrieben. Der soziale Druck spielt natürlich auch eine Rolle.
  • Denkt davor über einen Plot nach! Zwischen den einzelnen NaNoWriMo-Wettbewerben liegen elf Monate – genug Zeit, um einen Plot kleinlich auszuarbeiten, bevor es ans schreiben selbst geht. Ohne diesen Schritt sind die meisten Geschichten nicht in 30 Tagen „runterzutippen“
  • Schreibt überall. Egal ob vor der Vorlesung, nach dem Aufstehen oder wenn man nachts um zwei müde von einer Party heimkommt. Nur so können die geforderten 1,667 Wörter pro Tag geschafft werden (vermute ich).

Trotz allem. NaNoWriMo war nicht nur furchtbar stressig, sondern auch eine gute Erfahrung. Und süchtig macht die Jagt nach den 50.000 Worten auch. Deshalb werde ich mich nächstes Jahr auf ein neues an diese große Prüfung wagen.

 

Bilder: Copyright NaNoWriMo Webseite; Sanja Döttling

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