Der Set-Knigge: Praktikum beim Film
Text und Bilder von Philipp Humpert
Man wird nicht als großer Regisseur geboren. Der Weg in die Filmbranche beginnt am unteren Ende der Karriereleiter: Als Praktikant. Damit du bei deinen ersten Gehversuchen hinter der Kamera nicht stolperst, haben wir für dich ein paar Benimmregeln zusammengestellt.
1. Ein gutes Praktikum finden
Um von deinem Praktikum optimal zu profitieren, solltest du dir mindestens zwei Monate Zeit nehmen, tendenziell länger. Am besten schaust du erstmal auf www.crew-united.de vorbei, dort werden die meisten Praktika angeboten. Auch die großen Produktionsfirmen wie Bavaria Film oder das Studio Babelsberg bieten Praktika an. Alternativ kannst du – falls du studierst – auch bei Dozenten und Studienberatern nachfragen, die haben oft Kontakte oder zumindest ein paar Tipps parat.
Allgemein gilt, dass du räumlich flexibel sein solltest und – zumindest zu Beginn – nur eine geringe Vergütung erwarten kannst.
2. Der beste Job zum Einstieg – Licht oder Ton
Ein häufiges Problem ist, dass Praktikanten zwar die längste Zeit am Set sind, von den eigentlichen Dreharbeiten aber nur wenig mitbekommen. Sie sind nicht am Set – sondern um das Set herum. Das heißt: Absperrungen aufbauen, Ausrüstung fahren oder – ja, tatsächlich – Kaffee kochen. Eine gute Möglichkeit, nah am Geschehen zu sein, ist ein Praktikum bei der Licht-, Tonabteilung oder bei der Ausstattung/Szenenbild. Hier bist du klar einem Aufgabenbereich zugeordnet und hast mit Leuten zu tun, die unmittelbar mit dem Regisseur zusammen arbeiten.
3. Der übliche Job zum Einstieg – Setrunner
Ohne Vorerfahrung kann es schwierig werden, direkt in einem speziellen Bereich einzusteigen. Das mit Abstand am häufigsten angebotene Praktikum ist daher bei der Aufnahmeleitung als Setrunner. Dabei bist du dafür verantwortlich, dass hinter den Kulissen alles reibungslos läuft. In der Praxis bedeutet das meist, Routineaufgaben wie Auf- und Abbau von Ausrüstung, Besorgungsfahrten und beim Catering helfen zu übernehmen. Auch wenn dieser Job nicht der spannendste ist, bietet er aber dennoch Möglichkeiten, mit Leuten in Kontakt zu kommen und den Ablauf beim Drehalltag kennen zu lernen.
4. Set ist wie Bundeswehr – nur schlimmer
Naja, zumindest so ähnlich. Am Set gibt es eine strenge Hierarchie, an die sich jeder halten sollte. Das hat vor allem praktische Gründe. Die Drehtage sind sehr genau durchgeplant, und für den reibungslosen Ablauf muss jeder seinen Platz kennen. Das heißt, wenn du meinst, einen Anschlussfehler entdeckt zu haben oder glaubst, ein Schauspieler sagt den falschen Text – besser nicht gleich mitten in die Aufnahme brüllen. Stattdessen gehst du in einer ruhigen Minute entweder zu deinem direkten Vorgesetzten oder wendest dich an die Continuity, die den Drehplan überwacht. Die werden sich das anhören und eventuell mit dem Regisseur sprechen. Und vor allem: Niemals eigenmächtig irgendetwas am Set verändern! Niemals! Das gibt Ärger.
5. Handschuhe, Gaffa, Stiefel – Arbeitskleidung ist Pflicht
Du trägst 20kg schwere Lampen durch die Gegend oder baust den ganzen Tag Schienen auf… Mit der falschen Ausrüstung kann das zur Tortur werden. Im Idealfall wird dir deine Arbeitskleidung gestellt. Wenn nicht, rate ich dringend, dir zumindest eine Grundausrüstung zuzulegen. Dazu gehören: Ein paar Arbeitshandschuhe, eine robuste Arbeitshose, Arbeitsstiefel, eine Rolle Gaffatape, ein Taschenmesser oder Leatherman, eine Taschenlampe, Regenjacke und Regenhose sowie jede Menge warme Kleidung für kalte und lange Nachtdrehs.
6. Stift und Papier, das rat ich dir – Schreib dir wichtige Dinge auf
Das wichtigste, was du in deinem ersten Praktikum bekommst, ist Erfahrung. Du lernst Abläufe und die Ausrüstung kennen, die meist spezielle Namen hat (Par 1,2 KW Stufe, Krokoklemme, Pinzer, Frost, Fahne, C-Stand, Monster, Magicarm). Schreib dir alles auf, dann findest du dich schneller zurecht und kannst bald mit Fachbegriffen beeindrucken.
7. Keine Frage ist dumm – nur, nicht zu fragen
Das ist die wichtigste Regel – Fragen, Fragen, Fragen. Du bist hier zum Lernen, und die allermeisten Menschen am Set geben gerne Auskunft. Wenn du eine Anweisung nicht verstehst, frag sofort nach, für alles andere warte eine ruhige Minute ab und sprich die Leute an. Die meisten werden auch schon bei anderen Projekten mitgearbeitet haben und können dir so zusätzlich wichtige Tipps geben und von ihren Erfahrungen erzählen.
8. Schauspieler haben keine Ahnung
In der Nahrungskette am Set stehst du zwar noch relativ weit unten, trotzdem musst du dir nicht alles gefallen lassen. Anweisungen kriegst du zuallererst von deinem Vorgesetzen, dann vielleicht noch vom Regisseur oder dem Kameramann. Alles andere sind Gefallen, die du zwar gerne tun kannst, aber nicht musst. Besonders Schauspieler, die sich hinter den Kulissen nicht so gut auskennen, werden versuchen, dir Aufgaben zu geben, für die du nicht zuständig bist. Lehne das höflich ab. Wenn du nämlich nicht auf deinem Posten bist, wo du gebraucht wirst, weil du gerade freundlicherweise ein Auto umparkst, kann das unangenehme Konsequenzen haben. Das gilt übrigens auch für andere Bereiche. Wenn du beim Licht arbeitest, versuch nicht, freundlich zu sein und der Ausstattung beim Tragen zu helfen. Das wird meist ungern gesehen, weil jeder sein eigenes Ordnungssystem mitbringt und darin gerne bleibt.
9. Vitamin B ist alles – knüpfe Kontakte
Denke heute schon an morgen – und an den nächsten Job. Gute Leute werden beim Film immer gesucht, aber man muss sie auch kennen. Versuche deswegen, mit möglichst vielen Menschen am Set zu sprechen und im Gedächtnis zu bleiben.
10. Das Wichtigste – Zeige Begeisterung
Fleiß ist das eine, aber wahre Begeisterung bringt dich weiter. Wenn die Leute mitkriegen, dass du Spaß und Interesse hast, werden die alten Hasen viel eher bereit sein, dir etwas zu erklären oder dich in neue Bereiche einzuführen. Und ganz nebenbei brennst du ja ohnehin für alles, was mit Film zu tun hat, oder?
Die Arbeit beim Film ist anstrengend und schmutzig, trotzdem ist es ein unglaublich spannender Bereich, bei dem kein Tag ist wie der andere. Wenn du glaubst, dass du das Talent und die Begeisterung hast, solltest du es unbedingt ausprobieren. Kämpfe dich durch die harten Zeiten und du wirst belohnt werden mit unvergleichlichen Erfahrungen!