Das ist nicht persönlich gemeint! Oder doch?
von Sanja Döttling
Der Papst wird mit einem gelben Fleck im Schritt abgebildet (Titanic), ein Fußballprofi mit Erektion gezeigt (BLICK) und ein Sarazin fühlt sich beleidigt (taz). Wie frei sind die Medien? Heißt Freiheit auch Narrenfreiheit? Was ist Spottkritik, was ist Beleidigung?
Grundgesetz Artikel 5
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Die Schranken der Freiheit
Im deutschen Grundgesetz ist die Meinungs- und Pressefreiheit eindeutig gewährleistet. Doch das heißt nicht, dass öffentliche Meinungsäußerungen völlig narrenfrei sind. In Absatz zwei werden zwei Beschränkungen genannt.
a) Die allgemeinen Gesetze, müssen auch von Pressevertretern geachtet werden. Die Gesetze stehen dann in Wechselwirkung zueinander und müssen einzeln ausgehandelt werden.
b) Schutz der Jugend. Diese Fälle sind äußerst klar umrissen. Nach dem Jugendschutz sind pornografische und/oder gewaltverherrlichende Inhalte sowie „jugendgefährdende Schriften“ von Jugendlichen fern zu halten.
c) Recht der persönlichen Ehre. Diese Bestimmung ist schwieriger zu interpretieren. Mit der Zeit haben sich aber einige Interpretationen von „Ehre“ herausgearbeitet, die im heutigen Recht Anwendung finden.
Was bedeutet Ehre heute?
Das „Persönlichkeitsrecht“ ist vielseitig und oft schwammig. Wo hört Berichterstattung auf, wo fängt persönliche Beleidigung an? Die Grenzen sind oft fließend und müssen in jedem individuellen Fall neu bestimmt und justiert werden. Es gibt aber einige Kategorien, die festgelgt wurden: „Recht der persönlichen Ehre“ bedeutet konkret:
– Schutz vor Beleidigungen (auch Schmähkritik genannt). Gründet der Artikel auf ein Sachbestand oder dient er nur der Beleidigung?
– Schutz vor „unwahren Tatsachenbehauptungen“. Ist der „journalistische Sorgfaltspflicht“ nachgekommen worden?
– Recht am eigenen Bild. Die Ausnahme bilden „Personen des Zeitgeschehens“ (wer da alles dazugehört, ist Interpretationssache).
– Schutz der „Tabuzone“, die die Intimsphäre (Sex, Gesundheit), Privatsphäre (Beziehungsstatus), Sozialsphäre und Öffentlichkeitssphäre umfasst.
Zurück zum Penis
Wie genau sieht die Verhandlung dieser Gesetze nun im echten Leben aus? Als das Satire-Magazin Titanic den Papst mit einem gelben Fleck auf der Vorderseite und mit Braunem am Gesäß zeigte und titelte „Halleluja im Vatikan – Die undichte Stelle ist gefunden!“, konnte sich der Papst auf seine Persönlichkeitsrechte berufen. Eine einstweilige Verfügung wurde ausgesprochen – daraufhin musste der Verkauf des Magazins eingestellt werden – die Bilder waren selbst im Internet kaum mehr auffindbar. Titanic legte Widerspruch ein – und der Papst zog die Klage zurück. Die Fleckenbilder dürfen wieder gezeigt werden.
Auch ohne Urteil 1:0 für die Freiheit.
Der Fußballer Mario Götze ist ebenfalls mit dem in Kontakt gekommen, was sich Pressefreiheit „schimpft“. Er wurde im Urlaub auf Ibiza mit einer sichtbaren Erektion fotografiert. Diese Bilder zeigte das schweizerische Blatt Blick gerne der gesamten Öffentlichkeit. Noch heute sind die Bilder im Internet zu finden. Rechtliche Schritte wurden, trotz Überlegung, keine unternommen. Vielleicht die besten Lösung, denn: Die Bilder werden im Internet bleiben, und je weniger Trara um den Fall gemacht wird, desto schneller ist er wieder vergessen.
Ganz ohne rechtliche Schritte steht es 2:0 für die Freiheit (oder die Freiheit, Sache zu vergessen).
Sarazin hat geklagt. Nicht gegen sich selbst, sondern gegen die taz. Die schrieb nämlich, Sarazin werde „inzwischen von Journalisten benutzt wie eine alte Hure, die billig ist, aber für ihre Zwecke immer noch ganz brauchbar, wenn man sie auch etwas aufhübschen muss…“. Sarazin sah darin eine Schmäkritik – das Oberlandesgericht Frankfurt nicht. Das Abendblatt zitiert das Urteil wiefolgt: „Personen des öffentlichen Lebens müssten sich zudem weitergehende Einschränkungen ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts gefallen lassen als Privatleute. Außerdem sei auch polemische oder überspitzte Kritik von der Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt.“
Mit Prozess steht es 3:0 für die Pressefreiheit.
Bücher ohne Zensur
Nicht nur die Presse wagt sich manchmal mit beiden Beinen an den Abgrund, der sich zwischen rechtmäßiger Meinung und unrechtmäßigem Verletzen des Persönlichkeitsrechts auftut. Bei Kunsterzeugnissen wie Büchern gelten prinzipiell gleiche Rechte wie bei der Presse – und doch wird hier das Gesetz etwas anders interpretiert. So haben nicht-öffentliche Personen tendenziell mehr Schutz verdient als „Pominente“.
„Das Da-Da-Da Sein“, ein Buch von Maik Brüggemeyer hätte ein Erfolg werden können. Doch die Ex-Freundin klagte: Sie sah ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Das gleiche passierte Maxim Billers 2003 mit seinem Roman „Esra“, sein Buch wurde verboten. Brüggemeyers Verlag zog das Buch ohne Prozess zurück. Das sind nicht die einzigen Fälle, in denen das Recht auf Schutz der Person über das auf freie Kunst gestellt wird.
Uwe Wittstock hat sich in seinem Buch „Der Fall Ersa“ diesem Phänomen gewidmet. Er glaubt, dass diese Urteilsführung zur Einschränkung der Kunstfreiheit führt. Brüggemeyer nennt den Grund: „Als Schriftsteller, der über die Gegenwart schreibt, kommt man in Deutschland ohne Anwalt nicht mehr aus.“ Da den Verlagen das Risiko eines Prozesses zu groß ist, werden jetzt auch weitere Bücher in eine Überarbeitung gezwungen – um der Verletzung des Persönlichkeitsrechtes vorzubeugen. In einem Interview mit dem „Focus“ sagte Wittstock, dadurch entstehe „Literatur ohne Biss“. Brüggemeyer wird sein Buch jetzt umschreiben, um es nicht zu einem Prozess kommen zu lassen. Aber seien wir mal ehrlich: Zeichnet es nicht einen guten Schriftsteller aus, die Wirklichkeit unkenntlich als Geschichte zu tarnen? Ist es nicht ihre Aufgabe, Realität zur Fiktionalität zu konvertieren? Wie dem auch sei: Damit steht es im Endstand 3:2. Die Lage zwischen Recht und Freiheit ist also relativ ausgeglichen – und die Entscheidung von jedem Fall einzeln abhängig.
Doch die Pressefreiheit hat einen straken Verbündeten: Das Internet. Selbst als die Papst-Bilder zeitweise verboten waren – und auch im Internet nicht mehr auffindbar sein sollten, haben gewitzte Leute sie zugänglich gemacht. So wurde das abfotografierte Foto auf youtube.com als Video gezeigt, so dass es nicht zensiert werden konnte. Letztendlich ist es – zumindest bei Bildern oder bereits veröffentlichten Presseerzeugnissen – nicht mehr möglich, eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes ungeschehen zu machen. Und der Prozess selbst bringt nur noch mehr negative Presse für den Betroffenen. Vielleicht ist nichts tun und ausharren – wie im Falle Mario Götze – doch die beste Wahl.
Foto: yourdoku / flickr.com (CC BY-NC-NC 2.0), John Linwood / flickr.com (CC BY-NC-SA 2.0)
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