Dann werde ich halt YouTuber*in!
Zwischen Schein und Sein
Von Jennifer Götzinger
YouTube ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Es bietet uns ein breites Angebot an Content, egal ob Tutorials, Dokumentationen oder Let’s Plays. Doch ist wirklich alles, was mit der Produktion von YouTube-Inhalten verbunden ist, so einfach, wie es scheint?
Me at the Zoo: Wie alles begann
YouTube wurde 2005 gegründet. Heutzutage ist die Plattform ein fester Teil im Alltag von vielen.
„Alright, so here we are in front of the Elephant’s.“ Am 24. April 2005 lud Jawed Karim, das erste Video auf YouTube hoch. Er, Steven Chen und Chad Hurley, sind die Gründer der Plattform. [1] Um ein Video hochladen zu können, wird ein Account benötigt. Gerade in der Anfangszeit gab die Plattform die Möglichkeit, sich auszuprobieren. Und dies wurde genutzt. Eine der ersten deutschsprachigen YouTuber*innen war Kathrin Fricke. Ihr Kanal „Coldmirror“ existiert seit dem Jahr 2006 [12] „Ursprünglich hab‘ ich YouTube benutzt als Website, wo man Videos hochladen konnte und kein Geld bezahlen musste. Das ist auch der Grund, warum ich da so lange geblieben bin. Es war einfach damals die einzige Videoplattform und ich habe es benutzt, um Homevideos hochzuladen, die ich dann irgendwie zehn anderen Leuten online gezeigt habe.“ [2] Bei den zehn Zuschauer*innen ist es nicht geblieben. Besonders durch ihre Neusynchronisation der Harry Potter Filme wurde sie einem breiteren Publikum bekannt. Für sie war es anfangs ein kleines Projekt neben dem Studium. „Und dann haben das aber nicht nur zehn Leute geguckt, sondern 10.000 und dann 100.000.“ [2]
In den 15 Jahren seit ihrer Entstehung, wandelt sich die Plattform immer wieder. Das gilt auch für die Zuschauer*innen und die Zielgruppe. Etwa 80% der 14- bis 29-Jährigen sieht sich mindestens ein Mal pro Woche ein Video auf YouTube an. [10] Einen starken Wandel auf der Plattform hat Coldmirror bemerkt. Sie findet das YouTube von heute ist nicht mit dem YouTube von früher zu vergleichen. „Also, es ist wie Bananen mit Birnen vergleichen. Das kann man nicht. Aber damals hatte ich das Gefühl, dass noch mehr Leute da sind, die das mehr als Hobby machen. Dass das ‘ne Ansammlung ist von kreativen Videokünstlern und heute ist es ‘ne Ansammlung von Werbung, die ab und zu unterbrochen wird von Leuten, die kreativ sind.“ [2]
Selbst, ständig, unsicher: Die Arbeitswelt YouTube
Was einfach aussieht, ist beim Erstellen alles andere als simpel. Fabian Siegismund ist selbstständiger Redakteur, YouTube-Berater und YouTuber. Seiner Meinung nach sei die Hürde niedrig, mit YouTube anzufangen. Gerade deswegen, machen es auch so viele. Dadurch entsteht eine große Konkurrenz. [3] In dieser Masse gefunden und auch wiedergefunden zu werden, ist nicht leicht.
„Man sagt immer so schön, der Algorithmus ist der Endgegner der YouTuber.“ Sagt die bereits erfolgreiche YouTuberin Lisa Sophie Laurent. [3] Kameraführung, Licht, Ton, Schnitt. Diese Bereiche spielen in der Webvideo-Produktion eine Rolle. Doch wie viel Arbeit ist YouTube wirklich? Eine Frage, auf die es keine eindeutige Antwort gibt.
Der Produktionsaufwand hängt vom Format ab. Auch einfach aussehende Formate können viel Zeit beanspruchen. Der YouTuber und Streamer Unge spricht in einem seiner Videos offen über den Arbeitsaufwand von Let’s Plays im Vergleich zu seinen Reactions. „In so ‘nem Video, das 12 Minuten lang ist, steckt zwei Stunden Schnitt.“ [9] Dennoch ist der Arbeitsaufwand relativ gering. „Ich kann euch eine Sache sagen, meine Reaction Streams und die Videos danach sind mehr Arbeit, als meine Minecraft Videos.“ [9] Im Vergleich: Coldmirror rechnet bei einer Animation von zwei bis drei Minuten mit einem Arbeitsaufwand von etwa zwei Wochen. „Da sitze ich dann und schreibe das Skript, dann mache ich das Audio, dann Soundeffekte, Musik, dann zeichne ich das alles, dann animiere ich das und am Ende gefällt mir irgendeine Szene nicht. Und dann mach ich das wieder neu“ [2]
Jedoch gehört zu YouTube nicht nur das Erstellen von Videos. Laut LeFloid und seinem Team arbeiten sie etwa 70 Stunde pro Woche an verschiedenen Projekten. In den 70 Stunden ist die Interaktion der Community mit einbezogen. Durch diesen Austausch ist es möglich, zu ermitteln, welche Interessen die Zuschauer*innen haben. Auch Vorschläge oder konstruktive Kritik kann angenommen werden, wodurch sie die Videos, entsprechend der Wünsche der Zuschauer*innen, verbessern können. [4] Was die Sache erschwert: die Kommunikation mit YouTube direkt ist nicht immer ganz einfach. Meistens werden Creators vor bereits bestehende Tatsachen gestellt. Einen wirklichen Austausch zwischen der Plattform und den Creators gibt es nicht. [4]
Werbung, Product Placement, Sponsoring: Hinter den Kulissen von YouTube
Auf YouTube gibt es verschiedene Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Am gängigsten ist die Werbung vor oder während den Videos. Andere Varianten sind Product Placements oder Sponsorings. [7]
Um vor den Videos Werbung schalten zu können, muss man Mitglied im Partnerprogramm von YouTube sein. Als Kanal kann man nicht sofort Partner*in werden. Um teilnehmen zu können, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Der Kanal muss über 1000 Abonnent*innen und mehr als 4.000 Stunden Watchtime innerhalb der letzten 12 Monate haben. Die Watchtime rechnet zusammen, wie lange die entsprechenden Videos insgesamt wiedergegeben wurden. Dabei beziehen sich die 4.000 Stunden Watchtime auf öffentlich zugängliche Videos. [8]
Jedoch gelten auch für YouTube-Partner*innen Einschränkungen: Unter bestimmten Bedingungen stuft YouTube das Video als werbeunfreundlich ein. Etwa, wenn kontroverse Themen behandelt werden, Schimpfwörter vorkommen oder über politische Themen geredet wird. Davon betroffen sind Videos mit gefährlichem oder schädlichem Verhalten, sowie hasserfülltem Content. Weitere Kriterien, wodurch Videos als werbeunfreundlich eingestuft werden können, finden sich auf der Website selbst. [6] In einem solcher Fälle kann die Creatorin oder der Creator keine Werbung schalten.
Besonders betroffen von diesen Regelungen sind Meinungsblogger*innen und News-Kanäle, wie der von LeFloid. In seinem Format „LeNews“ berichtet er über aktuelle Themen. „Bei mir ist es tatsächlich gerade schwierig, […] Meinungsäußerung, das hat YouTube aktuell nicht mehr so gerne, das haben sie sogar in ihren AGBs verankert.“[3] Gerade die kritische Auseinandersetzung mit politischen Themen wird von YouTube als nicht werbefreundlich gewertet. Das Ganze kann Webvideo-Produzent*innen in der Wahl ihrer Formate und Themen einschränken. Hier muss man sich entscheiden: Richtet man den Content so aus, dass er werbefreundlich ist oder möchte man sich komplett frei ausleben, was die Videogestaltung angeht?
Sowohl das Entwickeln von Formaten, sowie das Schreiben von Skripten kann viel Zeit beanspruchen. Wie bereits erwähnt, können durch Product Placements, auch Produktplatzierungen genannt, ebenfalls Einnahmen erzielt werden. Das ist unter anderem über Produkttests möglich. Jedoch sollte man bei solchen Placements darauf achten, dass sie auch zu dem eigenen Kanal passen. Anders kann man schnell die eigene Glaubwürdigkeit verspielen. Hierbei ist es wichtig, redaktionelle Inhalte und Werbung voneinander zu trennen und deutlich zu kennzeichnen. [7] Gerade dieser Aspekt kann in der aktuellen Zeit schwierig sein. Das zeigt beispielsweise das Gerichtsverfahren gegen Pamela Reif und andere Influencer*innen. Dabei geht es um die Kennzeichnung von Werbung. Hier gibt es, aufgrund des neuen Mediums, Meinungsverschiedenheiten, wie etwas wann gekennzeichnet werden muss. Dementsprechend kann von Fall zu Fall unterschiedliche entschieden werden. Das sorgt für zusätzliche Verunsicherung. [13]
Am Sichersten ist es sich als Influencer*in, nicht nur auf eine einzige Plattform zu verlassen.
Auch, wenn es definitiv (körperlich) anstrengendere Berufe als den von Webvideo-Produzenten*innen gibt, Arbeit ist es trotzdem. Dazu kommen noch die finanzielle Unsicherheit und die Angst, dass es irgendwann nicht mehr funktioniert, weil YouTube beispielsweise seine Regeln ändert. Als einzige – auf Dauer verlässliche – Einnahmequelle ist YouTube demnach ungeeignet.
Dennoch kann es ein schönes Hobby sein oder eine gute Möglichkeit, sich mit dem, was einem Spaß bereitet, etwas dazuzuverdienen.
Quellen
- [1]Hemelryk, S.. (Februar 2016) YouTube – Wie ein Video-Portal die Welt verändert. readersdigest. Abgerufen von https://readersdigest.de/at/wissen-tipps/familie-leben/item/youtube-wie-ein-video-portal-die-welt-veraendert [22.12.2020]
- [2]Schulz, E. [Deutschland3000]. (2020, 30. 09). Coldmirror, wieso hat Harry Potter dein Leben Gerettet| Podcast[Podcast]. YouTube.https://www.youtube.com/watch?v=FYpSNvm287g&t=3117s
- [3]Enwaldt, G. [STRG_F]. (2018, 04. 09). Dagi Bee, LeFloid, Emrah und Co. – wie anstengend ist YouTube| STRG_F [Dokumentation]. YouTube.https://www.youtube.com/watch?v=ZvwX4cjGCng
- [4] Enwaldt, G. [STRG_F]. (2018, 05. 09).Extra: LeFloid Interview – wie anstengend ist YouTube| STRG_F [Interview]. https://www.youtube.com/watch?v=KE5AZDBygNQ
- [6] Hrsg. YouTube-Help. (ohne Jahr). YAdvertiser-friendlycontentguidelines. Abgerufen von https://support.google.com/youtube/answer/6162278?hl=en [22.12.2020]
- [7] Krachten, C.&Hengholt, C. (2018). YouTube: Spaß und Erfolg mit Online-Videos (3. Auflage.) Heidelberg: dpunkt.verlag GmbH
- [8]Hrsg. YouTube-Hilfe. (November 2020). YouTube-Partnerprogramm: Überblick und Voraussetzungen. Abgerufen von https://support.google.com/youtube/answer/72851?hl=de [22.12.2020]
- [9] Wiefels, S. [Unge]. (2019, 04. 05). Unge REAGIERT auf Reaction Kritik! |#ungeklickt [Reaction]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=TkgW-zYIEy4&list=WL&index=9
- [10]Hrsg. ARD/ ZDF. (2020) Key Facts der ARD/ZDF-Onlinestudie. Abgerufen von https://www.ard-zdf-onlinestudie.de/ardzdf-onlinestudie/infografik/ [22.12.2020]
- [11] Hrsg Spiegel Netzwelt. (08.02.2007) So reich hat Google die YouTube-Gründer gemacht. Spiegel Netzwelt. Abgerufen von https://www.spiegel.de/netzwelt/web/milliarden-deal-so-reich-hat-google-die-youtube-gruender-gemacht-a-465048.html [22.12.2020]
- [12] Fricke, K. (o. Datum). Beschreibung. Abgerufen von https://www.youtube.com/user/coldmirror/about [22.12.2020]
- [13] Hrsg. DPA. (21.03.2020) Influencerin Pamela Reif verliert Prozess um Schleichwerbung. Süddeutsche Zeitung. Abgerufen von https://www.sueddeutsche.de/panorama/prozesse-influencerin-pamela-reif-verliert-prozess-um-schleichwerbung-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-190321-99-488370 [22.12.2020]