Hacker

Die dunkle Seite der Macht

von Sandra Fuhrmann

Die Welt in der wir leben ist nicht schwarz und weiß – sie hat viele Farben. Und genau so vielfältig sind meist die Sichtweisen, die es auf ein und dieselbe Sache gibt. War Robin Hood ein Wohltäter, dessen Einsatz für die Armen unsere Bewunderung verdient oder war er ein zu Recht geächteter Dieb, der rechtschaffene Menschen ihres ehrlich verdienten Hab und Guts beraubte?
Wenn man von Hackern spricht, wird wieder einmal klar: Gut und Böse, richtig oder falsch, sind in vielen Fällen relativ. Ist es unpassend, dieses doch recht junge Phänomen, das letztendlich als Kind des Online-Zeitalters bezeichnet werden kann,  mit der historischen Figur eines umstrittenen Strumpfhosenhelden zu vergleichen? Nicht unbedingt.

Eine Weihnachtsgeschichte

Anonymous

Die Hackergruppe Anonymous. Foto: flickr/stevegarfield

Der Texaner Alan Barr erlebte zu Weihnachten eine böse Überraschung. Wie von Zauberhand war plötzlich eine größere Summe Geld von seinem Konto abgehoben worden. Ähnlich erging es einem ehemaligen Mitarbeiter der texanischen Bank. Zur selben Zeit waren von seinem Konto rund 700 US-Dollar verschwunden.  Die beiden waren nicht allein. Insgesamt waren 90.000 Daten von Kunden der US-Sicherheitsfirma Stratfor gehackt worden und über eine Million war  von den Kreditkartenkonten der Betroffenen abgebucht worden. Kurz darauf wurde der Angriff auf den Server der Firma als Stratfor-Hack in den Medien bekannt.
Als verantwortlich für den Cyber-Angriff erklärten sich kurz darauf Aktivisten der Hackergruppe Anonymous. Im Nachrichtendienst Twitter posteten die Cyber-Piraten einen Link, der User zu den gehackten Daten der Stratfor-Kunden, zu denen auch Unternehmen, wie Apple und Microsoft zählten, führte. Das entwendete Geld wollte die Gruppe verschiedenen Hilfsorganisationen, wie dem Roten Kreuz oder Care, als Weihnachtsspende zukommen lassen.
Eine Geschichte von Heldenromantik und dem Kampf für eine gerechtere Verteilung der Ressourcen. Auf den ersten Blick sicherlich. Doch meist dringt der erste Blick nicht besonders weit unter die Oberfläche.

Wissen ist Macht

Geht es um Politik, geht es auch immer um die Verteilung von Macht. Macht jedoch bedeutet auch die Macht bestehender Verteilungen in Frage stellen zu können. Mit ihrem Wissen über technische Details ist es Hackern möglich, sich in einem Raum zu bewegen, der für unsere Gesellschaft zum unverzichtbaren Bestandteil geworden ist – dem Internet. Mit diesem Wissen besitzen die Cyber-Aktivisten gegenüber den meisten Usern einen deutlichen Vorteil, oftmals  aber auch gegenüber Politikern oder Managern.
Was jedoch ist das politische Ziel von Hacker-Vereinigungen? Lässt sich überhaupt so etwas wie eine gemeinsame Hacker-Ethik herausfiltern? An dieser Stelle lohnt sich ein Blick auf die Entstehung.

Das Spiel mit den Würmern

Dokumentiert wurde das Phänomen zum ersten Mal in den 80iger-Jahren. Mit der Etablierung des Internets erschienen auch Hacker zum ersten Mal auf der Bildfläche. Technische Neugierde, vor allem von jungen Menschen, war der ursprüngliche Grund für die Entstehung. Hacken galt als spielerischer Akt.
Im Jahr 1989 wurde aus dem Spiel zum ersten Mal Ernst. Beim Abschuss der mit Plutonium betriebenen Raumsonde Galileo war bei den Rechnern der NASA plötzlich buchstäblich der Wurm drin. „WANK. WORMS AGAINST NUCLEAR KILLERS! Your system has been officially
Wanked.“ So lautete die Botschaft der Hacker, die sich Zugang zu den Computern verschafft und diese manipuliert hatten.

Wikileaks

Wikileaks. Foto: flickr/Steve Rhodes

Die erste Hacker-Community, die Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre mit vergleichbaren Aktionen von sich reden machte, stammte aus dem australischen Melbourne. Mit dabei: Der spätere Wikileaks-Gründer Julian Assange. Seiner Meinung nach impliziert Hacker-Ethik die Freiheit von Informationen, das Offenlegen staatlicher Geheimnisse, die Entlarvung von Korruption und den Siegeszug der freien ungeschminkten Wahrheit. Das sind auch die Grundmotive von Wikileaks.
Wikileaks – vermutlich das große Beispiel der jüngsten Zeit dafür, wie das Offenlegen von Daten besonders üble und weitreichende Folgen mit sich bringen kann. Die ungeschminkte Wahrheit ist nun einmal was sie ist. Und manchmal kann ihre Fratze unfrisiert leider ziemlich hässlich sein. „Depeschen-Desaster in sechs Akten“ titelte der Spiegel Anfang September des vergangenen Jahres, als über 250.000 Depeschen des US-Außenministeriums, in deren Besitz Wikileaks war, an die Öffentlichkeit gelangten. Von der hässlichen Fratze mussten sich auch im Fall Stratfor nicht nur die Firma selbst und ihre Kunden angrinsen lassen. Für die bedachten Hilfsorganisationen entstand durch die Rücküberweisung nicht nur eine Menge Arbeit, sondern sie rechneten sogar mit zusätzlichen Kosten. Rebellion also nur um der Rebellion Willen?

Ohne Licht kein Schatten

Hacker sind zu einem wichtigen Bestandteil unserer Gesellschaft geworden. Vor der Macht, die sie durch ihre technischen Kenntnisse besitzen, fürchtet sich nicht nur die Politik. Vielen Hackern scheint aufgrund ihrer Fähigkeiten ein gewisses Sendungsbewusstsein gemein zu sein.
In manchen Fällen rechtfertigt der gute Wille aber nicht das schlechte Ergebnis, in anderen jedoch kann er kombiniert mit Wissen und einer Portion Kreativität am Anfang von etwas Positivem stehen. Die von Richard Stallman initiierte Open Source Bewegung hatte zum Ziel, Nutzern die Kontrolle über ihre Software zurückzugeben. Die Unterstützung der Rebellen während des Arabischen Frühlings durch Telecomix und andere Hacker-Gruppen ermöglichte es Menschen frei ihre Meinung zu äußern, in Ländern, in denen darauf teilweise der Tod stand.
Vielleicht ist die Frage, ob das Anzweifeln der Machtstrukturen von Hackern immer auf die richtige Weise umgesetzt wird und an den richtigen Stellen angreift. Die Hacker betrachten das Internet als wichtiges Instrument zur Erhaltung der Demokratie und manchmal zählt in einer Demokratie möglicherweise einfach, dass es jemanden gibt, der etwas in Frage stellt.