Beruhigende Virologen?! – Kommunikation in Zeiten von Corona

Von Tanja Miller

Drosten, Wieler oder Streek sind uns spätestens seit diesem Jahr ein Begriff: alle drei Virologen. Sie sind die „Stars“ der Corona-Krise. Doch wie wird ihre Kommunikation überhaupt wahrgenommen? Prof. Dr. Sonja Utz vom Leibniz Institut für Wissensmedien in Tübingen untersucht das zurzeit. Aktuell befindet sie sich in der Auswertung der Daten. Die Ergebnisse der Studie werden erst in ein paar Monaten veröffentlicht. Uns hat sie in einem Interview aber schon ein paar Zwischenergebnisse verraten. Unter anderem, ob die Menschen eine parasoziale Beziehung zu den Virologen aufbauen.

Plötzlich bekommen die Virologen die Aufmerksamkeit – jeder möchte wissen, wie es in der Corona-Krise weitergeht: Wann kommt ein Impfstoff? Was soll ich vermeiden? Die Antworten der Virologen werden uns auf verschiedenen Kanälen vermittelt. Das angesehenste Format sind derzeit Podcasts. Prof. Dr. Sonja Utz untersucht am Leibniz Institut für Wissensmedien in Tübingen die Kommunikation von Virologen. Die Ergebnisse der Studie – nach zwei Befragungswellen im März und April – werden zwar gerade ausgewertet. Trotzdem kann Sonja Utz bereits sagen, dass Virologen in Podcasts emotionaler wahrgenommen werden, als in Pressekonferenzen.

Vertrauen die Menschen den Virologen?

Wir haben die Teilnehmenden gefragt, wie oft sie den prominentesten Virologen – wie Christian Drosten, Lothar Wieler, Hendrik Streeck oder Alexander Kekulé auf verschiedenen Medien begegnen und ob sie eine*n davon besonders gerne hören. Probanden mit einem solchen Lieblingsvirologen halten sich eher an die Verhaltensregeln. Wir können hier nicht sagen, woran das liegt: weil sie zuhören und dadurch einen Lerneffekt haben oder weil sie sich sowieso schon dafür interessieren und sich stärker an die Regeln halten sowie dann anfangen, auch die Podcasts zu hören.

Wäre der Unterschied bei einer erneuten Befragung größer?

Es wäre vielleicht spannender, wenn man nun die Probanden noch einmal befragen würde. Einige haben jetzt schon die Nase voll von Corona. Aber in der Zeit, als wir die Studie durchgeführt haben – Anfang März und Ende April, hat sich die große Mehrheit sowieso an die Regeln gehalten. Interessant wäre noch zu wissen: Wirkt sich das Hören eines Virologen darauf aus, dass die Menschen denken, sie könnten die Krise besser bewältigen? Und, halten sie sich wegen den Vorschlägen der Virologen an die Regeln? Das werden wir noch analysieren.

Welche Beziehung haben denn die Menschen zu den Virologen, die sie hören?

„Das Format eines Podcasts die parasoziale Beziehung“, sagt Sonja Utz vom Leibniz Institut für Wissensmedien in Tübingen. Foto:  IWM Tübingen, Paavo Ruch

Bei Pressekonferenzen des Robert-Koch-Instituts bauten die Probanden keine parasoziale Beziehung auf, bei Podcasts jedoch schon. Auch wenn die Werte nicht sehr hoch waren. Das Format eines Podcasts begünstigt allerdings die Beziehung. Wir haben das vor allem bei Hörern des Drosten-Podcasts gemerkt. Das Hören von Podcasts korreliert positiv mit dem Wissen, was sich die Leute aneignen. Was auch interessant ist: Einige Probanden berichten, das Hören habe etwas Beruhigendes und Tröstendes. Eine parasoziale Beziehung mit dem Virologen korreliert auch mit dem Gefühl, die Krise bewältigen zu können und damit, dass man sich mehr an die Verhaltensregeln hält.

Welche anderen Medien als Podcasts werden noch genutzt und wie?

Die meisten Medien werden mehr genutzt, was natürlich wenig erstaunlich ist. Aber was auffällt ist, dass am meisten Webseiten öffentlicher Institutionen wie das Robert Koch Institut oder offizielle, seriöse Nachrichten wie ARD und ZDF angeklickt oder geschaut werden. Zumindest in der ersten Stichprobe mit 700 Probanden. Die natürlich ein bisschen selektiv ist, weil wir einmal den Univerteiler genutzt haben und vor allem Hörer der Virologen Podcasts – die Stichprobe ist auch hochgebildet. Was auch noch zugenommen hat: telefonieren, Podcast hören, die Unterhaltung beispielsweise durch Serien und die Nutzung von Social Media.

Noch etwas anderes: Hat die Krise auch positive Auswirkungen auf die Wissenschaftskommunikation?

Wissenschaftskommunikation war bisher meistens zu einem spezifischen Thema und vielleicht auch eher einmalig. In der Krise ist es plötzlich etwas Besonderes: Jeden Tag wird geforscht und es kommen neue Studien raus. Dann ist es ja sehr hilfreich, wenn die jemand erklärt. Bei der Klimakatastrophe gibt es auch unzählige Studien. Aber diese sind nicht ganz dringend in dem Sinne, dass sich nicht jeden Tag die Lage ändern kann. Es wäre interessant, in Zukunft darauf zu schauen, ob es systematische Unterschiede in der Wissenschaftskommunikation gibt, je nachdem was das wissenschaftliche Problem ist und welche Faktoren da eine Rolle spielen.

Mein Kommentar – Nicht nur den Lieblingsvirologen hören

Vielleicht wird nun durch die Krise mehr Wissenschaftskommunikation betrieben – nicht nur im medizinischen Bereich. Denn Menschen wollen, dass ihnen wissenschaftliche Sachverhalte erklärt werden. Vor allem wenn es um abstrakte Themen wie Corona geht. Dass Virologen in dieser Zeit die Ansprechpartner Nummer eins sind, ist natürlich verständlich. Sie beschäftigen sich intensiv mit einem Thema. Dadurch kann ihnen vertraut werden. Trotzdem muss auch an den Einfluss der Wissenschaftler gedacht werden. Nicht zuletzt, wenn wir durch Sonja Utz erfahren haben, dass manche Probanden eine parasoziale Beziehung mit den Virologen aufgebaut haben. Daher ist es gut, sich nicht nur seinen Lieblingsvirologen anzuhören, sondern sich auch auf anderen Kanälen zum Beispiel von unabhängigen Journalisten wie Krautreporter oder Perspective Daily zu informieren. Denn die Meinung zu hinterfragen, gilt immer – auch bei den für manche gerade beruhigenden Virologen.